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von Chartres 256), blieben im Club; der erstere ward einer der Secretåre 257. Mit den Feuillans vereinigten sich die meisten Mitglieder des Clubs von 1789 258). Die Zahl der Mitglieder war bei weitem größer bei den Jacobinern, denen die Masse getreu blieb; der Feuillans waren im September nur 56259). Es kam nun darauf an, welcher von beiden Clubs die in der Hauptstadt und den Provinzen bestehenden jacobinischen und derartigen Gesellschaften für sich zu gewinnen vermögen würde. Die Cordeliers, deren Håupter, Danton, Camille Desmoulins u. s. w., eifrige Mitglieder auch des Jacobis nerclubs waren, und die von ihnen abhängigen Gesellschaften der Hauptstadt blieben im Gefolge des lehteren; - die Feuillans würden die Genossenschaft mit ihnen verschmäht haben. An die Provinzialclubs sandten Jacobiner und Feuillans Adressen aus; nur vier von jenen traten unbedingt zu den Feuillans, hundert zu den Jacobinern, die übrigen stimmten für Wiedervereinigung; jedoch bald mehrte sich der Anhang der Jacobiner durch übertritt einer großen Zahl der lehtern und auch neugestifteter Clubs; noch vor Ende der N.-V. wurden der jacobinischen Schwester- und Töchterclubs an 600 gezählt 260). In revolutionårer Bearbeitung des Volks waren die Jacobiner den Feuillans voraus, die sich von einem gewissen vornehmen Wesen nicht losmachen konnten; sie sehten z. B. einen Preis für das beste Volksbuch aus und krönten den von Collot d'Herbois verfaßten Almanach des „Vater Gerard“ 261); auch

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256) Man rühmte diesen eben damals als Lebensretter zweier Pers fonen, die in Gefahr zu verunglücken gewesen waren. Buchez et R. 11, 481. Camille Desmoulins, Révolut. de Fr. No. 56 veranschaulicht durch ein Kupfer, wie der vormalige Herzog v. Chartres einem Kranken im Hotel-Dieu zur æder läßt. Sehr günstig äußert sich Brissot, Mém. 1, 338. 339 über ihn: die Einstimmigkeit in seinem Lobe läßt erkennen, daß er nicht bloß einer Partei werth war.

257) Buchez et R. 11, 475.

258) Daf. 11, 258.

259) Daf. 11, 480.

260) Daf. 11, 154. 481.

261) Daf. 11, 483. Eine Analyse dieses Almanachs f. b. denf. 12, 369 fg.

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fuhren fie fort, über Fragen, die in der N.-V. vorkamen, zu verhandeln: doch in der N.-V. dominirten die Feuillans unterstüßt von den Gemäßigten, und die bisherige Linke stimmte, bis auf die Jacobiner der neuesten Gestaltung, Robespierre u. s. w., mit jener. Eine gänzliche Auflösung der Clubs war nach der Constitution nicht zulässig, auch waren die Feuillans nicht gesonnen, eine Waffe gegen sich selbst zu schmieden; zur inneren Auflösung des gefährlichen Charakters der anarchistischen Clubs konnte aber durch ein Geseß wenig oder gar nichts geschehen: so wurde denn das von Chapelier am 29. Sept. vorgeschlagene Gefeß ein halbes und unkräftiges: es beschränkte fich darauf, den Volksgesellschaften die politische Eristenz zu entziehen und ihr Auftreten als Genossenschaften gegen constitutionelle Behörden und Autoritäten, ferner Deputationen und Petitionen unter einem Gesammtnamen, selbst bei öffentlichen Feierlichkeiten oder wo es sonst sein möchte, zu untersagen. Das Übrige, schließt Chapelier's einleitender Bericht, solle dem Einflusse der Vernunft und der Sorgsamkeit des Patriotismus überlassen sein 262). Schwerlich mochte Chapelier, als er dies aussprach, ganz von Sorge vor der Zukunft frei sein.

