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fonné, Dorizy, Bigot-de-Préameneu also nur wenige aus' der Bewegungspartei; noch aber war die Zeit nicht gekommen, wo die Wahl des Präsidenten bedingend für den Verlauf des Parteikampfes wurde *°). Welches aber der bewegende Geist in der Versammlung sein werde, das ließ sich von den ersten Sihungen an erkennen; schon bei dem Eide auf die Verfaffung (4. Oct.) äußerte Chabot, man dürfe wohl sagen, daß sie nicht die möglichst vollkommene sei). Dies verhallte; aber als die zum Könige gesandte Deputation nicht auf der Stelle, sondern erst nach drei Stunden von diesem empfangen worden war, wurde (5. Oct.) auf Couthon's Antrag beschlossen, die Titel Sire und Majesté nicht mehr zu gebrauchen und dem Könige der Franzosen“ keinen thronartig erhöhten und ge= schmückten Sie in der Versammlung, sondern einen Sessel, gleich dem des Präsidenten und diesem zur Seite gestellt, bereiten zu lassen *2). Die Unwürdigkeit dieses Beschlusses, der den König tief verleßte, wurde von der Mehrzahl empfunden und der Beschluß unter großem Debattenlårm am 6. Oct. zu rückgenommen und in der Sihung des folgenden Tages, wo der König erschien, war freudiger Zuruf laut und vorherrschend. Doch der Friede dauerte nicht lange.

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Die Geschichte der Zeit bis zum jacobinischen Ministerium bietet als Haupterscheinungen dar 1) revolutionäres Zerrúttungsstreben, rastlose Bemühungen der Bewegungspartei und Demagogie, das Bestehende zu untergraben und Thron und Constitution herabzusehen, 2) den Betrieb strenger Maßregeln gegen die eidweigernden Priester, 3) die Umtriebe und Rüstungen der Emigranten und die darauf bezüglichen Verhandlungen und Beschlüsse, desgleichen die zunehmende Spannung mit dem Auslande und das Drången der Gironde zum Kriege, wobei auch die Schärfung der policeilichen Aufsicht im Innern zu beachten ist.

Die revolutionåre Taktik bei den Angriffen auf das Be=

40) Die folgenden Präsidenten, bis zum Schlusse der geseggebenden N.-V., s. in der Zeittafel am Schlusse dieses Bandes.

41) Buchez et R. 12, 47.

42) Daf. 12, 53.

stehende richtete sich abwechselnd bald gegen den König und Hof, bald gegen die Minister, bald gegen die gesehliche Ordnung überhaupt oder im Einzelnen. Auf dem Heerde der Jacobiner glühte es immerfort, noch heißer bei den Cordeliers; in der N.-V. zeigte sich der Wiederschein davon. Was nicht von Deputirten selbst in ihr vorgebracht wurde, kam an sie in Petitionen. Am 19. Oct. wurde beschlossen, Petitionen von Volksgesellschaften anzunehmen; an demselben Tage wurden vier Wachtmeister gehört, die eine Klage gegen den Kriegsminister vorbrachten, und Chabot's Ausruf, die Linientruppen seien bisher nur von Bösewichtern (scélérats) commandirt wor den, von den Tribünen beklatscht *3). Als nun aber am 22. Oct. eine Deputation der „brüderlichen Societåt der Hallen" den Entwurf eines Gesezes gegen die Emigranten vortrug, entspann sich ein lebhafter Streit über die Frage, ob man solchen Petitionen eine Initiative zu Gesehen zugestehen könne, der am 25. fich fortsette. Die beiden Geseße, vom 10. Mai 1791 über Petis tionen und vom 29. Sept. über Volksgesellschaften, wurden außer Kraft gefeßt und in dem Decrete vom 4. Nov. begnügte man sich mit einer äußeren Beschränkung des Petitionswesens, nämlich daß Petitionen blos Sonntags angenommen werden follten. Das heilige Recht der Petitionen" vertheidigten Grangeneuve und Bazire noch am 5. Dec.; zu welchem Unheil es sie selbst führen werde, ahnten seine Fürsprecher nicht.

