Page images
PDF
EPUB

kannt, was die Gironde damals insgeheim betrieb; es hat zu ihrer Berunglimpfung und ihrem Sturze beigetragen. Vergniaud, Guadet und Gensonné nåmlich hatten eine Schrift an den König über die Mittel, den Thron zu erhalten, aufgeseht; fie war, durch Vermittelung seines Malers Boze und seines Kammerdieners Thierry an ihn gelangt 2). Die Unentschlofsenheit des Königs hemmte den Fortgang der Verhandlung und bald wurden auch die Girondisten von einer ungestümern Partei, deren Furchtbarkeit sie nicht genugsam erkannten, fortgeriffen. Nach ihrem Sinne wåre es gewesen, wenn Luowig dem Throne zu Gunsten seines Sohnes entsagt håtte; sie hätz ten dann sich der Regierung während der Minderjährigkeit des Prinzen zu bemächtigen gesucht; Condorcet sollte Erzieher desselben werden 93). Dies entspricht recht wohl ihrem früheren Streben nach dem Ministerium. Was ihnen später vorgewor= fen wurde, sie hätten den Herzog von Braunschweig oder von York auf den Thron sehen wollen, ist wol nie ernstlicher Gedanke bei ihnen gewesen 94). Völlig gebrochen hatten sie nicht mit dem Könige, als am 26. Jul. in der N.-V. der Beschluß gefaßt wurde, eine außerordentliche Commission folle untersuchen, in welchen Fällen Entseßung des Königs eintreten könne und ob der König schuldig sei; ferner das Volk sollte vor uns conftitutionellen und unpolitischen Vorspiegelungen gewarnt werden. Von ihrer Seite war es Bethörtheit, daß sie sich einbildeten, auf parlementarischem Wege zum Ziele zu kommen 9");

92) S. die Verhandlungen des 3. Jan. 1793 6. Buchez et R. 22, 396 fg. und Vergniaud's Erklärung daselbst. Das Schreiben der Girondisten s. in Mém, de Dumour. 2, 426. Vgl. Bertr. de Molev. 8, 349. 93) Unter vielen Undern s. Vaublanc, Mém. 2, 134.

94) Den Herzog von York, oder doch einen englischen Prinzen, em pfahl zuerst Carra, dann (3. Mai bei den Jacobinern) der Abbé Danjou. Buchez et R. 14, 366. Dem Herzoge von Braunschweig soll Delessart auf Betrieb Narbonne's die Heerführung angetragen haben (Mém. d'un homme d'état 1, 186): von Absichten der Gironde auf ihn, wie die Révolut. de Par. 13, 143 andeuten, läßt sich nichts darthun.

95) Grangeneuve scheint diesen gesammten Bestrebungen seiner Freunde fremd geblieben zu sein; im Jul. nahm er mit Chabot die Verabredung, daß einer von ihnen, den das Loos tråfe, fich ermorden lassen, der Über

noch trüglicher `aber die Entwürfe, mit denen der Hof umging"); wählte er Stüßen aus den Männern der Revolution, so konnte Zeit gewonnen und die Kraft der Revolution durch Theilung ihrer Hauptorgane geschwächt werden; daß er der Hülfe des Auslandes vertraute 97), beschleunigte den Umsturz des Throns. Mallet du Pan, ein Genfer, der als Redacteur des politischen Theils des französischen Merkur durch den entschiedensten Royalismus sich dem Hofe empfohlen hatte, war zu den Verbündeten gesandt, um mit diesen ein Manifest zu besprechen 98); Zahlungen nach Coblenz wurden noch am 6. Aug. bewerkstelligt 99). Daß es nun so weit mit dem Hofe gekommen war, wer anders als die Emigranten trägt davon die Hauptschuld? Durch sie war der König in eine Stellung gekommen, wo er Blößen gab und Anschuldigungen nicht fehltrafen. Wenn er aber der Falschheit beschuldigt wurde, weil er sich seinen revolutionären Widersachern nicht hingeben wollte, so hatten diese billig zuerst sich selbst zu fragen, ob denn sie es treu mit der Constitution meinten? Der geistige Hinterhalt war nach ihrer Seite hin eben so verdächtig als bei dem Könige.

