Page images
PDF
EPUB

Polignac, Diane, für herrschsüchtige Intrigantin galt, und ihres Anhanges, der Herren von Besenval, Vaudreuil, Adhemar, Dillon, Fersen, des Herzogs von Coigny, nebst den Damen, Prinzessin von Chimay und von Tarcet, Herzogin von FitJames 2c., und dem einflußreichen Abbé Vermont 8o). Die Zeit, wo die Königin als Gattin und Mutter die Liebe und das Vertrauen ihres Gemahls in vollem Maße gewann, ist als ein Abschnitt anzusehen, wo die Anfeindungen derselben, die größtentheils blos aus der Låsterchronik des Hofes hervorgegangen waren, etwas ruhten. Nun aber gab die Königin durch ihre Einmischung in Staatsangelegenheiten von sich zu reden, und darin fand der Sinn des Scandals neue Nahrung. Es konnte nicht verkannt werden, daß sie darnach strebte, an der Regierung Theil zu nehmen; eine schlimme Mitgift für fie war die Jugenderinnerung, ihre Mutter als unumschränkt regierende Fürstin gesehen zu haben, eine noch schlimmere aber, daß sie, selbst nur nach Laune handelnd, bei ihren anspruchsvollen politischen Tendenzen der Einsicht, des treffenden Blicks und Geschäftsernstes, des glücklichen Taktes und der Charakterfestigkeit gänzlich ermangelnd, die Schwäche des Königs benußte, dessen Willen zu befangen. Dazu kam die fortdauernde politische Anhänglichkeit an ihr Heimatsland, für welche in dem Franzosen niemals eine Sympathie hatte aufkommen können, und die späterhin Gelegenheit zu gehässigen Deutungen und Unschuldigungen gab, nicht minder ihre geistige Beschränktheit in der Hingebung an den Rath und die Intriguen der Personen, die ihre Zuneigung gewonnen hatten.

Seitdem die Königin eine Stimme in Staatsangelegenheiten erlangt hatte, war Maurepas' Autorität nicht mehr vollgültig; durch Einfluß der Königin wurde Segur 1781 Kriegsminister 81), doch blieb Maurepas im Amte bis zu seinem

80) Die Gräfin Jules von Polignac selbst, welche durch die Bande der Freundschaft an die Königin gefesselt war, diente den übrigen als Werkzeug zu politischen Zwecken. Ein, freilich nicht ganz unverdächtiges, Zeugniß zu Gunsten der Gråfin s. 6. Mad. Campan 1, 138. 261. Vgl. damit Weber 1, 286. 294.

81) Von der Scene, die die Königin deshalb mit der Polignac hatte, s. Besenval 2, 106 f.

Tode. Er wollte der Königin nicht wohl, er hatte eine geheime Schadenfreude, wenn sie verunglimpft wurde ®2); indessen wagte er nicht, ihr offen entgegen zu treten; im Vortheil gegen fie wußte er sich durch Intrigue zu behaupten. Von Necker hatte die Königin eine günstige Meinung; aber eben Necker's Ausscheiden aus dem Ministerium gab einen Beweis, daß die Königin noch nicht Alles vermochte. Necker misfiel dem Hofe. Seine unbeholfene und ungracióse Persönlichkeit, das Pomphafte in seiner Rede 83), der Ton der Doctrin und der Selbstgefälligkeit in seinen Erörterungen wurde låstig; auch das Parlement war ihm entgegen; Vergennes, abgesagter Feind jeglicher Art ständischen Wesens, also auch der Provinzialeinrichtungen Necker's und sein persönlicher Widersacher **), nahm den König, der großes Vertrauen zu Vergennes' Rathe hatte, wider Necker ein. Die zahlreichen Gegner desselben, mit denen der Geist der Malice gemeinsame Sache machte, ließen in Wort und Schrift Verläumdung und Spott gegen ihn ausgehen. Maurepas, der Necker nur unangefochten ließ, so lange dieser ihm nichts in den Weg legte, hatte vermóge feiner Sinnesart an den Schmähschriften gegen Necker seine Lust und es hieß sogar, daß dergleichen durch ihn selbst veranlaßt würden. Necker mindestens sah ihn als dabei betheiligt an. Daher suchte er sich befreundete Månner ins Ministerium zu bringen und dadurch Maurepas entgegenzuwirken. Er scheute sich nicht, dazu Betrug zu gebrauchen; um de Castries zum Marineminister zu machen, schlug er ihn, im Einverständniß mit der Königin, dem Könige unter der Vers ficherung vor, Maurepas sei mit ihm einerlei Meinung, da doch dieser von der Sache nichts wußte. Die Unwahrheit der Reden Necker's blieb dem Könige nicht lange verborgen und

82) Md. Campan 1, 200.