Mag nun hierin die Tendenz auf Desorganisation nicht als das Grundgetriebe anzuerkennen sein, so offenbart sich der Geist feindseliger Opposition gegen König, Hof und Regierung hinfort in Verkümmerungen der schwachen Ehrfurchtsbeweise, die dem erstern bisher noch zu Theil geworden waren, in Verdächtigungen und Schmähungen gegen die Königin und die Hofaristokratie und in rastlos wiederholten Anklagen gegen Minister und Beamte, womit Vertheidigung Derer, die sich gegen gefeßliche Behörden auflehnten, Hand in Hand ging. Als ક sich das Gerücht verbreitete, der König treffe Anstalten zu einer

43) Moniteur No. 293. Scélérat und brigand, als Wörter der revolutionåren Låsterrede, lassen sich durch keinen deutschen Ausdruck ge= nau wiedergeben.

neuen Flucht, hinderte ihn am 11. Nov. die Schildwache, das Zimmer zu verlassen; die ganze Genugthuung dafür war, daß der Unterofficier, der die Ordre gegeben hatte, kurzen Arrest in der Abtei bekam **). Als am 26. Nov. sich eine Deputation zum Könige begab, behielt der rohe Chabot, einer der Deputirten, in den Zimmern des Königs den Hut auf dem Kopfe. Bei den Debatten über eine Adresse an den Kös nig (15. Dec.) erklärte sich Couthon, unterstüht von Las croir und Grangeneuve, gegen Alles, was den Charakter der Devotion ausdrücke *). Der Beschluß, daß keine Glückwünsche zum neuen Jahre stattfinden sollten (31. Dec.), hatte seine nächste Beziehung auf den König. Als nun, das durch nicht gehindert, eine Deputation der Municipalitåt sich zum Könige begab und ihr nur Ein Flügel geöffnet und ihre Anrede von dem Könige, der beim Billard und unvorbereitet war, nur durch Kopfnicken beantwortet wurde, gab es neuen Unmuth **). Daß nachher (26. Jan.) einer nicht zahlreichen Deputation der N.-V. nur Ein Flügel geöffnet wurde, führte zu Verhandlungen, die damit endeten, daß bei dem Empfange von Deputationen ohne Rücksicht auf die Zahl beide Flügel zu öffnen seien 7). Daran nahm das Volk wenig Theil; um so mehr aber an den Beschuldigungen, daß der König und die Aristokratie gegen die Constitution arbeite, an den Verdächtigungen des Hofes, die damals in den Journalen vorgebracht wurden. Diese nämlich berichteten von Veranstaltungen, Paris auszuhungern *), von einer Verschwörung, den König zu entführen *9), von Umtrieben der Prinzessin Lamballe, der Frau von Staël und ihres Liebhabers Narbonne u. s. w. War Einiges hiervon auch nicht rein gefabelt, so ward es doch durch über

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44) Moniteur No. 323.

45) Buchez et R. 12, 399.

46) Montgaillard 4, 50.

47) Gorsas spottete, die N.-V. håtte beschließen sollen, für 60 Deputirte beide Flügel, für 24 ein Flügel, für 12 oder 6 das Schlüsselloch. Buchez et R. 13, 279.

48) Buchez et R. 12, $18.
49) Das. 13, 45.

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treibung entstellt, und der Ton der Zuversichtlichkeit, den die nur argwohnenden Journalisten annahmen, war eine Fälschung so). Das meiste Gift war in der allerdings wohl gegründeten Behauptung enthalten, daß ein Einverständniß des Hofes mit den Emigranten bestehe. Das argwohnte Jedermann und die die Sache am schlimmsten darstellten, wurden am gernsten gehört. Mit den feindseligsten Blicken wurde auch die neue königl. Garde angesehen 51), wogegen die vormaligen Gardes françaises die Theilnahme für sich als die ersten Helfer der Revolution in Anspruch nahmen 52).

