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sich in London aufhielt, auf Veranstaltung der Regierung aufgekauft und den Flammen übergeben worden sei 37). Aber die leştere gewann nichts dadurch. Chabot trat hervor und erklärte, mit 182 Actenstücken die Existenz eines östreichischen Comité und dessen Entwurf, die N.-V. aufzulösen, darthun zu wollen. Als er am 4. Jun. seine Mittheilungen machte, ergab fich, daß er gar keine Beweise für seine Behauptungen hatte; selbst Vergniaud misbilligte das wahnhafte Beginnen des ungeschickten und plumpen Menschen, bei dem die Excentricitåt im Betreiben der Revolution immer von Gemeinheit und Thorheit begleitet war 38). Daß in den Tuilerien die Stimme der Königin entscheidend galt, daß diese die Revolution immer leidenschaftlicher haßte, daß Plåne gemacht wurden, den regellosen Strom der Revolution in sein Bett zurückzudrängen, daß es selbst auf Rückgewinn alter Prårogativen des Throns abgesehen war, daß man lau bei den Rüstungen gegen das Ausland war, daß man mit diesem Verbindungen unterhielt, daß man dazu Agenten und Rathgeber hatte, daß immerfort: Geld aufgewandt wurde, Anhånger zu gewinnen: dies Alles hatte seinen Grund, aber die Gegner des Hofes wußten nichts genau, Alles wurde übertrieben und im schlimmsten Lichte gesehen; die Verleumdung gab die Farben dazu, und was gab es, das man nicht dem pariser Volke håtte weiß machen können? Wenn aber dessen Einsicht nie reif wurde, Wahres und Falsches zu unterscheiden, wenn ruhige Überlegung sich immerdar im Rausche des Affects verflüchtigte, so gab allerdings die Hofdienerschaft durch unbesonnenen Eifer und unverbesserlich alt= frånkisches Wesen 39), die royalistischen Blätter aber durch unEluge Oftentation mit Hoffnungen und Drohungen *0) Anlaß,

37) Buchez et R. 14, 297 fg.

38) Daf. 14, 300 fg.

39) Md. de Campan 2, 172. über die Cabale, wodurch dem Kdnige sehr zur Unzeit ein Herr Fleurieu zum Erzieher des Kronprinzen aufgedrungen wurde s. Dumour. 2, 176. Welche Fehler der Hof machte, wie unfähig die Minister waren, gesteht aufrichtig im zweiten Bande seiner Memoiren Vaublanc, und diesem ist hierin gewiß ein richtiges Urtheil zuzuerkennen.

40) S. oben B. 3, Cap. 1, Not. 30. Wachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter I.

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Unmuth und 'Argwohn bei dem Volke zu unterhalten. Davon zeugten die Beschwerden über die Leibwache des Königs; auch hier war Schuld auf beiden Seiten. Schon am 25. Apr. führte Kersaint, dem Übertreibung aus Haß gegen den Hof nicht vorzuwerfen ist, Beschwerde über die Leibwache und die Schweizer "); Bazire-trat am 28. und 29. Mai als Anklåger derselben auf: sie bestehe aus Menschen, die die Volksfreiheit und Constitution haßten, aus ehemaligen Gardes-du-corps, aus Parteigångern der widerspenstigen Priester, fie frohlocke über Vortheile der Feinde, ihre Orgien erinneren an die Octoberfeste von Versailles im 'J. 1789 u. f. w. 2). Nicht Alles, was er sagte, war erdichtet, aber er behauptete zu viel, und noch mehr ward geglaubt; man sah schon die Contrerevolution im Anzuge. Schon am 28. Mai wurde Verdoppelung aller Wachen in Paris und Permanenz der Sihung der N.-V. beschlossen. Die Unruhe mehrte sich, als am 29. Mai Petion anzeigte, es werde eine Menge verdächtigen Gesindels in Paris bemerkt; auch dem Volke hatte sie sich schon mitgetheilt, 1500-1600 Pikenmånner der Section der Gobelins zogen mit Trommelschlag durch den Saal und schwuren, sich für Vertheidigung der N.-V. zu opfern. Louvet, Redner einer Deputation der Section der Lombards, stellte am 30. Mai vor, daß es gróßerer Wachsamkeit und Energie der Policei bedürfe und daß es gut sein würde, auch die Sectionen in Permanenz zu erklåren. Darauf redete Gensonné über die Einrichtung einer hohen Policei zur Nachforschung nach Attentaten gegen die äußere und innere Sicherheit des Staats - eine beklagens: werthe Einleitung zu Unheilsinstituten. Die Debatten über die gegen die Leibwache zu nehmenden Maßregeln wurden sehr stürmisch; gegen Couthon, Mazuyer, Lacroix, Guadet und Vergniaud sprachen Ramond, Froudières, Calvet und Jaucourt; die Lehteren mit dem Ausdrucke leidenschaftlicher Gereiztheit, die zu Unanständigkeiten und Rügen führte "); beschlos=

