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Rath im Schlosse gehalten worden, woran Lally- Tolendal, Malouet und Bertrand de Moleville Antheil nahmen "); doch glaubte man noch nicht an eine Insurrection, oder man ers wartete doch nicht, daß sie das Äußerste herbeiführen werde; man vertraute, ihr Stand halten zu können. Es war ein Regiment Schweizer in Paris angelangt; auch nach Entfernung von 300 Mann, die nach der Normandie gesandt wurden, hatte man 800-900 zuverlässige Soldaten zur Schloßwache, freiz lich ohne Geschüß, übrig behalten. Über die Nationalgarden zur Wache für den König und zur Aufstellung einer imposanten Macht auf den Posten, welche,,verschiedene Arten von Gefahren insbesondere bedrohen könnten, hatte die Municipalitåt am 6. Aug. beschlossen, daß eine Anzahl entschlossener Männer von jedem Bataillon gestellt und zwei Reserven, eine auf dem Carrouffelplage, eine auf dem Plaze Ludwig's XV., postirt werden sollten 145). Von den sechszehn Detachements, die am 9. Aug. an die Reihe kamen, war eins, vom Bataillon Filles S. Thomas, dem Könige unwandelbar treu und zur Vertheidigung desselben mit Blut und Leben entschlossen; von den übrigen ordentlich bewaffneten besorgte der Hof wenigstens keinen Angriff. Berittener Gendarmen waren 912 da, endlich 12 Stück Geschüß 146). Im Palaste herrschte die Meinung, man werde es nur mit den Pikenmånnern und dem Pöbel zu thun haben und mit diesem wohl fertig zu werden. Der Commandant der Nationalgarde, Mandat, traf ́am Abende des 9. Aug. besonnen und umsichtig seine Anstalten und hoffte auf einen guten Ausgang. Auch gegen dritthalbhundert Edelleute, zum Theil von der vormaligen adeligen Leibwache, nebst Hofdienern, waren im Schlosse zur Vertheidigung des Königs ver. sammelt: auf sie rechnete Mandat nicht, mindestens wünschte

de Par. 13, 275. Wer aber mag diese Organe der Revolution(für Zew gen der Wahrheit anerkennen?

144) Buchez et R. 17, 250 aus den Palastpapieren.

145) Von den Schweizern s. Pfoffer bei Weber, Mém. 2, 843. 355. Den Beschluß der Municipalitåt, Moniteur No. 221, v. 8. Aug., €. 927.

146) Buchez et R. 16, 433.

er sie in Nationalgardenuniform und regelmäßig bewaffnet zu sehen. Auf seine Bitte, fie fortzusenden, antwortete die Königin mit Empfindlichkeit, daß man auf sie rechne 147). Petion und Roederer wurden noch spåt Abends nach den Tuilerien berufen; es scheint, man wollte sich ihrer Personen versichern.

Um Mitternacht gaben Sturmglocken, Generalmarsch und Lärmkanonen das Zeichen zum Aufbruche der Insurgenten; die Vorstädter setzten sich in Bewegung, zugleich rückten die Nas tionalgarden, welche bestimmt waren, das Schloß zu decken, auf ihre Posten. Eine Schar der Verschworenen erschien auf dem Stadthause, wo die Municipalität versammelt war, die Sectionsmånner aber bei der Wache kein Hinderniß fanden, und constituirte sich, kraft der von den Sectionen ertheilten Vollmacht, als insurrectioneller Gemeinderath 148). ` Danton, Manuel, Sergent, Royer Collard u. s. w. gingen in diesen über; unter den neu eintretenden waren Huguenin, Lhullier, Vincent, Robert, Simon, Fabre d'Eglantine, Chaus mette, Hebert, Bourdon, Chambon, Real, Pepin, BillaudVarennes 149); erst am 11. Aug. trat Robespierre dazu 150).

147) Mignet, Hist. de la révolut. fr., chap. V. Nach Roederer b. Buchez et R. 16, 455, eine Antwort des Lachesnaye. Von der Dons quixoterie, die bei dieser Noblesse zum Vorschein fam, f. Md. Campan 2, 245. Montgaillard 4, 144.

