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zère und des Cantal wurden royalistische Bewegungen drohend 163), die priesterlichen Umtriebe und Unruhen dauerten fort 164); im Staatshaushalte war Stockung 165), im Heere der Sinn der Meuterei u. s. w. Bei diesem Allem war das Vorurtheil gegen die Minister; am 6. März wurde eine neue Commission von zwölf Deputirten zur Entwerfung eines Gesetzes über Beilegung der inneren Unruhen errichtet. Als nun Ludwig am 9. Mårz erklärte, daß er Bertrand de Moleville sein Vertrauen nicht entziehe, trat Brissot auf als Anklåger Delessart's; Vergniaud, Gensonné, Guadet unterstüßten die Anklage; fie wurde beschlossen und Delessart nach Orleans abgeführt 166). Indess sen hatte Cahier de Gerville fein Ministerium niedergelegt und de Grave das Kriegsministerium bekommen; Duport-du-Tertre mußte am 12. und 13. Mårz eine Anklage bestehen: es war vorbei mit den Feuillans.

163) Moniteur No. 87,

164) Um 5. Febr. berichtete Paganel, am 6. Thuriot darüber.

165) V. Cambon's Finanzbericht v. 19. Apr. f. Buchez et R. 14, 198. Nach diesem war freilich der Vermögensstand der Nation ansehnlich und die Masse der darauf ausgegebenen Assignaten konnte noch nicht bedenklich erscheinen, mindestens hatte Cambon kein Bedenken, diese Hülfsquelle, so oft es Noth that, zu benugen. Die Vermehrung der Assignaten geschah, wie folgt: Auf 1400 Mill. am 1. Nov., auf 1600 M. am 28. Dec. 1791, auf 1650 M. am 4. Upr., auf 1700 M. am 30. Apr., auf 2000 M. am 31. Jul.

166) Buchez et R. 13, 370, 399.

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Zweites Capitel.

Das Jacobinerministerium und der 20. Junius 1792.

In Briffot's Patriote français wurden Vorschläge zu einer neuen Besehung des Ministeriums gemacht; es kam in der That zu einem großentheils girondistischen Ministerium. Die Angriffe auf das bisherige Regierungssystem waren so drohend, die Anschuldigungen gegen den Hof so feindselig geworden, daß Ludwig besorgt wurde, die Jacobiner möchten mit einer Anklage gegen die Königin hervortreten '), und daher erklärte, er werde sich zu der Partei wenden, welche die öffentliche Meis nung für sich habe. Also wurden zuerst am 15. März Dumouriez, den Brissot angelegentlich empfohlen hatte 3), zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lacoste am 17. März für die Marine bestellt; am 24. März Roland3) für

1) Im Patriote français vom 16. M. hieß es: Les ennemis du bien public ont fait courir le bruit, que le roi avait abdiqué et que la reine allait être dénoncée. Dergleichen hatte auch am Hofe seine Wirkung.

2) Bis dahin mehr durch Unruhe, Abenteuer- und Intriguenlust und Projectmacherei als durch Patriotismus bekannt, aber von unbe strittenem Talent und rastloser Thätigkeit, hatte er bei den ersten Unruhen der Vendée als Maréchal-de-camp das Verdienst, zu deren rascher Unterdrückung beizutragen; das brachte ihn in Verbindung mit Gensonné, welcher damals auf Mission daselbst war, und auf Empfehlung desselben an die Gironde wurde er unter Narbonne's Ministerium General-Lieutenant. Vgl. Mém. de Dumour. 2, 132.