Wenn die Freunde der Constitution in der N.-V. auf das, was sie gethan und geschaffen hatten, einen Rückblick warfen, wenn sie den geistigen Gehalt der von der N.-V. erlafse= nen dritthalbtausend Decrete schäßten, so konnten sie nicht ohne Selbstbefriedigung sein; wenn sie aber die thatsächlichen Zustånde in Frankreich ins Auge faßten, mußten sie gestehen, daß diese, bei aller Trefflichkeit der Formen neuer Verfassung und bei dem Frohlocken freier Bürger, von materieller Wohlfahrt weit entfernt waren; wenn sie die Stimmung der Gemüther unbefangen prüften, so mußten ihnen aus der Widerseßlichkeit oder dem verbisssenen Grolle der Anhänger der alten Ordnung der Dinge, aus dem anarchistischen Treiben der Demagogie, der Beweglichkeit und Reizbarkeit der französischen Nation und der Ruchlosigkeit des Pöbels schwere Bedenken aufsteigen, ob ihr Werk, das nicht in historischem Boden wurzelte, sich gegen neue revolutionåre Bewegungen werde behaupten können. Als

262) Duvergier 3, 516.

einen unheilvollen Rathschluß mußte Jeder erkennen, daß die Urheber sich verpflichtet hatten, von ihrem Werke nach dessen Vollendung abzutreten; als trüglichen Wahn das Vertrauen derselben, das Volk werde bei dem Princip, daß ihm die Sous verånetät zustehe, sich in gemessenen Schranken gegen das zur bloßen Beamtschaft erniedrigte Königthum halten, die gesehge= benden Versammlungen, in Eine Kammer vereinigt, gegen Übereilung und verderbliche Parteiung verwahrt bleiben, der Patriotismus werde den Sinn des Volks befruchten, eine ungebührlich beschränkte Throngewalt werde zum Heil des Staates thatig sein und mit der Constitution sich behaupten können, die gefeßgebende und ausübende Gewalt werde durch gegenseitige Mäßigung und patriotischen Gemeinsinn in dem rechten Verhältnisse zu einander bleiben. Die Bewegungspartei hatte gefehlt durch rücksichtslose Zerstörung, ihre Gegner und der Hof durch unzeitigen, unverständigen und ungeschickten Widerstand; in einer gewissen Zeit zwar galt von den Bestrebungen der erstern, was Justus Möser sagt: „will man einen krummgebogenen Stock gerade haben, so muß man ihn erst nach der andern Seite hin krůmmen"; aber sie war zu weit gegangen, fie konnte auf die rechte Mitte nicht zurückkommen. Der vorurtheilsfreie und gerechte Urtheiler wird, wenn er die Fehlgriffe der N.-V., die wurmstichigen Früchte der Leidenschaft, des Parteigeistes, der hohlen Theorie mit dem rechten Maße mißt und die schwachen Seiten der in die Luft gebauten und schlecht gestüßten Constitution angreift, nicht außer Acht lassen, daß auch die leichte Mühe des Niederreißens, wo die N.-V. nur dem Enthusiasmus und zum Theil dessen unlauterem Halbbruder, dem Fanatismus, folgte, Frankreich von den wüsten Formen eines Unstaats, dem der Geist der Nation entwachsen war, befreite, daß die Beseitigung der Willkür der Throngewalt, einer monströsen, ihrer vielfachen Gliederung nicht mächtigen und sich selbst hemmenden Verwaltung mit Kaufåmtern, nicht minder der irdischen Reichthümer, der mönchischen Auswüchse und Intoleranz eines auf geistige Heilsordnung der Nation angewiesenen Standes, der ungebührlichen und der Humanität und Gerechtigkeit widerstrebenden Privilegien der Feudalität, einer unförmlichen und barbarischen Justiz, burch