148) Das Protokoll der Nachtsigung des am Morgen des 10. Aug. abgesezten Magistrats ist verlorenz nach einer Vermuthung b. Buchez et R. 16, 409 mag die Minúte davon sich noch in den Händen RoyerCollard's, der bis zu der Katastrophe Greffier war, befinden. Einvers ständniß mindestens eines großen Theils der bisherigen Municipalitåt mit den Insurgenten ist höchst wahrscheinlich. — Es mag erlaubt sein, von nun an den städtischen Magistrat, den wir bisher Municipalitåt ges nannt haben, Gemeinderath zu nennen, ohne die Verschiedenheit zwischen diesem und der eigentlichen Municipalität (f. oben S. 209) im merfort anzugeben. Jenes ist der Name, unter welchem der neue Mas giftrat eine furchtbare Bedeutsamkeit in der nun folgenden Revolutionszeit erhalten hat.

149) Das Verzeichniß dieser Sectionscommissare f. Buchez et R. 16, 409.

150) Am 11. Aug. von der Section der Piken erwählt. Buchez et R. 16, 420.

Am Abende des 10. Aug. war er unter den Wenigen, die sich Zeit nahmen, den Jacobinerclub zu besuchen 151). Petion be fand sich noch in den Tuilerien und die Grenadiere vom Ba taillon Filles S. Thomas hielten ihn umstellt, gleich einen Gefangenen. Dies ward der N.-V. gemeldet, zu der sich schon um 2 Uhr Deputirte eingefunden hatten; sie sandte nach den Tuilerien und befahl Petion, vor ihr zu erscheinen 152). Da durch wurde er frei, aber bald darauf von den Verschworenen, nach Chabot's Rathe 153), auf seine Wohnung angewiesen und mit einer Wache versehen, die ihn beschüßen und zugleich unthätig machen sollte. Mit seiner Mairie war er von nun an im Gefolge des Gewaltfrevels. An Mandat wurde vom Stadthause aus gegen 4 Uhr Befehl gesandt, daselbst zu erscheinen; er kam, bestand ein Verhör vor dem neuen Gemeinderathe, wurde zum Arrest abgeführt und unterwegs meuchlings ermordet. Santerre wurde von dem neuen Gemeinderathe zum provisorischen Chef der Nationalgarde ernannt. Mit Mandat war die Einheit und Entschlossenheit bei den Vertheidigern der Tuilerien dahin; die ihm schriftlich ertheilte Vollmacht, Gewalt mit Gewalt abzuwehren, ward nun vermißt. Sein Nachfolger im Commando, Lachesnaye, konnte ihn nicht ersehen; der König selbst hatte nicht den Muth eines Helden, nur die Resignation eines Leidenden. Die Minister de Joly und, Champion begaben sich nach der N.-V., ́diese zu thätigerm Einschreiten aufzufordern. Sie hatte, als ob Alles in Ruhe sei, und ungeachtet mehrer Meldungen von Seiten der ihrer Umwandlung entgegensehenden Stadtbehörde, über Abschaffung des Negersklavenhandels berathen. Das Begehren der Minister wurde abgewiesen. Darauf wurde verhandelt, ob nicht eine Deputation von Volksrepråsentanten nach den Tuilerien zu senden sei:

151) Buchez et R. 17, 30.

152) Petion's Erzählung der Sache s. Pièces zu f. Mair. 251, und seine Erklärung im Nationalconvente (11. Dec.) f. Buchez et R. 21, 283. Dazu Moniteur No. 225.

153) Chabot's Bericht bei den Jacobinern v. 7. Nov. b. Buchez et R. 20, 301.