3) Roland de la Platière, geb. 1730, in der Administration der Manufacturen zu Rouen durch Studium, Eifer und Rechtschaffenheit ausgezeichnet, General-Inspector zu Amiens, dann zu Lyon, außerordentlicher Deputirter Lyon's in der const. Vers., nach deren Schluß seit dem 15. Dec. wieder in Paris, mit Brissot schon von seinen Reisen her bes kannt, jest mit ihm befreundet, Theilnehmer am Jacobinerclub und in genauer Verbindung mit der Gironde, die nicht minder durch den hohen

das Innere und Clavière, vordem Vertrauter Mirabeau's und vieljähriger Freund Brissot's *), für die Finanzen, noch fpåter (14. Upr.) Duranton für die Justiz und am 8. Mai, statt de Grave's, Servan für den Krieg. Lacoste, obschon Mitglied des Jacobinerclubs, und Duranton, bisher mit Guadet und Gensonné befreundet, sstanden unabhängig von den Jacobinern und der Gironde: Dumouriez erschien am 19. Márz bei jenen mit der rothen Müße ); in Bezug auf ihn und die drei Übrigen war es nicht ohne Grund, wenn Brissot der Ministermacher genannt wurde.

Zur, raschen Entscheidung der Kriegsfrage hatte die Gironde in'Dumouriez einen eifrigen Parteigånger erlangt; der Knoten wurde mehr zerhauen als gelöst. Dumouriez fandte schon am 19. März an Noailles, den französischen Gesandten in Wien, die Weisung, vom östreichischen Cabinet die Entfer nung des Kriegsheers aus Belgien und die Auflösung der Emigrantencorps zu begehren; am 21. März schrieb Ludwig an den jungen König von Ungarn und Böhmen, Franz, daß er die Constitution mit Freiheit des Willens beschworen habe u. s. w.); indeffen hatte Kaunis schon am 18. März eine Erklärung gegeben, daß durch den Tod des Kaisers Leopold in den Entschließungen des östreichischen Cabinets keine Änderung eingetreten und daß die Aufstellung von Truppen in Belgien wegen der jacobinischen Umtriebe daselbst nöthig sei '); hierauf antwortete Dumouriez ungesäumt am 27. März, daß von Östreich eine definitive Erklärung, ob es auf die Anträge Frankreichs einzugehen geneigt sei, erwartet werde und, wenn diese nicht erfolge, bei der Rückkunft des Couriers der König sich als im

Geist der Md. Roland, als den Charakter und das Wissen Roland's sich angezogen fühlte. Zur Charakteristik der Legtern, in Vergleich mit Frau von Staël, f. Schlosser, Archiv B. 1.

4) Brissot, Mémoir. 1, chap. 14.

5) Buchez et R. 13, 403.

6) Weiterhin: Les Français ont juré de vivre libres ou de mourir; j'ai fait le même serment qu'eux. Buchez et R. 14, 22.

7) Moniteur No. 90.

Kriegsstande befindlich ansehen werde ). Noailles erhielt am 7. Apr. vom östreichischen Cabinet die Antwort, daß es bei der Erklärung vom 18. März sein Bewenden habe 9). Darauf legte Dumouriez dem Könige einen Bericht vor, in, welchem der Krieg als unumgänglich nothwendig dargestellt wurde 10). Am 20. Apr. erschien der König mit sämmtlichen Ministern in der N.-V.; Dumouriez las seinen Bericht vor und der König erklärte darauf mit bewegter Stimme und mit Ihrånen in den Augen "), daß der Krieg zu beginnen sei. Er sprach wider seine Überzeugung und sah bange den Folgen entgegen: zu seiner Beruhigung fandte er geheime Vorstellungen an die Emigranten, mit der dringendsten Abmahnung von der Theilnahme am Kriege, und einige Monate spåter an die auswärtigen Höfe, mit dem Wunsche, daß ein Manifest erlassen und darin der Krieg, nicht der Nation, sondern der antisocialen Faction erklärt werde 12); er hatte mehr der unlösbaren Verwickelung der Umstände nachgegeben, als daß er für sich Heil von dem, was er aussprach, erwartete. Die Würfel lagen da; daß die N.-V. fie nicht zurückweisen würde, war vorauszusehen: doch gab eine tiefe Stille nach dem verhängnißvollen Worte kund, daß deffen nicht zu berechnende Gewichtigkeit die Gedanken beschäftigte. Erst in der Abendsißung sollte die Verhandlung darüber statt

8) Moniteur No. 106.

