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Meinung selbst in den höhern Ständen gegen den Hof 15), die Feindseligkeit gegen die Königin reger, als in Ludwig's XV. Zeit gegen die Måtressen. Ihre Anhänglichkeit an Östreich, dessen that- und eroberungsluftiger Joseph II. damals rundum Sorge erweckte, ward schlimmer und schlimmer gedeutet. Als Frankreich die Entwürfe Joseph's auf die Eröffnung der Schelde durchkreuzte, aber, um den Frieden zu erhalten, einen Theil der von Joseph begehrten Abfindungssumme bezahlte, hieß es, Marie Antoinette sende ihrem Bruder Gelder. Es war dahin gekommen, daß die Regierung nichts mehr recht machen konnte, daß man an Alles eine schlimme Deutung knüpfte und auch das Wohlgemeinte nicht anerkennen wollte. Als Breteuil im J. 1783 mehre scheußliche Gefängnisse von Vincennes öffnen ließ und erklärte, daß sie in Speicher umgewandelt werden sollten, schauderte man über den gråßlichen Anblick, aber der Argwohn, daß die übrigen Gefängnisse, welche nicht gezeigt wurden, gleich schrecklich seien, ließ es nicht zur Unerkennung der Menschenfreundlichkeit Breteuil's kommen 16). Daß nun aber die Königin die Zielscheibe der giftigsten Verläumdungen wurde, ging nicht von den Philosophen, nicht von den Aufklärern aus; hier war der Hof und was ihm anhing, die Wurzel des übels; am Hofe bildete sich, wie schon mehrmals, Parteiung gegen sie und es ward zur Mode, was von ihr geschah oder verabsäumt wurde, übel zu deuten 17). Als sie

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15) Md. de Genlis, Mém. 3, 194 von den pariser Coterien: Il était de bon air de braver en tout la cour et de se moquer d'elle. On n'allait faire sa cour à Versailles qu'en se plaignant et en génissant, on répétait, que rien n'était ennuyeux comme Versailles et la cour, et tout ce que la cour approuvait, était desapprouvé par le public; les pièces du théâtre applaudies à Fontainebleau, étaient constamment sifflées à Paris.

16) Droz 1, 416.

17) Mancherlei Einzelnes, nicht gereinigt von Schlacken, oder ab. sichtlich zu ungunsten der Königin verfälscht, s. b. Soulavie 6, 9. 13. 22. 43. 46 fg., dazu Droz 1, 228. Eine Stimme anderer Art war es, als ein Musiker der k. Capelle beim Vorbeigehen der Königin, und so daß diese es hören konnte, bemerkte: Une reine qui fait son devoir, reste dans ses appartemens à faire du filet. Md. Campan 2, 32.

in dem verrufenen Halsband proceffe Gegenstand des öffentlichen Gesprächs geworden war, blieb, ungeachtet der evidenten Beweise von der Schändlichkeit der Lamotte, Argwohn zurück, daß die Königin nicht ohne Schuld sei. Die Familie Rohan gab durch ihr Benehmen zu erkennen, daß sie die Strenge des Königs gegen den Cardinal Rohan misbillige; das war nicht das Schlimmste, denn dieser konnte als Unschuldiger Theilnahme erregen; aber eben jenes Benehmen ward auf die Königin zurückgedeutet und mit der Unschuld des Cardinals zugleich die Schuld der Königin angenommen 18). Der Hof war die Wucherståtte der schlechten Meinung und der Verläumdung; der Glaube an Reinheit der Sitte war ja dergestalt entwichen, daß, wo nur schwacher Schein einer Leichtfertigkeit auftauchte, gern das Schlimmste geargwohnt wurde. Die Verläumdungen gegen die Königin wurden von jener Zeit an böswilliger und frecher, und wenn mit Recht in der zunehmenden Verhaßtheit der Königin ein Hauptgrund des nachherigen bösen Geistes in der Volksbewegung zu suchen ist, so halte sich Jeder gegenwärtig, daß der, Hof mit seiner scandalösen Chronik, mit seinen Couplets, seinen Intriguen und Cabalen zuerst den Glauben an Verderbtheit und Unheilstiftung der Königin aufbrachte und nährte. Der pariser Pöbel stand in Wahlverwandtschaft mit dem Hofe. Die Philosophen haben hiebei keine Schuld abzubüßen, wohl aber die Journalisten und Pamphletisten. Es hatten sich dergleichen zu London niedergelassen; mehrmals, wenn sie mit einem Libell drohten, wurde ihnen Geld gezahlt 19); aber es ging, wie vormals den Engländern mit dem Danegelde; jede Zahlung machte die

18) Die Geschichte dieses Gewebes von Gaunerei und Bethörtheit f. Beilage 1.

