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ob die N.-V. erkannte, daß die leßtere Macht in Polen genugsam Beschäftigung finden werde? Es scheint, als ob zunächst nur an das deutsche Reich gedacht wurde; man faßte nur den Feind ins Auge, der durch thatsächliche Unterstüßung der Emigranten gewissermaßen schon den Frieden aufgehoben hatte. Also begehrte Louvet am 25. Dec. 1791, als Redner der Section der Lombards, ein Anklagedecret gegen die Prinzen und Kriegserklärung gegen die ausländischen Mächte, die fich als Feinde Frankreichs benähmen 138). Darauf hielt Brissot am 29. Dec. seine berühmt gewordene zweite Kriegsrede und Condorcet las seinen Entwurf eines Manifestes über die Grundfäße der Politik, welche Frankreich bei dem Ausbruche eines Kriegs befolgen werde 139). Der König billigte diese und begleitete am 31. Dec. die Mittheilung der Note des Kaisers vom 21. Dec. mit der Zusicherung, daß er sich für verpflichtet achte, Würde und Sicherheit der Nation aufrecht zu halten 140). Indessen war die den Emigranten in dem Beschlusse vom 9. Nov. geseßte Frist abgelaufen, und, wenn gleich der König denselben nicht bestätigt hatte, wurde am 1. Jan. 1792, auf Gensonne's Bericht, die Zulässigkeit des Anklagedecrets gegen die Prinzen, nebst Calonne, Mirabeau und den Chef eines in den Niederlanden versammelten Corps von Edelleuten, Marquis Laqueille, votirt 141). Isnard ermahnte am 5. Jan. in einer feurigen Rede zur Pflege des Nationalgefühls und zur Eintracht. Als nun bald darauf (14. Jan.) Guadet eine Stelle aus dem kaiserl. Schreiben vom 21. Dec. auf einen Congreß der Fürsten zur Abänderung der französischen Constitution deu

138) Moniteur No. 361. Vorausgegangen waren ihm Legendre und Anacharsis Cloots. Moniteur No. 346. 349.

139) Moniteur No. 364. 365. Das legtere s. auch b. Deux amis 6, 419 und Martens 5, 357. Freiheit, Edelmuth, Brüderlichkeit kündigten sich den Völkern an, und Condorcet meinte es damit aufrichtig. Einige Stellen daraus s. unten Cap. 5, Not. 40.

140) Buchez et R. 13, 9. 10.

141) Duvergier 4, 49. Darauf folgte am 19. Jan. das Decret, daß der ältere Bruder des Königs angesehen werde, als habe er sein Anrecht auf die Regentschaft aufgegeben. Duvergier 4, 57, und das eigentliche Anklagedecret vom 6. Febr. b. dems. 4, 71.

tete, wurde mit Enthusiasmus beschloffen, daß jeder Franzose infam fein sollte, der an einem solchen Congreß und an einer Vermittelung zwischen der franzöfifchen Nation und den gegen sie verschwornen Rebellen Theil nehme; zugleich wurde Ludwig gebeten, vom Kaiser eine spätestens am 10. Febr. zu gebende definitive Erklärung zu begehren 142). Zum dritten Male hielt Brissot (17. Jan.) eine ausführliche Rede zur Empfehlung des Kriegs 143) und nach ihm sprachen mit Eifer Vergniaud, Isnard und Fouchet dafür; die Anstalten zur Vervollständigung des Heeres wurden lebhaft betrieben und am 25. Jan. Ludwig gebeten, dem Kaiser zu erklären, daß, wenn nicht bis zum 1. Mårz eine kategorische Erklärung erfolge, Frankreich zu den Waffen greifen werde. Darauf ging Ludwig nicht ein, eine kategorische Erklärung aber versicherte er schon am 21. Jan. begehrt zu haben 144). Bald darauf (7. und 19. Febr.) verbanden sich Östreich und Preußen zur Behauptung der Integrität ihrer Staaten und der Verfassung des Reichs 145); die öftreichische Note vom 17. Febr. lautete zwar auf Frieden, aber auch auf Ankündigung der Entschlossenheit, einen feindlichen Angriff abzuwehren, und war von rügenden Hinweisungen auf die Jacobiner begleitet 146); eine ähnliche preußische Erklärung folgte ihr kurze Zeit nachher 147). Bei der Vorlesung der östreichischen Note in der

142) Die nicht blos von Guadet, sondern von Leichtgläubigen und Argwöhnischen in Menge auf einen Fürstencongreß gedeuteten Worte heißen: Les souverains réunis en concert pour le maintien de la tranquillité publique et pour la sûreté et l'honneur des couronnes. Den Beschluß der N.-V. f. b. Duvergier 4, 154. Moniteur No. 15. 143) Moniteur No. 19.

