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die Nachrichten schlimm; es waren Gewaltthätigkeiten in Arles und im Depart. Gard begangen worden; gegen die royalistische und priesterliche Partei in Arles waren Marseiller ausgezogen, hatten Arles besetzt und hier arge Exceffe begangen, mit ihnen hatten sich Jourdan und andere avignoneser Unholde verbunden 59); des Ministers Roland Bericht über die inneren Zustånde (23. Apr.) besagte, daß 42 Departements Beschwerde gegen die eidweigernden Priester führten 6o). Die Verhandlungen begannen auf den Grund eines Berichtes von François von Nantes am 5. Mai und wurden in mehren Sißungen (15., 16., 24. und 25. Mai) fortgesetzt. Am 25. Mai kam es zu dem harten Beschlusse, daß Deportation eines eidweigernden Priesters stattfinden solle, sobald zwanzig Einwohner des Orts, wo er sich aufhalte, dafür stimmten 61). Zur Rechtfertigung der N.- V. über das strenge Decret schien gereichen zu können, was am 27. Mai berichtet wurde, nämlich daß im Departement Tarn eine Verschwörung entdeckt sei, welche zum Zwecke gehabt habe, die dortigen Calvinisten als angebliche Orleanisten umzubringen 62). Der König konnte sich nicht ents schließen, seine Zustimmung zu geben; man sah das Zögern als den Vorboten eines Beto an. Die Stimmung darüber warð um so schwüriger, als bei der Fronleichnamsprocession am 7. Jun., der ein Ausschreiben der Mairie 63) vorausgegangen war, daß an dem Tage der bürgerliche Verkehr nicht unterbrochen werden solle, Zuschauer, die dem Zuge mit bedecktem Haupte nahekamen, gemishandelt wurden; unter ihnen Legendre **). Als eine Erwiderung darauf möchte man den Be

59) Monit. No. 117, v. 26. Apr., S. 480, ausführlicher No. 135, G. 559.

60) Moniteur No. 115.

61) Moniteur No. 147. Duvergier 4, 209.

62) Moniteur No. 149.

63) Ein,,arrêté philosophique", Pièces über die Mairie de Pétion 147.

64) Buchez et R. 14, 427.

fehl der Municipalität vom 10. Jun. ansehen, daß in keiner Kirche mehr als zwei Glocken sein sollten 6).

Veranlassung zu einem zweiten Veto gab der Minister Servan. Ohne Berathung mit dem gesammten Conseil, nur nach Abrede mit Roland und Clavière, brachte er am 4. Jun. an die N.-V. den Antrag, zur Feier des 14. Julius 20,000 Föderirte aus den Nationalgarden, fünf aus jedem Canton, nach Paris zu berufen und diese nach der Feier jenes Tags ein Lager bei Soissons zur Beschüßung der Hauptstadt bei etwanigem Vordringen des Feindes beziehen zu lassen 66); die N.-V. stimmte bei, der Beschluß wurde am 8. Jun. gefaßt. Daß Servan dabei beabsichtigt habe, Organe der Bewegung gegen den Hof zu gewinnen, wie Barbarour, der um jene Zeit marseiller Gewaltmenschen gen Paris aufbrechen ließ ""), läßt sich nicht darthun, auch nicht vermuthen; Schlimmes aber wurde bald von mehren Seiten dabei geahnt. Robespierre, der darin eine Verstärkung der Girondistenpartei argwohnte, erklärte fich heftig dagegen; von dem Generalstabe der Nationalgarde ging ein Protest ein 6). Die pariser Sectionen sprachen sich theils dafür theils dawider aus 69). Die Ansicht von der gesammten Veranstaltung war unklar und die Parteiung dafür und dawider kam dabei zu keinem rechten Wissen und Wollen. Eine Deputation kündigte an, daß 8000 Bürger einen Protest unterzeichnen würden; aber die Zahl erfüllte sich nicht "). Am Hofe war die Sorge vor den Unruhen und Gefahren, die aus der Ankunft jener Mannschaft hervorgehen möchten, entschieden 7). Servan erschien mindestens in zweideutigem Lichte, da er die

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67)- Buchez et R. 13, 441. Barbarour kündigte den Aufbruch der Marseiller am 5. Apr. bei den Jacobinern an.

68) Buchez et R. 15, 15.