19) In London befanden sich Morande, Verf. des gazetier cuirassé, über dessen Schändlichkeit selbst Voltaire entrüstet gewesen war, der Marquis von Pelleport (Verf. des diable dans un bénitier) 2c. G. Mémoires de Brissot 2, 175 ff. 190. Sie drohten mit Libellen; davon ihr Name sommateurs; Vergennes zahlte ihnen mehr als ein Mal. Buchez et Roux 12, 4 f. Mehre dergl. Lästerschriften s. angeführt b. Buchez et R. 1, 280 und daselbst auch, wie die Höflinge die geschäftigsten Träger der Lästerchronik, der schmugigsten Couplets 2. waren.

Empfänger lüsterner, und keine stellte gegen neue Bedrohungen ficher. Zur Herabwürdigung des Throns wirkte die Verläumdung im Bunde mit der Lästerchronik mehr als dessen augenfällige Gebrechen; die Pfeile, welche jene aus ihrem Versteck abschießt, erhalten ihr Gift in der Neigung der Menschen, das Schlimmste am liebsten zu glauben oder doch weiter zu erzählen; keiner wird umsonst abgeschossen, jeder verwundet. Mit gerechtem Mismuth aber war erfüllt der jüngere Adel über die ausschließliche Hoffähigkeit der Geschlechter aus dem 14. Jahrh., der Bürgerstand über den hochfahrenden Kastengeist und die Privilegien der Aristokratie, das Militár über Neuerungen, die ihm nicht frommten, der nichtadlige Soldat über das Officiersadelsgeseß, der Landmann über seine Lasten und Leiden, und Alles fand in der Literatur irgend eine Nahrung des Grolls als Calonne's Rathlosigkeit den Sturm der Revolution heraufbeschwor.

Die Sorge um den Staatshaushalt hatte eine Zeitlang sich in fernen Hintergrund zurückgezogen; Calonne, übelberüchtigt durch seine Intriguen in La Chalotais' Sache, anges stellt, als der böse Krebsschaden schon keine gewöhnliche Heilung mehr zuließ, hatte die Zuversicht geweckt, daß die Sache gar nicht so schlimm stehe 20). Er hatte den Wünschen des Hofes mit baarer Zahlung genügt, die Luftschlösser Rambouil

20) Was sich für Calonne sagen läßt, ist in der Gesch. d. Staats verånd. 2, 12 f. sorgsam und mit unverkennbarer Tendenz zur Apologie zusammengestellt, womit die unparteiische Kritik Calonne's in der Introduction zum Moniteur p. 50 sich wohl vereinigen läßt; aber die Schuld liegt ja nicht darin, daß er nicht helfen konnte, sondern daß er mit bem falschen Scheine, helfen zu können, betrog. Ob er nun auch sich selbst betrog, möchte sich aus dem ergeben, was Graf Horst als múnd, liche Mittheilung Calonne's an Büsch erzählte und dieser in seiner Gesch. d. merkw. Welthåndel S. 496 wiedergegeben hat: On a de la peine à s'imaginer combien c'est une chose facile que le maniement des finances. J'ai mon sécrétaire, celui-ci a ses commis; c'est bien une centaine; ils lui font leurs rapports, il en fait des extraits et me les présente. C'est alors l'affaire d'une demi-heure. Es paßt mindestens zu dem, was er zu K. Leopold sagte: Je ne veux pas plus de six mois, pour rétablir les finances, worauf dieser erwiderte: Monsieur, il est fâcheux que vous n'ayez pas eu cette idée quand vous étiez en place.

let für den König und S. Cloud für die Königin "1) und manche andere Befihungen für die Krone gekauft, für die Brüder des Königs große Summen angewiesen 22), zu Ges schenken und Pensionen 23) Mittel geschafft: die kostspielige

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21) Die Ausgabe war nicht bedeutend, da sie durch den Verkauf des Schlosses Trompette in Bordeaux großentheils gedeckt wurde, der Kauf gab aber nachher Stoff zu vielen Misdeutungen. Md. Campan 1, 272. 273. 275. Zusammen wurden 10,700,000 Thaler zu Ankäufen für die Krone verwandt. Livre rouge 32–34. Gesch. d. Staatsverånd. 2, 22. Es bedarf, wie schon oben bemerkt, nicht mehr der Widerlegung unhalts barer Beschuldigungen, daß durch Verschwendung des Königs und der Königin in dem, was sie zu eigenem Bedarfe gebrauchten die Frage von den Spenden an Hofleute ist eine andere die Finanzen zu Grunde gerichtet worden seien; ist aber die Rede von der Idee, die bei Calonne's Wirthschaft in Bezug auf den Hof zum Grunde lag, so mag seine Ant. wort an die Königin: Si ce que votre majesté désire est possible, c'est fait, si c'est impossible, cela se fera (Weber 1, 301), verglichen werden mit dem, was einst Terray auf die Frage Ludwig's XV. über die Festlichkeiten wegen Vermählung des Dauphin antwortete: Je les trouve impayables, und kaum wird die Frage entstehen, wer von beiden mehr zum Verwirthschaften hinneigte? Endlich muß bemerkt werden, daß die Königin wider Calonne's Ernennung gewesen war und ihn nicht gern fah. Md. Campan 1, 268.

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22) Livre rouge 9 fg. Un Monsieur: 13,824,000 Livres; an Urtois 14,550,000 £.