144) Buchez et R. 13, 332.

145) Martens recueil, Supplém. 2, 172.

146) Der N.-V. mitgetheilt vom Minister der auswärtigen Ange= Legenheiten am 1. März. Moniteur No. 63. Buchez et R. 13, 340. In der leztern heißt es: les provocations et les dangereuses menées du parti des Jacobins une secte pernicieuse. . . . L'ascendant illégal de cette secte l'emportera-t-il en France sur la justice, la vérité, le salut de la nation?

351. Kaunig's Erkl. v. 19. Febr. das. 358.

147) Um 28. Febr. Daf. 13, 355.

N.-V. äußerte die kriegslustige Partei ihre Gesinnung bald durch Murren, bald durch Lachen. Der an demselben Tage (1. März) erfolgte Tod Kaiser Leopold's beschleunigte den Ausbruch des Krieges.

Mit den Rüstungen führte der Geist des Argwohns gegen Umtriebe der Emigranten auch zu empfindlichen Beschrånkungen der Freiheit des inneren Verkehrs. Dies war, wie das Verbot der Emigration selbst, eine Reaction gegen die in der Constitution ausgesprochenen Principien, die damals in einer andern policeilichen Richtung, nämlich auf Wort und Schrift, selbst die schamloseste Frechheit noch unverkümmert ließen. Einen Sieg über den Geist policeilicher Inquisition gewannen zwar die Vertheidiger constitutioneller Freiheit, als verdächtige Briefe an die N.-V. abgeliefert, aber von dieser ungelesen verbrannt wurden 148). Als nun aber bald nachher Bericht von der Zunahme des Gesindels aus der Fremde, von dem Erscheinen raubdrohender Scharen eingingen, wurde dies zum Anlaß genommen, ein strenges Paßwesen, wie nach der Flucht des Königs (21. Jun.) für jene Zeit angeordnet war, einzuführen. Es geschah nicht ohne die lebhafteste Debatte. Thuriot proponirte am 24. Jan., wegen der häufigen Desertion von den Heeren Niemandem ohne Paß den Ausgang aus dem Reiche zu gestatten; darauf wurde am 30. Jan. auch für Reisen im Innern die Ausstattung mit einem Paß beantragt; vergeblich waren die Gegenreden, die natúr liche Freiheit, der Handelsverkehr u. f. w. würden dadurch verleht: das Gesetz wurde am 1. Febr. decretirt 149). Die Güter der Emigranten aber wurden, nach einem Antrage Lamarque's, durch ein Gesek vom 9. Febr. der Hand und Aufsicht der Nation übergeben und die darauf bezüglichen Maßregeln am 30. März (8. Apr.) im Einzelnen angegeben 15o).

Während der Kriegsrüstungen war bei den Jacobinern

148) Moniteur No. 346.

149) Buchez et R. 13, 64. Duvergier 4, 65. Durch Guadet wurden nachher noch, am 18. Mai, strenge Maßregeln gegen Frembe betrieben. Buchez et R. 14, 343.

150) Buchez et R 13, 56. Duvergier 4, 77, 110.

die schon erwähnte Spaltung über die Kriegsfrage entstanden. Robespierre hatte schon am 28. Nov. sich gegen einen Angriffskrieg erklärt 151); er beharrte bei dieser Ansicht und führte dafür an, daß nur zu fürchten sei, wenn unpatriotische Minister und Anführer, wie Narbonne und Lafayette, die Leitung håtten. Ob aber nicht Eifersucht auf Brissot und die Gironde, deren Kriegsbetrieb die Gunst der öffentlichen Meinung hatte, das geheime Motiv war? Zwei Male (2. u. 11. Jan.) hielt er eine lange Rede gegen Brissot's Mahnungen zum Kriege 152); der Streit wurde bitter, bis die durch Dussault bewirkte duBere Beilegung desselben erfolgte 153). Die Gegner Briffot's unterließen nicht, ihn um seines Kriegseifers willen zu verdächtigen 154). Was aber von Carra am 4. Jan. bei den Jacobinern vorgebracht wurde, daß man im Fall einer zweiten Flucht Ludwig's einen englischen Prinzen (den Herzog von York) zum französischen Throne berufen solle 155), wurde erst späterhin zur bösartigsten Unschuldigung gegen Briffot. Noch schien Brissot außer aller Gefährde dazustehen; die Verleumdung konnte gegen den Kriegsenthusiasmus der Menge, aus der selbst Weiber sich zur Bewaffnung erboten 156), nicht Raum gewinnen, und gegen Einverständniß mit dem Hofe und den Ministern sprach Briffot's Auftreten als Anklåger: ein Triumph seiner Partei war nahe.