Inzwischen hatten bedenkliche Vorspiele der Insurrection, wobei die Gironde nicht betheiligt war, begonnen. Am 25. Jul. waren brester Föderirte angekommen; der Ruf patriotischer Kühnheit und Freiheitsliebe war ihnen vorausgegangen. Um folgenden Tage, demselben, wo Guadet eine Adresse an den König vorschlug, feierte das Volk mit den Brestern ein

lebende dann die Schuld auf den Hof schieben sollte. Grangeneuve machte sein Testament und stellte sich zu Ort und Stunde ein; Chabot aber blich aus Md. Roland 2, 157.

96) Vgl. oben Not. 22 fg. Um diese Zeit wurden Gelder an Danton gezahlt; wie er es lohnte, wird sich unten zeigen.

97) Von den Hoffnungen der Königin s. Md. Campan 2, 230. Der König theilte sie nicht; einer Prinzessin, die um jene Zeit sich beurlaubte, soll er gesagt haben: Vous ne me trouverez plus à votre retour; dazu stimmt, was Md. Campan 2, 217 von seiner Erwartung des Todes be= richtet.

98) Mém. d'un homme d'état 1, 386. Bertr. de Molev. 8, 89. 320. Vgl. oben Cap. 2, Not. 12 und im folg. Not. 120.

99) Moniteur No. 234 (vgl. 230), aus den Papieren der Civilliste.

Fest auf dem Bastillenplage, das schon mancherlei Befürchtungen veranlaßte und vielleicht nur durch einen glücklichen Zufall verhindert wurde, in einen Aufstand überzugehen 100). Wie eine Carricatur auf Gefeßlichkeit stellte sich dar, was Tags darauf geschah. Nachdem auf Befehl des Hofes am 21. Jul. der Garten der Tuilerien gesperrt worden war, hatte die N.-V. die Terrasse der Feuillans, als zum Bereiche ihrer Localitat gehörig, in Anspruch genommen; als nun aber von den wachhabenden Nationalgarden eine Meldung einging, daß seit der Passage des Volkes über jene Terrasse Insulten gegen sie verübt würden und zugleich D'Epremenil im Garten angegriffen und nur mit Mühe der Wuth des Pöbels entrissen wor den war 101), befestigte das Volk ein dreifarbiges Band långs der Terrasse und sorgfältig wurde es vermieden, das jenseits gelegene Gartenterrain, als pays de Coblence be zeichnet, zu betreten 102). In der Charakteristik der Nationalitåt kann es als Seitenstück zu dem Friedenskusse des 7. Jul. dienen. Während dieser Ostentation von Loyalität ward an der Insurrection gearbeitet und außer dem Jacobinerclub und dem Club der Cordeliers bildeten sich die Sectionsversammlun= gen seit der Erklärung ihrer Permanenz zu revolutionåren Comités. In dem Begehren der Abseßung des Königs stimmten schon am 28. Jul. deren 47 überein 103). Auch aus den Departements gingen Berichte von demokratischen Bewegungen ein; Marseille's Gemeinderath erklärte, 6000 Föderirte bewaffnen zu wollen, nahm aber zu diesem Zwecke alle öffentlichen Kassen in Beschlag; die gesammte Stellung der Marseiller war eine zu Trok und Umsturz auffordernde; am 23. Jul. wurden Gefangene ermordet 104). Dies verpflanzte sich auch in die Nachbarorte; in Urles wurde am 25. Jul. gemordet. Auch Toulon und Bordeaux wurden durch die dortigen Jacobiner aus dem

100) Buchez et R. 16, 188. 194. Pièces úb. d. Mair. de Pét. 236. Révolut. de Par. 13, 154.

101) Révolut. de Par. 13, 155.

102) Das. 212.

103) Buchez et R. 16, 246.

104) Daf. 16, 238.

Gleise gebracht und kündigten dem Throne und der Constitution den Gehorsam auf 105).