Auch Eingriffe in die constitutionelle Gewalt des Königs blieben nicht lange aus; bei den Debatten über Errichtung eines hohen Gerichtshofes über Staatsverbrechen ward darüber gestritten, ob der Beschluß der Sanction des Königs bedürfe (7-9. Jan. 1792); am 16. Febr. begann die N.-V. sich in unmittelbare Correspondenz mit den Departements zu sehen, ein ungebührliches Überschreiten in den Bereich der ausübenden Gewalt. Wurde nun aber die Waltung der Minister dergestalt beschränkt und durchkreuzt, so hatten sie-einen noch bei weitem schlimmern Stand in der Verantwortung gegen die Anklagen, die sie vor den Schranken der N.-V. zu erscheinen nöthigten. Brissot begann mit einer Anklage des Kriegsministers (28. Oct.)); fie wurde so lange wiederholt,

50) Buchez et R. 13, 69.

51) Sie trat den Dienst erst am 16. März an. Ihre Zusammensegung war allerdings so veranstaltet, daß das Volk sie nicht als ihm befreundet anerkennen konnte.

52) Seitdem sie von der Nationalgarde getrennt und in Gendarmen oder Linienregimenter umgestaltet worden waren (B. 2, Cap. 5, Not. 209), hatten die Chefs mehre derselben entlassen. Darüber führten sie Be= schwerde. Gorsas nahm sich ihrer an. Sein Courrier zeigte an: Les gardes françaises, les prémiers soldats de la liberté, sont, à ce titre, tourmentés, vilipendés par la canaille aristocratique à doubles épaulettes etc. Am 30. Jan. enthielt Gorsas' Courrier eine Proclamation derselben an die pariser Sectionen, worin sie ihre Verdienste vom 12. Jul. 1789 an rühmend und klagend vergegenwårtigten (Buchez et R. 13, 73). Am 14. Febr. beschloß die N.-V., daß den entlassenen ihr Sold fortbezahlt werden solle.

53) Buchez et R. 12, 281.

bis Duportail (2. Dec.) seine Entlassung nahm. Indessen hatte auch Delessart sich stellen müssen (18. Oct.) und Anklagen gegen ihn dauerten fort und wurden heftiger und feindselis ger, seitdem er (29. Nov.) statt des Innern die auswärtigen Angelegenheiten besorgte. Aus diesen Anklagen und dem Argwohn gegen die Minister überhaupt ging das comité de surveillance, auch commission des Douze genannt, hervor, welches am 25. Nov. eingeseht wurde. Um so häufiger mußten nun die Anklagen werden. Bertrand de Moleville wurde wegen seiner Lüge, es seien keine Seeofficiere ausgewandert, hart angegriffen (5. Dec. ff.) und seine Sache im Januar und Februar 1792 verhandelt: doch grade ihm, dem Schuldigsten, wußte man nicht recht beizukommen: er ward freigesprochen **). Feindseliger waren die gegen den neuen Kriegsminister Narbonne (ernannt am 7. Dec.) gerichteten Angriffe; hier wirkte die Sorge vor den Emigranten und dem Auslande und der Argwohn, Narbonne meine es nicht redlich mit der Heeresrüstung. Am schonendsten war man gegen Cahier de Gerville, den Minister des Innern nach Deleffart, gegen den Justizminister Duport du Tertre und den Finanzminister Tarbé, unter dem schon damals Cambon die Seele des Fis nanzwesens war. Der hohe Gerichtshof für Staatsverbrechen (haute cour nationale) wurde am 17. Jan. zu Orleans beftellt und bald füllten sich die Gefängnisse daselbst 5).

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Einen schlimmeren Charakter als diese Reibungen an den Hochgestellten, die schon das Bestreben der Girondisten, fich in die Ministerien einzudrängen, durchblicken lassen und bei ihnen dies, nicht aber den Umsturz des Throns, zum Ziel hatten, trugen die Fürsprache und Straflosigkeit, auf welche jegliche Widerseßlichkeit von revolutionår gesinnten Individuen oder Massen gegen geseßliche Ordnung und Behörden bei der N.-V. rechnen konnte. An die Machthaber Frankreichs gelangte eine dringende Mahnung, das Ansehen des Geseßes mit

54) Die Journale nahmen es übel und machten Die, welche für Bertrand gestimmt hatten, namhaft als faux amis du peuple et de la justice. Buchez et R. 13, 90.

55) Buchez et R. 13, 78. Mém. de Ferrières 3, 46.

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