die bloße Negation deffen, was dem Gedeihen des Volkes und Staates widerstand, eine Wohlthat wurde. Dennoch kann die Waltung der N.-V. nur nach dem beurtheilt werden, was sie dafür aufbaute, und hier fallen, in die Wagschale ihres Verdienstes die Begründung eines rechten Staatsbürgerthums, Befähigung des Staatsbürgers ohne Unterschied des Glaubens, Standes und Gewerbes zu politischen Rechten und Ämtern, Unterordnung Aller, ohne Ansehen der Person und des Standes, unter gemeinsame Normen für Staatslast und Strafe, Berechtung und Verpflichtung zum Waffendienste für den inneren Frieden, Glaubens und Preßfreiheit, Heiligkeit des Briefgeheimnisses, durchgreifende und gleichartige Eintheilung des Reichs und ihr gemäße Organisation der Verwaltungsbehörden, centralisirende Vereinfachung des Regierungsorganismus und doch bedeutsame Competenz der landschaftlichen und der Communalbehörden; Verantwortlichkeit der Minister, Trennung der richterlichen Gewalt von der administrativen, Einfehung von Geschwornen und Friedensrichtern, Vermehrung des Staatsvermögens durch die Güter des Klerus, Eröffnung der reichsten Quellen des Nationalwohlstandes durch die Veråußerung jener an die Bürger und durch Aufhebung der Ungleichheit des Erbrechtes, Belebung der Gewerbsthätigkeit durch Einführung der Patente u. f. w. Von diesem Reichthum heilbringender Institute hat eine hinreichende Zahl alle nachfolgenden Revolutionsstürme überdauert und der constitutionelle Continent Europas, bei dem dergleichen Eingang gefunden, hat mit dem heutigen Frankreich der constituirenden N.V. nicht ohne Anerkennung ihrer schöpferischen Thätigkeit zu gedenken. Bei dem Blicke auf die nächstfolgende Zeit Frankreichs aber ist nimmer zu vergessen, daß eine Verwahrung der Constitution gegen Angriffe, wie bald nachher gegen sie geschahen, aus bloßen Ahnungen nicht hervorgehen konnte: wer aber die ungeheure Schuld der Jahre, wo die Revolution in blutdürstigen Wahnsinn verfiel, auf die erste N.-V. zurückzuwälzen versucht wird, kann schwerlich anders, als zu dem Geständniß kommen, daß bei dem Zurückgehen von den Wirkungen auf die Ursachen, wo es mancherlei Mittelglieder gibt, das Urtheil über die Zurechnung schwankend werde und diese zu bestimmen allein Gott

zu überlassen sei. Mindestens liegt es außer der menschlichen Natur, bei der Hervorbringung eines Werkes, deffen Princip in der Hauptsache sich auf Patriotismus und auf Vernunft stüßt, so infernale feindselige Mächte, als die Zeit des Terrorismus hervorbrachte, auch nur zu ahnen und darnach Handlung und Werk einzurichten.

Die N.-V. beschloß ihre Sizungen am 30. Sept.; der hochsinnige Thouret sprach die Schlußworte. Das Volk hatte feinen Blick schon der aufgehenden Sonne zugewandt; es war ihm nicht unlieb, die bisherigen Machthaber abtreten zu sehen. Von diesen aber wurden Robespierre und Petion bei dem Austritte aus der N.-V. durch bedeutsamen Zuruf der jacobinisch gestimmten Menge begrüßt 263). Das war die Äußerung des Parteigeistes; aber zugleich die Ankündigung, daß dieser dem Gemeingeiste die Spize bieten und in der Hauptstadt die Werkzeuge auch zum gewaltsamen Umsturze des kaum ins Leben getretenen jungen Staatswesens, dessen Seele der Gemeingeist sein sollte, finden würde. Bald nach dem Schlusse der N.-V. schieden aus ihren Ämtern Bailly und Lafayette. Unter den Wahlherren von Paris war Danton; im Vertrauen auf seinen öffentlichen Charakter hatte er einer privatrechtlichen Verfolgung mit glücklichem Succeß Trok geboten 26*); er steht neben Robespierre in der Vorhalle zur Geschichte der fol= genden Zeit als eine unheilverkündende Erscheinung. Gegenüber stehen an den Grenzen die Emigrantèn als eine von außen drohende feindselige Macht. Ein Brief der beiden Brüder des Königs vom 10. Sept. mit Zusicherung der Hülfe Östreichs und Preußens zur Aufrichtung des Throns und ein zweiter von Condé und dessen Sohne und Enkel mit der Bes theuerung, daß sie eher sterben als den Triumph des Verbrechens, die Erniedrigung des Throns und den Umsturz der Monarchie sehen wollten 265), gab der Demagogie die Waffen in

263) Bertr. de Molev. 5, 271. Brissot, Mém. 4, 118.
264) Moniteur No. 258. 259. 261. Buchez et R. 11, 472.
265) Moniteur No. 266. Bertr. de Molev. 5, 341:

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