41) Moniteur No. 117.

42) Buchez et R. 14, 307. über das Wesen der königl. Leibwache s. Dumour. 2, 167.

43) Froudières wurde wegen seiner anzüglichen Äußerungen gegen

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sen wurde Auflösung der Leibwache und Anklage gegen ihren Befehlshaber Brissac; bis zur Bildung einer neuen Leibwache sollte Nationalgarde das Schloß bewachen. Des Königs persönliche Sicherheit war jest nicht mehr zu verbürgen; das girondistische Ministerium selbst stand nicht mehr fest; aus der Spaltung im Jacobinerclub und der zunehmenden Anfeindung Brissot's und seiner Freunde durch die Anarchisten und aus der Entfremdung des Königs von den Ministern drohte eine Krise hervorzugehen.

Bei den Jacobinern schrie Collot d'Herbois Verrath, als die Nachrichten von den Vorfällen bei Mons anlangten **); Robespierre war unermüdlich im Anklagen und Verleumden; mit Lafayette und Narbonne wurde von ihm auch Brissot und - Guadet, der für Narbonne sprach, zusammengesellt; der Défenseur de la constitution, den er damals herauszugeben an: fing, trug das Gift über den Kreis seiner Zuhörer hinaus; schon sprach er von einer Intrigantenfaction, die sich auf den Trümmern der Freiheit erheben wolle *); Chabot und Karl von Hessen“) brachten ebenfalls Anklagen vor; Jener (25. Apr.), man gehe damit um, Narbonne zum Protector zu machen 47). Brissot vertheidigte sich, nicht ohne Anzüglichkeiten gegen Robespierre, Guadet nahm nach ihm das Wort, Robespierre mußte lange sich abmühen, ehe er das Wort erlangte; in sei

Guadet und die gesammte N.-V. auf drei Tage nach der Abtei geschickt. Calvet sprach von canaille und grėdins und mußte ebenfalls nach der Abtei; Jaucourt kündigte Chabot hundert Stockprügel an, was keine Folgen hatte. S. die gesammten Debatten über die Leibwache b. Buchez et R. 14, 300-338.

44) Buchez et R. 14, 351.

45) Seine Rede vom 23. Apr. s. b. Buchez et R. 14, 131; seinen Tractat sur les moyens de faire utilement la guerre (No. 1 des Défenseur de la constitution) das. 14, 352 fg.

46) Landgraf Karl Constantin von der rotenburgischen Linie, Divisionsgeneral, leidenschaftlicher Theilnehmer an den damaligen Bewegungen gegen die Feuillans. Eine am 31. März in der N.-V. vorgelesene Be= schwerde über Narbonne, daß dieser die Festungen an der spanischen" Grenze verwahrlose, war von ihm und Dubois-Crancé unterzeichnet.

47) Buchez et R. 14, 127.

