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brauchs der Waffen zu enthalten; das hatte der König schon gethan, er wiederholte aber seinen Befehl 164), doch scheint der erstere nicht in Form einer eigentlichen Ordre gegeben zu sein, und der letztere kam an die Schweizer nicht früh genug, um einen ungesäumten Abzug derselben aus dem Palaste zur Folge zu haben. Nun begab sich auch eine Deputation der N.-B. auf den Weg nach den Tuilerien; aber schon auf dem Hofe der Reitbahn ward diese im Volksgedränge zerstreut und schon begann der Kanonendonner.

Ob die Einnahme des Schlosses auch nach dem Fortges hen des Königs im Plane der Insurgenten war, ist nicht auszumitteln: der Fall war schwerlich vorausgesehen worden; gewiß aber hatte es im Sinne der zur Gewalt gerüsteten Menge gelegen, den König nicht blos vom Throne herabzuschrecken, sondern, wie am 20. Jun., in den Palast einzuziehen; dieses Gelüst dauerte fort. War, nun auch die Entfernung des Kös nigs einem großen Theile des Volks, namentlich dem an der Carrousselseite befindlichen, welcher den Angriff machte, nicht unbekannt geblieben, so lag es bei jener Sinnesart nicht fern, deffenungeachtet den Palast, ein äußeres Attribut des Königthums, einzunehmen und in dessen Befiße des ganzen und vollen Sieges sich bewußt zu werden. Die Schweizer dagegen waren dem Wesen ihres Dienstes nach nicht sowol auf unmittelbare Beschüßung der Person des Königs, als auf Vers theidigung des Palastes angewiesen und hatten, so lange fie nicht abgelöst waren, als Soldaten ihre Schuldigkeit zu thun. In dichten Massen drångte das Volk vom Carrousselplake gegen die Höfe vor, zugleich kamen von der Gärtenseite her Volkshaufen zum Vorschein. Zu gering an Zahl, um auch die Vorhöfe zu vertheidigen, zogen die Schweizer sich gegen das Hauptgebäude des Schlosses zurück. Einzelne aus dem Volke, namentlich Westermann, nåherten sich den Schweizern mit Zeichen friedlicher Gesinnung; wiederum warfen mehre Schweizer ihre Patronen weg; aber gleich darauf fielen Schüsse, man weiß nicht, von welcher Seite zuerst, und kann nur als wahrscheinlich annehmen, daß nicht die Schweizer zuerst schof=

164) Hue b. Clery 265.

fen; darauf folgte allerdings von Seiten der Schweizer môrderisches Gewehrfeuer. Das Volk wich zurück, der Plah wurde frei, die Schweizer bemächtigten. sich einiger Kanonen; auch nach der Gartenseite hin gewannen sie Raum 165). Aber bald wieder gesammelt drang das Volk aufs neue heran, zugleich verließ ein Theil der Schweizer, denen der Befehl des Königs bekannt wurde, seine Posten und zog nach der N.-V. zu; die übrigen wurden bald überwältigt. Um 10 Uhr drang das Volk ein in den Palast; Schweizer und Hofdiener wurden ohne Gnade niedergemacht; die Mordlust war entfesselt und einzelne Unmenschen übten empörende Barbarei 166). Das Zimmergeråth wurde zerschlagen, ein Seitengebäude des Palastes gerieth in Brand; doch Entwendung wurde auf der Stelle mit dem Strange bestraft. Das Würgen beschränkte sich nicht auf den Palast; mehre Abtheilungen Schweizer, die das Freie zu ges winnen suchten, wurden großentheils in den Straßen umgebracht; bis zu dem Eingange zur N.-V. wurden die dahin ziehenden verfolgt 167) und mehre ermordet; Lacroix und zwei andere Deputirte fielen vor den rasenden Mördern auf die Kniee, um Schweizern das Leben zu retten 168); ein unglücklicher Krämer zeigte sich in einem rothen Sonntagsrocke; es wurde geschrien, er sei ein Schweizer und er wurde ermordet. Kaum konnte der mordgierige Pöbel abgehalten werden, in den Sihungssaal der N.-V. einzudringen. Die N.-V. erhob sich nicht in Masse; die Stimme Theodor Lameth's, der hohe Entrůstung über die Gråuel aussprach, verhallte 169); die Deputationen der N.-V. vermochten nichts bei der Masse, die auf ihre Souveränetåt trohte.