aber auch dies unterblieb 154). Gegen 5 Uhr waren die Infurgenten, gegen 15,000 Menschen aus der Vorstadt S. Antoine, 5000 aus S. Marceau, die Brester, Marseiller u. s. w., in der Umgegend des Schlosses angelangt 155); durch einen Municipalbeamten (Manuel) wurde veranstaltet, daß die auf dem Pontneuf aufgestellten Kanonen abgeführt wurden; das daselbst befindliche Bataillon löste sich bei dem Anzuge der Insurgenten auf, und die Vereinigung der Vorstädter erfolgte 156). Jett kam der König aus den Tuilerien hervor, die zu seinem Schuße versammelten Scharen zu mustern 157).,,Es lebe die Nation" und Schmähungen schallten ihm entgegen von den Kanonieren, von einem eben ankommenden Pikenbataillon, von den meuterischen Gendarmen 158). Ohne Vertrauen, blaß und niedergeschlagen, kehrte er zurück. Die Königin kämpfte mit Zorn und Schmerz. Roederer verkündigte der versammelten Mannschaft, daß sie ermächtigt sei, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben 159); aber die Scharen, welche die äußern Zugänge beseßt halten sollten, gingen auseinander oder zum Volke über; die Kanoniere entluden ihre Kanonen oder drehten sie gegen das Schloß 160), die Gendarmen zeigten sich bald so meuterisch, daß ihre Officiere sie nach dem Palais-royal abführten. Das Schloß war von allen Seiten umringt und die Zahl seiner Vertheidiger verringerte sich in jedem Augenblicke durch Abfall. Gegen acht Uhr kamen Beamte des neuen Gemeinderaths nach den Tuilerien und meldeten das Andringen des Volkes und daß es die Absehung des Königs begehre. Auf die Frage der Königin:

154) Moniteur No. 225.

155) über die Örtlichkeit s. oben Cap. 2, Not. 105.

156) Roederer im Moniteur No. 225 und h. Buchez et R. 16, 452. 17, 11.

157) Die Königin war nicht mit ihm. Roederer 6. Buchez et R. 16, 406 und die Aussage der Königin in ihrem Verhör (gegen Md. Campan 2, 444 u. X,).

158) Pfyffer b. Weber 2, 359.

159) Ders. das.

160) Die Gesinnung spricht sich in dem Berichte des Capitains Langlade (f. Not. 133) aus.

,,Aber was nach der Absehung?" ward von jenen mit einer stummen Verbeugung geantwortet 161). Jest stellte Roederer dem Könige vor, daß auf die Nationalgarden nicht zu rechnen sei und daß der König wohl thun werde, die Tuilerien zu vers lassen und sich in die N.-V. zu begeben. Die, Königin gerieth in lebhaften Unwillen darüber; gegen einige Vertraute äußerte sie, lieber wolle sie sich an die Wand des Schlosses nageln lassen; dem Könige reichte sie ein Pistol mit der Aufforderung, sich als König zu zeigen 162). Er schwieg, Roederer aber machte der Königin bemerklich, daß sie für das Leben des Königs und der übrigen Personen im Schloß verantwortlich werde: dies bestimmte des Königs Entschluß; er brach auf, die Königin mit den Kindern und der Prinzessin Elisabeth folg= ten. Zur Bedeckung der königl. Familie zogen 200 Schweizer und 300 Mann Nationalgarden, mit; unter dem Geschrei des Pöbels: „Tod! Tod! Wir wollen keine Tyrannen ́mehr!" ge= langte der Zug nach der N.-V. 163). Der König sprach: „Sch bin hierher gekommen, um ein großes Verbrechen zu vermeiden (éviter), und ich denke, daß ich nirgends sicherer sein kann, als in Ihrer Mitte", und setzte sich nach einer kurzen Gegenrede des Präsidenten, Vergniaud, zu dessen Seite. Chabot bemerkte, in Gegenwart der vollziehenden Macht dürfe die N.-V. nicht berathen; darauf begab sich der König mit seiner Familie in die Loge der Logotachygraphen, einen Raum 12 Fuß lang und 6 Fuß breit; hier war er an jenem und am folgenden Tage Augen- und Ohrenzeuge der Zertrümmerung des Königthums. Die Entfernung des Königs aus dem Schlosse war das Signal für die Mehrzahl der wachhabenden Nationalgarden, ihren Posten zu verlassen, hatte aber weder Zerstreuung der dagegen andringenden Massen noch der wachhabenden Schweizer zur Folge; von der N.-V. erging an den König die Vorstellung, er möge den Schweizern Befehl senden, sich des Ge

161) Deux amis 8, 154.

162) Ebendas. Gegen Roederer, der keine Äußerung des Heroismus dieser Art gehört haben will, s. einen Brief aus den Schloßpapieren b. Buchez et R. 21, 494.

163) Roederer b. Buchez et R. 16, 464. Weber 2, 228.

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