Das gesammte Ministerium stand auf dem Ruin; Anschuldigungen gegen dasselbe wurden von den Beziehungen Frankreichs zum Auslande, nicht minder aber von den innern Zuständen des Reichs entnommen. Als der Minister Delesfart am 1. März die lehten Noten Östreichs und Preußens mittheilte, erhoben sich Stimmen gegen ihn, der Frankreichs Würde und Interesse nicht hinlänglich gewahrt habe; es wurde

151) Buchez et R. 12, 400.
152) Das. 13, 122. 146.
153) S. oben Not. 73.

154). oben Not. 75.

155) Buchez et R. 13, 142.

156) Moniteur No. 39. Sie wollten auf dem Marsfelde exerciren.

dem Könige eine Rügeschrift übergeben 157); am 6. März rief Thuriot, es bestehe eine allgemeine Verrätherei; am 8. März folgte eine Anklage gegen Bertrand de Moleville; nun wurde Narbonne, doch nicht auf den Grund einer Anklage der N.-V. 158), am 9. März entlassen. Aus den Landschaften waren in den lezten Wochen höchst beunruhigende Nachrichten eingegangen ; die Geseglosigkeit nahm überhand; eine Rotte Aufrührer hatte am 3. Mårz zu Etampes den Maire Simoneau, einen reichen Mann, der in Verdacht war, Korn aufzukaufen, ermordet und die bewaffnete Macht dabei sich sehr pflichtwidrig benommen 159); zu Verneuil hatten sich an 8000 Menschen unter Tumult versammelt und das Getreide zu tariren begehrt, eben solches war in Melun, Epernon, Poitiers, Durcan, Attichy, Choisy geschehen 160); eine bewaffnete Schar Marseiller war nach Air gezogen und hatte dort das Schweizerregiment Ernst entwaffnet 161); in Arles kämpften zwei Parteien gegen einander, die der „Chiffonne", gegenrevolutionår gestimmt, hatte sich der Stadt bemächtigt, das Pflaster aufgerissen, die Thore gesperrt und Kanonen aufgepflanzt 162); in den Departements der Lo

157) Buchez et R. 13, 363. Man hegte Verdacht, daß die ErElárung des Kaisers mit Ludwig verabredet sei.

158) Ludwig hatte ihm eine diplomatische Indiscretion, zu der ihn ,,la faiblesse d'amour" gegen Md. de Staël verleitete, übel genommen. Montgaillard 4, 90. Deux amis 6, 474. Md. de Staël (Considérat. 2, 39) leitet den Abschied Narbonne's von dem échec her, den er in der N.-V. am 8. März erlitten, als er an die membres les plus distingués appellirte und darüber Tumult entstand, worauf seine Collegen beim Könige die Entlassung betrieben hätten. Vgl. Brissot b. Buchez et R. 13, 369 über die Gerüchte jener Zeit. Der eigentliche Grund war wol der Argwohn der Königin, daß er wegen seiner Freundschaft mit Lafayette nicht echt königlich sei; der échec gab bequemen åußern Anlaß, ihn von einer Stelle zu entfernen, wo er gefährlich schien. Vor der N.-V. hatte er am 2. Apr. noch einen harten Stand (Buchez et R. 14, 8 fg.), doch gelang es ihm, ein Anklagedecret abzuwenden; am 21. Apr. erhielt er die Erlaubniß,, sich zum Heere zu begeben.

159) Buchez et R. 13, 417. Moniteur No. 68.

160) Moniteur No. 69. 70. 73. 82.

161) Daf. No. 67. 69. 70.

162) Daf. No. 51, S. 207. No. 79, S. 324.

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