Noch dauerten die Unthaten der Mord- und Zerstörungswuth fort, als vor der N.-V. eine Deputation der neuen Stadtbehörde erschien; sie hatte drei Banner, mit den Aufschriften, Vaterland,

165) Pfyffer a. a. D.

166) Einzelnes f. b. Deux amis 8, 186. Montgaillard 4, Unglaubliches bei M. de la Varenne 142.

167) Buchez et R. 16, 435.

168) Daf. 20, 311.

169) Montgaill. 4, 153.

150.

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Freiheit, Gleichheit; ihre Sprache war gebieterisch, ihr Begehren Absetzung des Königs; eine Bürgerdeputation erklärte, der Schloßbrand werde nicht eher gelöscht werden, als bis jene ausgesprochen worden sei 170). Jezt nahm Vergniaud im Namen der am 26. Jul. eingeseßten außerordentlichen Commission das Wort. Er brachte provisorische Suspension der königl. Gewalt, Bestellung eines Erziehers für den königl. Prinzen und Berufung eines Nationalconvents zum Beschlusse über die künftige Verfassung in Vorschlag. Es hat den Anschein, als sei der Vorschlag zu diesem Decrete schon vorher bereit gehalten geworden; in gewisser Art ist dies ses wahr: Vergniaud sprach aus, was längst im Plane der Gironde gewesen war, Entsehung des Königs, aber Beibehaltung des Königthums, um während der Minderjährigkeit des königl. Prinzen die Regierung zu führen; doch folgt daraus nicht, daß der zehnte August ein Werk der Gironde gewesen sei, um mit jenem Vorschlage hervortreten zu können. Daß ein Girondist auftrat, die thatsächlich vorhandene Verfassungslosig= keit unter eine Form zu fassen, entspricht nicht blos dem sicher anzunehmenden Vorgange von Berathungen der Gironde und der außerordentlichen Commission über das, was in einem solchen Falle zu thun sein werde, sondern auch ihrer Eifrigkeit, die Initiative zu nehmen: daß jedoch thatsächlich ihr Ziel schon überschritten und mit dem Könige auch dessen Sohn gestürzt sei, konnten sie' schwerlich verkennen; daß der Antrag zu einem Nationalconvente gemacht wurde, erklärt sich genugsam aus den früheren Verhandlungen über Berufung eines solchen, aus Petion's Begehren vom 3. Aug.; es ward durch die Umstände gebieterisch darauf hingewiesen: dennoch zeigt sich auch hier, daß es im Geschicke der Gironde lag, die Vorzeichnung zu dem zu geben, was ihr selbst zum Verderben gereichen sollte. Vergniaud's Antrag ward angenommen; einstweilen aber sollten die Decrete der N.-V., gleichwie nach des Königs Flucht, auch ohne königl. Sanction rechtskräftig sein. Durch Guadet und Jean de Bry wurden die Grundartikel zu dem Wahlgesete

170) Dieses und das Folgende aus dem Moniteur No. 225, S. 943 fg. Buchez et R. 17, 11 fg.