ner gedehnten Rede aber entwickelte er, wie ein System von Conspiration und Verfolgung gegen ihn bestehe **); Eigenlob, Klage, Verleumdung und scheinbare Märtyrerhingebung waren die Waffen, die er von nun an gegen die Gironde richtete und mit denen er tåglich tiefer verwundete. Sowie man ihn unterbrach oder nicht sogleich zu Worte kommen lassen wollte, folgten darauf lange Tiraden von Unfeindung und Diffamation 49). Die heuchlerische Tünche, mit der er von den Feinden der Jacobiner redete und vor zu frühem Reden von Republik_warnte 5o), wobei Brissot's Partei gemeint war, und mit welcher er am 26. März gegen Guadet das Wort nahm, als dieser Robespierre's Berufung auf die Vorsehung für Superstition erklärte "1), brachten seinen Widersachern Nachtheil. Es sollte zu den Schickungen der Revolution gehören, daß bei unendlichen Täuschungen über Person und Sache gerade von einem Menschen, der nichts Geniales in sich hatte, den Sinn des Volkes zu wecken oder zu erheben, und der auch dem wústen Wesen, das in Meinung und Sitte um sich griff, sich nicht hingab, der immer als måßig und als derselbe erschien, ein Zauber ausging, bei seiner Partei unter den Jacobinern Glauben an die Tugend, welche er im Munde führte, zu erzeugen, und es ist die widerwärtigste Seite des Charakters der Masse, daß Verleumdung, worin Marat Robespierre gegen Brissot und Guadet Beistand leistete 52), das wirksamste Getriebe hierbei war. Eine Versöhnung Robespierre's mit Brisfot und Guadet, welche Petion am 29. Apr. betrieb 53), dauerte kaum über Nacht; die Feindseligkeit wurde bitterer als zuvor. Dazu gaben allerdings Brissot und noch mehr der unnachgie

48) Buchez et R. 14, 143 fg.

49) So am 13. Juni. Buchez et R. 15, 221.

50) Buchez et R. 13, 440. Es war am 2. März.

51) Das. 13, 443 fg. Die Sigung war höchst stürmisch und der Streit gab den Journalen Stoff zu Kritiken. 3. B. Révolut. de Par. 12, 145 fg.

52) Ami du peuple No. 547. 548 b. Buchez et R. 14, 175 fg.

53) Buchez et R. 14, 162. Pièces über die Mairie de Pétion 121 fg.

bige Guadet durch Schriften gegen Robespierre Anlaß 5). Schon richtete sich Robespierre's Haß auch gegen Roland, weil dieser eine Rechtfertigung Brissot's, worin Robespierre nicht geschont wurde, unter ministeriellem Couvert versenden ließ "), nicht minder gegen Louvet, der von Roland Geld zur Herausgabe der von ihm begonnenen Zeitschrift, La Sentinelle, erz hielt und Robespierre am 10. Mai den Auftritt auf der Rednerbühne streitig machte 56), worauf denn Robespierre sein Thema von Anfeindungen vorbrachte und in Danton, der selten redete, einen Schußredner fand. Diese Scenen im Jacobinerclub find das Vorspiel zu dem Parteikampfe zwischen Gironde und Berg im Convente.

Indessen hatte ein Beschluß der N.-V. gegen die eidweigernden Priester einen neuen Conflict zwischen ihr und dem Könige herbeigeführt, der auch das Ministerium berührte. Die Bewegungspartei in der N.-V. schritt auf der Bahn zur Beseitigung Alles dessen, was bisher äußerlich mit dem Culte verknüpft gewesen war, mit durchaus unkirchlicher Gesinnung vorwärts; am 6. Apr. wurde der Beschluß gefaßt, jegliches kirchliche Costum abzuschaffen, und die Ausführung erfolgte zum Theil schon in derselben Sihung der N.-V. 7). Am 28. Apr. wurden alle kirchlichen Corporationen und Brüderschaften (der pélérins und pénitens) aufgehoben 5): bei solcher Gesinnung mußte jegliche Nachricht von fortgesetten Umtrieben der Priester ein Aufruf zur Verfolgung werden. Zum Theil lauteten

54) Buchez et R. 14, 162. Ungeschickt, ungereimt und fruchtlos war es, daß Brissot's Patriote français Robespierre beschuldigte, zum öftreichischen Comité zu gehören, und daß er Robespierre's Protest gegen den Lagerbeschluß im Jun. als Beweis hervorhob, Robespierre sei Überlaufer. Buchez et R. 14, 420.

55) Daf. 14, 367.

56) Daf. 14, 877.

57) Moniteur No. 98. Die Bischöfe Torné, Fauchet, Gay-Vernon, bringen ihre Kreuze zum Bureau, die Priester stecken ihre Calotte in die Tasche, nehmen ihre Kragen ab u. s. w. Scène vraiment comique, digne plutôt d'une représentation théâtrale que d'une assemblée de législateurs. Deux amis 7, 112,

58) Moniteur No. 120.

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