9) Daf. No. 111. Graf Cobenzl hatte dem französischen Gesandten am 5. Apr. dreierlet als Begehren des östreichischen Cabinets vorgelegt: 1) Genugthuung der Reichsfürsten wegen des Verlustes ihrer Feudalrechte; 2) des Papstes wegen Avignon; 3) Maßregeln, der franz. Regierung hinreichende Stärke zur Unterdrückung dessen, was andere Staaten beunruhigen könnte, zu geben. Bei Dumouriez (Mém. 2, 206) lautet das Lettere: Le rétablissement de la monarchie sur les bases de la séance royale de Louis XVI du 23 Juin 1789; das ist in der officiellen Mittheilung Noailles' nicht enthalten, konnte aber hineingelegt und eben so wohl heraus gedeutet werden; das Legtere war ganz in Dumouriez's Ginn.

10) Außer dem Moniteur No. 112 in den Mém. de Dumouriez 2, 427, bei den Deux amis 7, 122 und sonst abgedruckt.

11) Deux amis 7, 166.

12) Bertrand de Molev. 8, 39. S. unten Cap. 3, Not. 98.

finden. Bei dieser mahnten mehre Stimmen zum Bedacht, zum Aufschub, zur vorgängigen Überweisung der Sache an den diplomatischen Ausschuß; Maithe aber wandte sich an den Muth der Nation 3) und das ungestümste Klatschen im Saal und von den Tribünen übertönte die Stimmen der Bedachtsamen, die mächtigste Aufwallung des nationalen Ehrgefühls fluthete durch die Verhandlungen und diese wurden mehr durch den Affect als die Vernunft bestimmt. Es kam zu ausführlichen Erörterungen, aber Becquet, Bazire, der im Sinne Robespierre's abmahnte, Jaucourt, Dumas und Theodor Lameth vermochten nichts gegen Pastoret, Guadet, Dubayet und Brissot, deren Reden von rauschendem Beifall der kriegsluftigen Zuhörer begleitet wurden: es kam zu sofortiger Abstimmung, und diese brachte Krieg. Mit ihm brauste die wildeste revolutionåre Gährung in der Hauptstadt auf. Muth war der Hebel des Frohlockens über den Beschluß des Kriegs gewesen; Sorge, Argwohn, Furcht, Parteiung traten bald an die Stelle des Muths und der Eintracht; ihnen folgte, von der fürchterlichsten revolutionåren Entschlossenheit als Belebungs- und Stärkungsmittel angewandt, der Schrecken. Gegen die Emigranten wurde am 30. März decretirt, daß ihre Güter zur Schadloshaltung der Nation dienen sollten.

Die Demagogie und Volksbewegung war durch den Eintritt des jacobinischen Ministeriums keineswegs beruhigt worden; vielmehr wurde das Treiben zur Auflösung der Gesetzlichkeit, der Aufruf zur Gewalt, die Verdächtigung des Hofes und der Heerführer ungestümer als zuvor; die Gewaltpartei unter den Jacobinern trat der Herrschaft nåher. Daß seit dem 19. März die Situngen der mit dem Departementsdirectorium Långst gespannten Municipalitát öffentlich wurden, war dabei nicht ohne Gewicht. Noch mehr aber ein unheilbringender Beschluß der N.-V. über die Mörder von Avignon (les glaciaristes). Es war dort ein Gericht bestellt worden; Jourdan und seine Helfershelfer faßen im Kerker; es lastete unbezwei

13) Der Schluß seiner kurzen Rede: En un mot, ne faites pas aux braves défenseurs de la patrie l'injure de douter un seul instant de leur courage.

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