83) Den oratorischen Pomp in den Reden Necker's und seiner Frau schreibt Frau von Genlis (Mém. 2, 240. 242) dem Einflusse zu, ben Unterricht und Schriften des Panegyristen Chomas auf sie gehabt håtten. Richtiger urtheilt wol Boissy d'Anglas, Essai sur Malesherbes, 2, 246, ber ihn den kirchlichen Jugendeinbrücken zuschreibt.

84) Montgaillard 2, 9. Soulavie 4, 149. 153. 206 f. Bachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter I.

4

dieser entzog ihm seitdem Vertrauen und Huld "). In demselben Jahre hatte Necker durch die Veröffentlichung des Compterendu 86), durch Berechnung eines Überschusses der Einnahme und durch den Ausdruck von Wünschen für Abstellung mancher Volkslasten, z. B. der hohen Anfäße der Salzsteuer, der Wegefrohnden, die Stimme der Nation für sich in Anspruch genommen und gewonnen, aber eben dadurch die Misgunst und Cabale am Hofe in lebhaftere Thätigkeit geseht; Maurepas sprach von einem conte bleu; es wurden Pamphlets und Couplets geschmiedet ”) und im Staatsrathe, an dessen Sißungen Necker nicht Theil hatte, Intriguen gegen ihn angesponnen. Nun richtete Necker an den König unter mancherlei anderen Gesuchen auch das, der König möge ihm, zu größerer Sicherstellung gegen Umtriebe und Verläumdungen, Sig und Stimme im Staatsrathe und die Erlaubniß, dem Könige auch ohne Zeugen vortragen zu dürfen, gewähren ). Dies gab den Ausschlag gegen ihn; die Unwürdigkeit der Hofgetriebe, wodurch der Boden unter ihm untergraben worden war 89), und die Gereiztheit, mit der Necker am 20. Mai 1781 seine Entlassung nahm, müssen gleichem Tadel unterliegen. Die Königin suchte die Sache auszugleichen; aber Necker's Stolz wies die Vermittlung zurück 9o). Nicht lange nachher (Nov. 1781) starb Maurepas. Die Erkenntniß, daß Necker die Finanzen

85) Georgel 1, 497. Besenval 2, 99. Particularités etc. 230.

86) Das Compte-rendu hatte Alles im günstigsten Lichte dargestellt; die darin befindlichen Zahlen waren richtig und ergaben einen überschuß der Einnahme von 10,200,000 Livres; aber Necker war über die Ausgaben nicht aufrichtig gewesen. Vgl. Gesch. der Staatsveråndes rung 1, 281-293.

87) Weber 1, 141. Md. de Staël, Considérat. sur les princip. événem. de la rév. fr. 1, 97.

88) Necker, de l'administr. des finances de la Fr. 1, préf. 126. Georgel 1, 502.

89) Necker hatte fünferlei genannt, wovon er eins oder das andere wünsche, dies ou wurde von Maurepas in et umgewandelt; so mußte Necker dem Könige als anmaßlicher Bittsteller erscheinen. Md. Campan 1, 263.

90) Md. Campan 1, 261. Weber 1, 144. Droz 1, 204.

nur durch Anleihen im Gange zu erhalten vermocht und daß die Schuldenlaft des Staates während seiner Verwaltung sich um ein Bedeutendes (530 Millionen, wie sie sich nachher o1) ergab) vermehrt hatte, konnte Denen, die an seinem Sturze gearbeitet hatten, zur Genugthuung gereichen. Dagegen wurde dem abgetretenen Minister in der lebhaften Theilnahme des Volks und vieler hohen Personen ein Triumph zu Theil 92), der andrerseits zu erkennen gab, daß sein Rückzug für ein öffentliches Unheil angesehen wurde. Daß es schwer sei, einen Nachfolger Necker's zu finden, der mit denselben Mitteln auch nur so viel als er auszurichten vermöchte, ergab sich aus der kurzen Verwaltung des Idioten Joly de Fleury und des, zwar nicht flügern, aber rechtschaffenen D'Ormesson (zusammen vom Mai 1781 bis Nov. 1783), deren ersterer die Abgaben durch Ausschreibung eines dritten Vingtieme auf vier Jahre 93) erhöhte und dennoch die Schulden um ein Ansehnliches vermehrte; erst Calonne stellte den Wahn der Sicherheit her.