für den Nationalconvent vorgeschlagen. Das Wahlrecht sollte jeder Franzose haben, der das 21. Jahr zurückgelegt habe, von seinem Einkommen oder seiner Arbeit lebe und nicht zu dem Stande der Domestiken gehöre; der Unterschied zwischen activen und nicht activen Bürgern solle aufgehoben, für Deputirte zum Nationalconvent ein Alter von 25 Jahren erforderlich sein17). Auf Entsetzung der bisherigen Minister trug Brissot an; statt ihrer wurden ernannt: für das Innere Roland, für den Krieg Servan, für die Finanzen Clavière, für die auswärtigen Angelegenheiten Lebrun, für die Marine Monge und für die Justiz Danton. In den Rath des Lehtern traten Collot d'Herbois, Barère und Robespierre. Die N.-B. erklärte ihre Permanenz und jeden Franzosen, der seinen Posten verlassen würde, für Verråther; zur Sicherung von Paris sollte ein Lager nahe bei der Stadt errichtet und Schanzen am Montmartre aufgeworfen werden, zum Heere aber sich 12 Commissare aus der Mitte der N.-V. begeben, bevollmächtigt, unzuverlässige und tüchtige Generale zu entsehen. Condorcet verfaßte eine Adresse an das französische Volk. Thuriot bewirkte den Beschluß, neue Friedensrichter anzustellen und Haussuchungen (visites domiciliaires) nach verdächtigen Waffenvorråthen zu veranstalten. Auch zur Unterdrückung von Journalen, die den Incivismus und die Gegenrevolution predigten, wurden Maßregeln beschlossen 172).

Der pariser Pöbel sah das Königthum als schon vernichtet an; er war darüber aus, Zeichen und Darstellungen defselben zu zerstören, gleichwie er schon nach der Flucht des Köz nigs begonnen hatte; diesmal richtete sich der Sturm gegen die Bildsäulen der Könige; wo dergleichen sich fanden, machte der Pöbel sich ans Werk, fie niederzureißen; Theroigne de Mericourt zeigte sich zu Pferde und ermunterte durch ihren

171) Das Decret 1. Moniteur No. 226, G. 945. Duvergier 4, 846. Vgl. das Gefeß vom 21. Aug. das. 4, 406.

172) S. Art. 8 des Polizeigesehes v. 10. auf den 24. Aug. b. Duvergier 4, 341. Den ersten Vorschlag dazu hatte Lamarque am 9. Aug. gemacht. Moniteur No. 224. S. 939. Das Decret über die Haussu chungen f. Duvergier 4, 843.

Zuruf 173). Damit nicht durch Ungeschick Schaden angerichtet würde, sandte die N.-V. Ingenieurs und Architekten zur Leitung des Bildersturms 174).

Viertes Capitel.

Herrschaft des Gemeinderaths; Vorbereitung der Repu= 'blik und des Terrorismus.

Vom 10. Aug. bis zum 21. Sept. 1792.

Die Gironde hatte an dem Tage, wo der Thron gestürzt wurde, gesucht, der ihren Absichten vorausgeeilten Gewaltbewegung nachzukommen; davon gaben Vergniaud's Anträge den Beweis: nicht anders war es, als Condorcet am 13. Aug. eine Adresse an die Franzosen über die Ursachen, welche die Begebenheiten des 10. Aug. herbeigeführt håtten, vorlas1); sie gibt ein beklagenswerthes Document von einer zu gleißnerischer Beschönigung des Frevels und selbst zu evidenter Lügenhaftigkeit sich hingebenden Connivenz, zugleich von dem Bestreben, bei dem regellosen Sturmschritte der Anarchisten im Gleise zu bleiben und das Heft der Regierung an sich zu bringen, nicht minder aber von einer bitteren Feindseligkeit gegen den König, wodurch dessen blutdürftigen Unklågern im Nationalconvent der Weg bereitet und des Königs Schicksal schon im voraus bedingt wurde. Nicht grade weniger Anklagestoff hatte Brissot's Rede vom 9. Jul. enthalten: aber damals hatte der

173) Dumas, Souven. 2, 463.
174) Monit. No. 226, S. 448.

Révolut. de Par. 13, 240.

Buchez et R. 17, 32.

1) Sie ist abgedruckt im Moniteur No. 9, G. 960 fg. Bei Buchez

et R. findet sie sich nicht.

Wachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter. I. 32

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