69) Buchez et R. 15, 20.

Bertrand de Molev. 8, 89.

70) Buchez et R. 15, 30. Deux amis 7, 217.

71) Ferrières 3, 89. Die Königin sprach (zu Dumouriez, der je doch nichts davon erwähnt) von einem Decrete, qui amène à Paris 20,000 coquins capables de massacrer le roi.

Sache insgeheim betrieben hatte; mit ihm waren dem Könige auch Roland und Clavière, die er nur ungern geduldet hatte, widerwärtig ") wegen ihres Eifers gegen eidweigernde Priester ") und Roland insbesondere wegen eines von ihm übergebenen Schreibens, worin er dem Könige in einem rigiden Tone darlegte, was dieser als echt constitutioneller König zu thun habe, und die Bestätigung der beiden Beschlüsse, über Priester und Lager begehrte "). Dazu kam nun eine Intrigue Dumouriez's. Uneins mit seinen Collegen über Bonne-Carrère 7), dem er viel anzuvertrauen geneigt und jene zuwider waren), auch wol verdrießlich über die Vorenthaltung des Lagerbeschlusses, sich bewußt, daß er dem Könige angenehmer sei als seine girondistischen Collegen "), jedenfalls auf der Lauer, die Conjunctur für sich zu benußen, und nicht im Zweifel, Rath schaffen zu können, rieth er dem König, Servan, Roland und Clavière zu entlassen, es werde sich ein neues angemessenes Ministerium zu Stande bringen zu lassen, wenn nur der König von dem Veto im Betreff der Priester und des Lagers abgehen wolle 78). Am 12. Jun. wurden jene drei Minister

72) Md. Campan 2, 208. Man kann annehmen, daß die Rücksichtslosigkeit Roland's auf Hofetikette, sein Erscheinen mit Båndern statt Schnallen auf den Schuhen, was den Ceremonienmeister in Bestürzung segte (Md. Roland 1, 309), Ludwig's Urtheil zu bestimmen nicht beitrug.

73) Der König wußte von einem Briefe Guadet's mit einer Auffor: ' derung an den König, einen beeidigten Priester zum Beichtvater zu nehmen, den Guadet an einem Freitage, wo die Minister mit den Girondisten bei Roland zu speisen pflegten, vorgelesen, aber auf Dumouriez's Zureden zurückgenommen hatte. Dumour. 2, 257.

74) Md. Roland 1, 318 und Éclairciss, historiq. dazu B. C. Mad. Roland verfaßte zwei Briefe; der erstere, den Ministern vorgelegt, aber von diesen nicht gebilligt, wurde nicht abgesandt.

75) Diplomat unter Vergennes, Vertrauter Mirabeau's, durch Dus mouriez Generaldirector des Departements der auswärtigen Angelegenheiten.

76) Dumour. 2, 154. Md. Roland 1, 324. Von andern Gründen der Spannung f. Recueil de lettres et de pièces intéress. relat. à l'administr. de Roland, Clavière et Servan b. Md. Rol. 371.

77) Md. Roland 1, 317. Dumour. 2, 162.

78) Dumour. 2, 376.

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entlassen. Die N.-V. erklärte, daß sie ungern dieselben scheiden sehe. Roland theilte seinen Brief vom 10. Jun. der N.-V.' mit, die den Druck desselben beschloß "9). Brissot's Patriote français schmähte auf Dumouriez, in der N.-V. aber fand dieser, statt Servan's zum Kriegsminister bestellt, eine unfreundliche Begegnung, als er einen Bericht über das Kriegswesen gab und darin behauptete, die Mannschaft sei nicht vollzählig und die Festungen nicht in gutem Stande 8). Seine Hoffnung, als Minister mit der N.-V. befreundet zu bleiben, entschwand; eben so wenig war der König zur Bestätigung des Beschlusses gegen die eidweigernden Priester zu bewegen: Dumouriez begehrte am 16. Jun. seine Entlassung und erhielt sie am 18.; schon am 19. Jun. begab er sich zum Heere. Ihm selbst blieben der König und die Königin geneigt 8), bei dem System aber, das die Beschlüsse gegen eidweigernde Priester und über das Lager guthieß, långer zu bleiben, ward ihnen låstig; fie wandten sich wieder zu Feuillans. Unter diesen tüchtige Månner zu finden, war nicht so schwer, als mit solchen gegen N.-V. und Jacobiner etwas auszurichten; man wählte Personen, die weder durch Geist noch durch Energie ausgezeichnet waren, deren Gesinnung man aber ansprechend fand, Chambonas, Lajard, Monciel. Barnave, im Vertrauen der Königin und dieser ergeben 82), mochte klarer sehen, aber auch sein Rath konnte kein Heil bringen. Nun aber wurde durch die Feuillans, vielleicht nicht ohne Wissen des Königs, mit Las fayette unterhandelt und ein Schreiben redigirt, das dieser als, von ihm kommend an die N.-V. sandte 83). Es enthielt nach

