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lins o1); eine Neuerung, die viel zu bedenken, aber auch zu hoffen gab, da sie als Probe für dergleichen Versammlungen in allen Landschaften des Reichs gelten konnte. Das Finanzschiff endlich schien vollkommen flott zu sein; während Necker's ge= sammter Verwaltung (2. Jul. 1777 - 20. Mai 1781) fand keine Erhöhung von Abgaben Statt, es wurde ein kostspieliger Krieg geführt, und doch wußte Necker durch seinen Credit vermittels Anleihen Rath zu schaffen. Wie er die Dinge im heitersten Lichte zu sehen gewohnt war 62), so war der Hof, der. nach dem Sturze Turgot's frohlockt hatte, nunmehr hochbefriedigt; die Herstellung des Wohlstandes der Monarchie wurde kaum noch in Zweifel gezogen; war auch Necker's Person nicht geliebt, so ließ man sich doch gern gefallen, daß er die unangenehmen Sorgen über den Staatsbedarf bei Seite schaffte und das öffentliche Vertrauen herstellte; man konnte ja dabei nun ungestört dem Genusse nachgehen. Zugleich aber ward die Stimmung der Nation heiterer, als auch die französischen Waffen wieder zu Ehren kamen, und dies in einer Sache, wo es schon eine Ehre zu sein schien, für das Princip derselben zu fechten, und wo mit der Waffenehre und dem Nationalantagonismus gegen England zugleich der Geist der Philosophen und einer von ihrer Doctrin ergriffenen Jugend aus der vornehmen Welt und zugleich dem aufstrebenden Mittelstande einen mächtigen Anstoß bekam.

Auch hier handelte Ludwig wider seine Überzeugung. Er hatte, wie Kaiser Joseph, eine vollkommen monarchische Ansicht von dem Aufstande der Amerikaner; eine Verbindung mit ihnen war ihm zuwider 63): dennoch erhielten diese schon im Mai 1776 insgeheim, durch Vermittlung von Beaumarchais, Unterstügung in Gelde *), und am 6. Febr. 1778 wurde ein Bundniß mit ihnen geschlossen. Lafayette war mit zwölf Officieren

61) Isambert 25, 354. 26, 108. 118. 207. 302. Nur die in Berry und Guyenne kamen zur Ausführung. Geschichte der Staatsveränderung 1, 277.

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62) Engl. Bericht b. v. Raumer 5, 272.

63) Das. 5, 242, 247-249.

64) Das. 5, 227. Mémoir. de Georgel 1, 457.

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dem Entschlusse der Regierung vorausgeeilt 65). Die Eifersucht auf England, die Hoffnung, sich für die im siebenjährigen Kriege erlittenen Verluste schadlos zu halten, die kriegerische Stimmung des Adels, die Parteinahme der Damen u. s. w. 66) wirkten zusammen zu Gunsten der Amerikaner; selbst die Etikette des Hofes hatte sich bequemt, die einfache Tracht des Republikaners Franklin passiren zu lassen. Im Frühjahr 1778 fuhr eine französische Flotte gen Westindien; D'Estaing und Bouillé eröffneten dort den Krieg; ein kleines Heer, befehligt von Rochambeau, wurde 1780 den Amerikanern zu Hülfe ges sandt: Spanien einte (17. Jun. 1779) seine Waffen mit den französischen. Zur Herstellung und Befestigung des morschen Staatsgebäudes håtte, scheint es, dienen können, wenn der Insurrection vielmehr im Sinne der Feudalität oder des monarchischen Princips die Spike geboten und der Kampf zu Gunften Englands siegreich beendet worden wäre. Jedoch die Feudalwaffen Frankreichs waren verrostet; mit dem französischen Heere, das den Amerikanern Hülfe bringen sollte, zog zwar die Blüthe des Adels aus, aber Nationalhaß gegen England war bewegender Trieb bei der Kampflust, selbst in Lafayette war dies vorherrschende Stimmung 67), und mächtiger als dies regten sich in den jungen Kriegern die Ideen der neuen Philosophie und das hochherzige Gefühl des Kampfes für ein nach Freiheit strebendes Volk. Ihre Versehung nach Amerika war, wie wenn einer dem Aufbrechen nahen Knospe ein befruchtender Regen zu Theil wird. Einer der Officiere des franzöfischen Heeres, Segur, berichtet, von welcher Vorliebe für die neue Philosophie um jene Zeit der junge Adel erfüllt war 6).