23) Darüber spricht sich Necker de l'administrat, des finances 2, 340 ff. stark genug aus: On dirait, à voir cette profusion, que l'or et l'argent sont apportés par les flots de la mer, au lieu que les richesses des souverains sont le produit des impôts, et l'accumulation des sacrifices de la généralité des citoyens, de ce peuple surtout qui ne reçoit en récompense des travaux de la journée, que la subsistance nécessaire, pour lui donner la force de les reprendre le lendemain. Sie betrugen jährlich gegen 28 Millionen Livres. (So in dem Tableau, das Calonne 1787 den Notabeln vorlegte.) Untrdstliche Aufschlüsse gab im J. 1790 das „rothe Buch“. Welchen Effect seine Bekanntmachung hatte, davon unten (Buch 2, Cap. 3, N. 104); hier von seinem Ins halte. Seit Ludwig XV. waren darin von dem Könige und dem Genes ralcontroleur zusammen Ausgaben verzeichnet, die in dem gewöhnlichen Finanzetat nicht aufgeführt wurden. Es war eine Art ordonnances de comptant, doch gehörten keineswegs alle folche zu den im rothen Buche aufgeführten Artikeln, vielmehr waren in der Finanzverwaltung, zum Behufe vereinfachter und rascherer Erledigung, ordonnances de comptant

Anlage der pariser Barrieren, grandiose Hafenarbeiten zu Cherbourg 2c. veranstaltet; es schien auch zu außerordentlichen

üblich, die gar nicht etwa geheime Ausgaben betrafen. (S. darüber Necker im Moniteur 1790, No. 117 u. 118.) Was im rothen Buche verzeichnet ist, kann großentheils als eigentliche Schenkung des Königs angesehen werden. Beides ist aufs gröblichste durch Ignoranz und durch Malice mit einander vermengt worden. Freilich war schlimm genug, daß der Pensionsetat mit seiner dreifachen Rubrik, nåmlich Unweisungen, die der Oberrechnungskammer vorgelegen hatten, oder Ordonnances de comptant, oder Einzeichnungen in das rothe Buch, hinreichenden Anlaß zu gerechten Ausstellungen gab. In dem rothen Buche waren nach den öffentlichen Mittheilungen (Moniteur 1790, No. 98. 101. 104. 107. 109. 111. 113 und in dem besondern Abdrucke des Livre rouge b. Baudouin 7. Apr. 1790, 51 S., dem ein mit rothen Buchstaben gedrucktes schändliches Pamphlet: Le livre rouge ou liste des pensions secrètes etc. de l'imprimerie royale, 2 livrais. vorausging) überhaupt vom 19. Mai 1774 16. Aug. 1789 verzeichnet 227,985,000 L. 10 Sols 1 Den., also, auf 17 Jahre vertheilt, eine Summe, die im Verhältniß zu dem jährlichen Pensionsetat und den Gehalten für Hofchargen nicht so großen Lårm håtte machen können, wenn man nicht beides zusammens geworfen hätte. Die schlimmsten Artikel des rothen Buches sind die im ersten Capitel aufgeführten Zahlungen an die beiden Brüder des Königs, die im gewöhnlichen Etat (v. J. 1789) mit 8,240,000 L. Einkommen aufgeführt worden, von denen aber der verschuldete Graf von Artois seit 1781 an 14 Millionen und nicht minder der dkonomische Graf von Provence über 14 Millionen empfangen hatte. Ferner aus Cap. 2: Dons, gratifications, 1,200,000 £. an Polignac zum Ankaufe von Fenestrange, Mad. Maurepas 166,666 L., Prinzessin Christine 150,000 L., Sartines zur Bezahlung seiner Schulden 200,000 L., Lamoignon 200,000 2. 2c., Summa 6,174,793 L. Außerdem find bemerkenswerth aus Cap. 3: Pensions et traitemens, 60,000 £. jährlich an die Gråfin Albani, Gemahlin des lehten Stuart, und 30,000 L. an diesen selbst, 25,000 L. an Condé. Summa 2,221,541 L. Dagegen fållt Cap. 4, Almosen, sehr dürftig 254,000 L.; seit 1782 ist nichts der Art aufgezeichnet. Cap. 5: Indemnités, avances, prêts, remplacemens, arrangemens de comptabilité, 2400 L. an Prinzessin Conti für Verluft bei Pachtactien! 22,680 L. an einen Hrn. Furth, um die Herausgabe einer Schmähschrift zu hindern; 1 Mill. L. an die Dubarry zur Einlösung von Rentenbriefen. Summa 15,254,106 L. Die folgenden Capitel bieten wenig dar, das zur Ver= schwendung gerechnet werden könnte. Cap. 6: Acquisitions, échanges, 7 Mill. L. an Condé für die Abtretung der Einkünfte von Clermontois, 8,700,000 £. für den Kauf von L'Isle Adam 2c. Cap. 7: Affaires de finances, Ausgaben für außerordentlichen Dienst 5,825,000 2. Cap. 8: Affaires étrangères, affaires secrètes de poste et autres, für die Post

aus

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