Sogenannte,,Marseiller" gaben in Paris den Anstoß zu einem neuen Fortschritte der Umtriebe und Reibungen. Hatte fich mit den Föderirten überhaupt der Gedanke der Insurrection herangebildet, so waren es die,,Brester“ und „Marseiller", welche den Eintritt der Gewaltthat förderten. Seit dem 5. Jul. waren die Lehtern auf Barbarour's Veranstaltung aufgebrochen; nicht marseiller Bürger, nicht eigentlich Föderirte, sondern zu diesen in einem Verhältniß, wie die Pikenbataillone zu den pariser Nationalgarden. Es waren gegen 600 Mann, Lafttråger, Hafenarbeiter, Matrosen u. s. w, starke, verwegene Menschen, zu jeder Frevelthat bereit. Ihr Waffengesang war bie Hymne, welche Rouget de Lisle, Geniecapitain zu Huningen, gedichtet und Allemand für die Armee Biron's componirt hatte, welche aber von jenen hauptsächlich nach ihrer Ankunft in Paris, und zwar in den Theatern, gefungen und nach ihnen Marseillaise benannt wurde 106). Um 29. Jul. langten sie an zu Charenton. Danton, Barbarour, Santerre u. f. w. empfingen sie daselbst. Es wurde ein Plan gemacht, am folgenden Tage eine Insurrection zu veranstalten und den Thron umzustürzen 107). Dies kam nicht zur Ausführung. Dagegen übten die Marseiller im Einzelnen Gewaltthätigkeiten; in den elysäischen Feldern geriethen fie in Streit mit den Grenadieren des Bataillons Filles S. Thomas, die ihre Ergebenheit gegen den König bei einem Banket zur Schau legten; einer der Grenadiere wurde erstochen, mehre verwundet und die gesammte Festgesellschaft zerstreut 108). Die Klage der Nationalgarden vor der N.-V. war vergeblich; das Zischen der

105) Buchez et R. 16, 258. 341. 17, 153.

106) Die patriotischen Gesänge im Theater wurden im Auguft ges bräuchlich. Außer der Marseillaise wurden auch Hymnen von M. I. Chés nier, componirt von Goffec, gern gesungen.

107) Mém. de Barbar. 49 und Barbarour's Rede v. 30. Oct. im Convent. Buchez et R. 19, 451. Deux amis 8, 69 fg.

108) Révolut. de Par. 13, 194, Buchez et R. 16, 197. Pièces zu Petion's Mairie 242.

Zuschauer auf den Tribünen ward eben so vergeblich von Rouyer gerügt. Um des Königs Proclamation über den Vorfall kümmerte sich Niemand; es war die lehte von ihm ausgehende Råge 109), und an dem Tage, wo sie erlassen wurde, kündigte fich die Entschlossenheit, den König zu entthronen, in einem Ausschreiben der Section Mauconseil aufs entschiedenste an 11o). Zugleich beschloß die Section des Theatre français auf Betrieb Danton's, Chaumette's und Momoro's, auch die „pas= fiven Bürger" als Genossen zu Rath und That anzuerkennen"). So wurde hier das Princip der Gleichheit auf den Pöbel angewandt. Selbst der pariser Gemeinderath arbeitete darauf hin. Er brachte am 31. Jul. mit der Entlassung des Generalstabs der Nationalgarde auch Wegfall der Rangordnung unter den Bataillonen in Vorschlag; keins sollte einen Vorzug vor den übrigen haben 112).

Wir sind zu dem Zeitpunkte gelangt, wo die Gironde aufhört, an der Spiße der Bewegung zu stehen; es ist von Wichtigkeit, ihre damalige Parteistellung "scharf ins Auge zu fassen und uns dabei in den Jacobinerclub zu versehen. Die äußere Ausgleichung des Haders zwischen Brissot und Robespierre, welche am 28. Jun. stattfand, war ohne innere Sühne gewesen; doch vergingen mehrere Wochen, ehe es zu abermaligen Reibungen kam. Indeffen wurde die Stimme der Girondisten seltener bei den Jacobinern gehört: Robespierre dagegen war rastlos thätig, bei ihnen die Insurrection vorzus bereiten. Um 10. Jul. sprach er über die Gefahr des Vaters landes, am 13. nochmals; von ihm ging die Adresse an die Föderirten zum 14. Jul., von ihm die Petition derselben vom 17. Jul. aus; was er an Geltung bei den Jacobinern und

109) Deux amis 8, 101.

110) S. die Proclamation b. Buchez et R. 16, 247. In dieser Section dominirte Chullier.

111) appellent à eux tous les hommes français qui ont un domicile quelconque dans l'étendu de la section, leur promettent de partager avec eux l'exercice de la portion de souveraineté qui appartient à la section etc. Buchez et R. 16, 250.

112) Daf. 16, 258.

« PreviousContinue »