65) unter seinen Begleitern war u. A. Valfort, der nachherige Inspector der Kriegsschule zu Brienne. Ségur, Mém. 1, 125.

66) Darüber s. Md. Campan 1, 232 und den engl. Bericht b. v. Raumer 5, 242. 245–256. Um jene Zeit kam das Wort insurrection im Französischen auf. Labaume 2, 59.

67) Lafayette, Mém. 2, 160.

68) Mém. 2, 60: On ne saurait croire, combien les modernes philosophes faisaient d'accueil aux jeunes nobles qui se montraient disposés à devenir leurs disciples, et à quel point ils trouvaient na

Lafayette hatte das Beispiel selbständiger Theilnahme an dem Freiheitskampfe der Amerikaner gegeben; darin kam ihm keiner seiner Landsleute gleich; wie viele Geistesverwandte er aber hatte oder während des Kampfes sich ihm nachbildeten, davon zeugen die Namen Noailles, Dumas, Custine, Berthier, Lameth, Duportail, Gouvion u. s. w. Allerdings mochte dem an das Leben der vornehmen Welt gewöhnten Adel die Genossenschaft mit den formlosen, kalten und nicht durch Motive ritterlicher Waffenehre begeisterten Amerikanern wenig zusagen; jedoch die Ideen, welche in jenen lebten, wurden durch die Culturvermisse im geselligen Verkehr ebenso wenig als durch die amerikanischen Wälder und Ödschaften verkümmert, vielmehr von den Ahnungen einer Verjüngung der europäischen Menschheit auf der Grundlage und mit vollem Genusse der Sitten⚫verfeinerung genährt. Die französischen Waffen erlangten Genugthuung für die Schmach des siebenjährigen Krieges, insbesondere in Seegefechten. Bald nach dem Ausbruche des Krieges (27. Jul. 1778) bestand die französische Flotte ein rühmliches Gefecht auf der Höhe von Ouessant; in Westindien machten D'Estaing, Bouillé und Grasse, in Ostindien Suffren den Engländern zu schaffen 69); in Nordamerika erlitt zwar D'Estaing 1779 bei dem Versuche auf Rhodeisland Verluste, aber das französische Hülfscorps unter Rochambeau hatte Theil an den ruhmvollen Gefechten, die Lord Cornwallis in Yorktown zur Übergabe nöthigten 7). Die beiden großen Siege der Englånder über die französische Flotte bei Guadeloupe am 12. Apr. und über die schwimmenden Batterien vor Gibraltar am 13.

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turellement le secret d'exalter nos âmes et notre imagination par l'encouragement de leurs éloges.

69) Bouillé eroberte Dominique am 7. Sept. 1778, Vaudreuil im Jan. 1779 Senegal, D'Estaing Vincent und Grenade, Jun. und Jul. 1779, worauf am 6. Jul. ein Seegefecht folgte, in dem die englische Flotte, die der Insel Grenade Beistand bringen sollte, sich zurückzog ; Guichen kämpfte gegen Rodney am 17. Apr., 15. und 19. Mai 1780; Grasse eroberte Tabago am 2. Jun. 1781, Bouillé in demselben Jahre 6. Eustache und im Jan. 1782 S. Christophe. Fünf Gefechte Suffren's an den ostindischen Küsten 1782 und 1783 waren insgesammt ehrenvoll. 70) Mém. de Rochambeau 1, 294.

Sept. 1782 erschienen nicht als bedeutender Abzug von dem Waffenruhme der Franzosen. Im Frieden von Versailles, 20. Jan. 1783, gewann Frankreich Tabago, eine Erweiterung des Gebietes um Pondichery und des Fischfanges bei Terre neuve, endlich freie Hand in Betreff des Hafens von Dünkirchen. Die aus Amerika heimkehrenden Krieger ernteten Triumphe in den freudigen Begrüßungen der Nation; Lafayette war der gefeiertste Mann in Frankreich. Mit ihnen ward die Sache der Amerikaner gepriesen, mit dieser die Freiheit der Völker. Der Geist, der eine Verjüngung des französischen Staatswesens begehrte, machte einen mächtigen Fortschritt.