79) Moniteur No. 167. Ob Roland dabei eine dem Könige gege= bene Zusicherung brach? Bei Dumouriez 2, 291 wird es behauptet, aber die Stelle des Briefes, worauf sich die Behauptung gründet, ist nicht in dem vom Moniteur gegebenen Abdrucke desselben.

80) Buchez et R. 15, 48-59.

81) Dumour, 2, 162 und über seinen Abschied von der Königin Md. Campan 2, 202. Von des Königs entschiedenem Widerwillen, den Beschluß gegen die Priester zu bestätigen, Bertr. de Molev. 8, 121.

82) Md. Campan 2, 187. 204.

83) Daß der Hergang der Sache so war, s. Bertr. de Molev. 8, 130. 141. Paganel 1, 340. Vgl. Buchez et R, 15, 99.

drückliche, fast drohende Mahnungen, dem überhand nehmenden Jacobinismus mit Ernst 'entgegenzuarbeiten **). Das Datum

des Briefes (vom 16. Jun.) stimmte nicht dazu, daß darin schon von Dumouriez's Entlassung die Rede war; Guadet erklärte den Brief für unecht. Die Wirkung des Briefes war dem Könige sehr ungünstig; die Gironde erkannte darin den Geist der Feuillans, und zu dem Unmuthe über die Einbuße des Ministeriums gesellte sich nun auch die Sorge vor Anschlågen der Feuillans und des Hofes, die Lafayette unterstüßen möchte. Am 19. Jun. machte der König seine Veto's gegen die beiden Beschlüsse der N.-V. bekannt; dies ward wie zum Fehdehandschuh für die Gironde und die Gewaltpartei; es liegt nahe, anzunehmen, daß beide noch einmal zusammenwirkten, um den Thron, der eben wieder drohend zu werden schien, gắnzlich zu erniedrigen.

Einer Insurrection hatte zunehmende Frechheit des Pöbels vorgearbeitet; während des girondistischen Ministeriums wurden die gröbsten Insulten gegen die Königin und gegen Personen der Hofpartei verübt 8). Monsieur und Madame Veto waren als Spottnamen für König und Königin in Gebrauch; was irgend ge

84) Buchez et R. 15, 69. Moniteur No. 171.

85) Eines Tages klagte die Königin gegen Dumouriez (Dumour. 2, 166): Vous me voyez désolée; je n'ose pas me mettre à la fenêtre du côté du jardin. Hier au soir je me suis montrée à la fenêtre de la cour. Un canonnier de garde m'a apostrophée d'une injure grossière, en ajoutant: Que j'aurais de plaisir à voir ta tête au bout de ma bayonnette! Dans cet affreux jardin, d'un côté on voit un homme monté sur une chaise, lisant à haute voix des horreurs contre nous, d'un autre c'est un militaire ou un abbé qu'on traîne dans un bassin en l'accablant d'injures et de coups; pendant ce tems-là d'autres jouent an ballon ou se promènent tranquillement. Quel séjour ! Quel peuple! Bestätigt wird dies zum Theil durch Moniteur No. 265 (ein Kerl hatte in dem Garten der Tuilerien eine Schrift vorgelesen, worin zur Ermordung des Königs aufgefordert wurde; vgl. Bertrand de Molev. 8, 98). Bei Md. Campan 2, 207 wird erzählt: Un jour la reine, entendant rire aux éclats sous les fenêtres, me dit de regarder ce que ce pouvait être. Je vis un homme presque deshabillé et tournant le dos à son appartement etc., was gewiß Jeder mit Mad. Campan une des plus grossières insultes nennen wird.

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