Drittes Capitel.

Die Zeit der Verlegenheiten und der Nothmittel der Monarchie.

Von 1781 bis zur Versammlung der Reichsstände 1789.

Nach Maurepas' Tode hatte die Königin die erste und fast immer entscheidende Stimme in Staatsangelegenheiten. Ein dirigirender Minister ward nicht bestellt. Bei der Königin war hinfort die Partei Polignac von Alles überwiegendem Einflusse; dieser gesellte sich zu der Minister des königl. Hauses,

91) Aus Necker's Erwiderung, an Calonne im J. 1787.

92) Weber 1, 146.

93) Necker, de l'administr. des finances 1, 6.

Baron Breteuil. Die Staatsverwaltung wurde auch jezt keineswegs indolent; mochte auch seit Necker's Abschied eine gewisse Gleichgültigkeit gegen Reformen bei Denen, die die Staatsmaschine leiteten, unverkennbar sein und der Hof, unbekümmert um Neuerungen und nicht gern in seiner Weise gestört, wenig darnach fragen, wie es im Staate besser und dem Volke wohler werden möge, so wurde doch mancherlei ins Leben gerufen, das dem neuen Zeitgeiste entsprach oder doch geeignet war, von dem guten Willen der Regierung zur Förderung des Gemeinnütigen zu zeugen '). Nur wurde man nicht inne oder zog nicht in ernsten Betracht, daß der

1) Hier mag zusammen erwähnt werden, was in den funfzehn Jahren der Autokratie Ludwig's XVI. geschaffen wurde: Die Herstellung einer stattlichen Seemacht, der hier der erste Plaß gebührt; Revision der Processe von Jean Calas und Lally-Tolendal, neue Organisation der Colonialgerichte, Tarif für die Procureurs des pariser Parlements, Abschafs fung der vorbereitenden Tortur (1780), theilweise Abstellung des droit d'aubaine, Freigebung der serfs (mainmortables) auf den Krongütern nebst Abschaffung des droit de suite, Firirung der Taille (13. Febr. 1780; f. Isambert recueil 26, 270), die bis dahin ohne Mittheilung der Vers ordnung an das Parlement hatte erhöht werden können, Aufhebung scheußa licher Gefängnisse und Besserung der übrigen. Es wurden Poststraßen und Diligencen gebaut, der Weinhandel innerhalb Frankreichs freige= geben, Geseze über Hafenpolizei, Consulate der Levante und Consulat, gerichte, über Manufacturen, Buchhandel, Schlachtvieh und Viehseuche, über Vermehrung des Viehstandes und der Fütterung, über Reinlichkeit der Straßen, gegen Begräbniß außerhalb der Kirchen, gegen Spiel und Actienschwindel und über Einrichtung der Apotheken erlassen, der Bau der Canåle von Narbonne, S. Quentin, du Centre und von Bour: gogne fortgesest, La Peyrouse zu einer Erdumschiffung ausgesandt, Bergs werksschulen, Assecuranzcompagnien und eine neue indische Compagnie, eine k. Societåt der Medicin, ein Leihhaus (zu Paris), ein Ummenbureau, eine k. Gesellschaft des Ackerbaues, eine Schule für Brücken- und Straßenbau, ein bureau académique d'écriture gegründet, de l'Epée's Laubstummeninstitut wurde ein königliches, die Verwaltung des Findel hauses und des hôtel-dieu geordnet, die Gewölbe unter Paris befestigt, der Gottesacker des Innocens geschlossen, Kartoffelbau gefördert, Schafs zucht zu Rambouillet eingeführt 2c. Die Anzeige der darauf bezüglichen Verordnungen f. in des Verfassers europäischer Sittengeschichte 5, 2, 854-356. Vgl. die kleine im Juli 1791 erschienene Schrift: Le règne de Louis XVI. mis sous les yeux de l'Europe.

« PreviousContinue »