Während dieses Krieges waren am Hofe und in der Regierung bedeutende Veränderungen vorgegangen; die Königin hatte eine entscheidende Stimme in Staatsangelegenheiten erlangt. Bis zum J. 1777 hatte sie keine Gewalt über den König gehabt; seitdem erst, als das innigste eheliche Verhåltniß sich verwirklicht hatte"), war Ludwig von ihren Reizen befangen und, seit sie Mutter geworden "), ihr Einfluß auf ihn und die Regierung in raschem Wachsthum. Blicken wir zurück auf die Zeit, wo sie nur dem Namen nach Ludwigs Gemahlin war, und dieser ihr keine Einmischung in die Staatsangelegenheiten gestattete! Die Lage der Königin waren mit ergöt lichem Zeitvertreib ausgefüllt; gern verkehrte sie ohne den Zwang der Hofetikette in dem Kreise von Vertrauten; es war ein Herzensbedürfniß für sie, sich dem Verkehr zärtlicher Freundschaft hinzugeben, deren zuerst sich die Prinzessin Lamballe, dann die Gräfin Jules von Polignac erfreute; Petit Trianon war ihr Lieblingsaufenthalt und die dortigen Freuden einfach und nichts weniger als kostspielig 3). Den Låsterzungen gab sie Stoff genug zu verarbeiten durch ihren Leichtsinn, der nicht blos über die Etikette, sondern auch wohl über die Sorge

71) Md. Campan I, 185.

72) Ihre Kinder: die nachherige Herzogin von Angouleme, geb. 19. Dcb. 1778, darauf 22. Oct. 1781 der Dauphin Ludwig Jos. Xav. Franz (1789), 29. März 1785 der Herzog v. d. Normandie, nachher Dauphin; eine zweite Tochter, geb. 1786, starb schon 1787.

73) Petit Trianon war von zwölf Wohnungen für Arme, die die Königin unterhielt, umgeben. Weber I, 66.

um Bewahrung vor bösem Leumund hinwegführte, wenn sie in einem Fiacre zum Opernballe fuhr "), woran Theil zu nehmen der Königin der Anstand nicht erlaubte, wenn sie Abends ohne ceremonisses Gefolge im Parke von Versailles lustwandelte 7), wenn sie auf dem Privattheater in Trianon Soubrettenrollen spielte 76), wenn sie in ihrem Benehmen gegen Herren des Hofes, die sie auszeichnete, durch arglose Naivetåt Blößen gab 77). Schlimm zu deuten war der französische Hof gewohnt; der Argwohn und die Låsterreden regten fich schon im I. 1775 und schändliche Couplets kamen in Umlauf 78). Auch was offen vorlag, wurde verunglimpft: der Geschmack der Königin an ungewöhnlich hohem Kopfput; die Veranstaltung einer Schlittenfahrt, die als östreichisch verleumdet wurde 79). Öffentlicher Gunst entbehrte die Königin vom Anfange der Regierung Ludwigs XVI. an; schon im J. 1774 wurde sie zu Paris nicht mit Freudenbezeigungen begrüßt. Jedoch die Feindseligkeit gegen sie war zunächst auf den Kreis der Hofcabale beschränkt; geschäftig dazu waren die Überreste der antidstreichischen Partei und die Beneider und Widersacher der Familie Polignac, von der die Schwester des Grafen

74) Md. Campan 1, 165.

75) Dieselbe 1, 194-196.

76) Dieselbe 1, 228 f. und Mém. de Fleury, de la comédie française (Par. 1834. 3. 12). Vrgl. Jacob über den polit. Einfluß der K. Mar.-Ant. in Raumer's hist. Taschenb., Jahrg. 9, 169.

77) Eine Apologie der Königin in Betreff der vielen Liebschaften, die sie gehabt haben sollte, ist in den Mém, de Tilly (Par. 1828. 3. 8) 2, 96 f., nach welchen nur der Herzog von Coigny und der Schwede, Graf Fersen, in nahem Verhältnisse zu der Königin standen (affection tendre 119). Der Herzog von Lauzun (Mém. 2, 42 f.) erzählt von der zuvorkommenden Vertraulichkeit der Königin gegen ihn wohl mehr, als geschehen war. Vergl. Md. Campan 1, 170. Unverbürgt ist auch, was b. Tilly 2, 115 erzählt wird: Un jour, après avoir beaucoup dansé: Voyez, Ms. de Dillon, comme mon coeur bat. Le roi entend et s'approche: Non, madame, il vous en croira sur votre parole.

78) Md. Campan 1, 194. 196. 199. Ein sehr giftiges war: Le lever de l'Aurore. Das. 1, 93. Engl. Ber. b. v. Raumer 5, 208. 79) Md. Campan 1, 91, 131. Weber 1, 65.

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