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Menschen in Anspruch genommen hatte, wurde gehångt und, als die Farbigen an die Versammlung eines Kirchspiels eine Denkschrift mit der Bitte um Rechtsbewilligungen gerichtet hatten, wurde der Verfasser derselben, Ferrand, ergriffen und nach einem unförmlich übereilten Gerichte enthauptet 233). In der N.-V. kam nun das Verhältniß der Farbigen zur Sprache. Maury, dessen Absicht war, die N.-V. in ein böses Dilemma zu bringen 234), drang am 4. März 1790 darauf, daß die Frage über Abschaffung des Sklavenwesens entschieden werde. Alex. Lameth mahnte ab von übereilung, auch Cazalès begehrte zuvörderst Sicherstellung der Colonien. Die Humanität und der Liberalismus kamen in Conflict mit den gebieterischen Anforderungen der Politik. Als nun im Namen des Colonialcomité Barnave am S. Mårz den Interessen der leßteren in einem ungemein geschickten und trefflich durcharbeiteten Vortrage das Wort redete, fand dieser fast einstimmigen Beifall bei der N.-V. und so erfolgte das Decret, welches die Colonien autorifirte, Vorstellungen in Betreff der von ihnen gewünschten Verfassung zu machen, Colonialversammlungen guthieß und das gesammte bisherige Benehmen der Pflanzer für tadellos erklärte. Eine Instruction ward dem Decrete am 28. März beigefügt 235). Der Farbigen war nicht gedacht worden, der zweideutige Ausdruck in der Instruction,,,alle Personen von mehr als 25 Jahren" sollten an den Versammlungen Theil nehmen, war ermunternd für jene, wiederum aber war in der Belobung der Pflanzer genug gegen jene gesagt. Damals trennten sich Brissot und überhaupt die jacobinischen Freunde der Schwarzen von Barnave und den Patronen der Pflanzer; Barnave und Brissot wechfelten Streitschriften 236), die Spaltung bei den Jacobinern ward wesentlich durch diesen Streit gefördert. Indessen waren die Pflanzer selbst nicht durch das Decret vom 8. März zufriedengestellt und von ihrer insurrectionellen Stellung abgebracht wor

233) Moniteur 1790, No. 258. Lacroix 1, 19. Deux amis 4, 294.

234) Lameth 2, 21.

235) Moniteur 1790, No. 68. Duvergier 1, 133. 157.
236) Buchez et R. 8, 74.

den; vielmehr bildete sich eine Versammlung zu S. Marc mit dem Titel Generalversammlung und erklärte, daß sie nimmermehr politische Rechte mit einer entarteten Race von Bastarden theilen werde, entwarf am 28. Mai die Grundzüge einer Constitution für Domingo, feßte Comités ein und forderte den Statthalter vor ihre Schranken. Des Lestern Schwäche erhöhte ihre Anmaßlichkeit 237). Die Zustände auf Domingo wur den noch verwirrter, als des Statthalters Intriguen die Caplandschaft von der Generalversammlung abtrůnnig machte und als der entschlossene Oberst Mauduit am 29. Jul. die lettere mit bewaffneter Hand auseinandersprengte, ohne daß doch der Westen und Süden entwaffnet werden konnte: die Parteien standen gerüstet einander gegenüber 238). Indessen zunächst versuchten die Insurgenten von S. Marc nochmals von der N.-B. ein ihnen günstiges Decret zu erlangen; såmmtliche Mitglieder der Generalversammlung, 85 an der Zahl, kamen im Unfange des October nach Paris 239). Dies gab Anlaß zu einem Berichte des Colonialcomité und auf dessen Grund erklärte die N.-V. am 12. Oct. alle Beschlüsse der Colonialversammlungen für null und nichtig 240). Uuf Domingo aber wurde die Zerrüttung von zwei Seiten her verschlimmert. Der talentvolle Mulatte Ogé 241), aus Frankreich zurückgekehrt, wiegelte die Farbigen auf, zu den Waffen zu greifen: dieses Aufstandes zwar wurden die Weißen bald mächtig, Dgé wurde ergriffen und gerådert und 29 seiner Genossen gehängt 242). Nun aber brach eine Meuterei unter den Truppen aus und Mauduit wurde am 2. März 1791 ermordet 243). Die Aufmerksamkeit der N.-V. richtete sich hiernächst mehr auf Befestigung der Weißen in ihrem Rechte gegen die Farbigen als auf Durchführung strenger

237) Lacroix 1, 32 fg.

238) Ders. 1, 46.

239) Moniteur No. 278.

240) Monit. No. 286. Duvergier 1, 465.

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241) Moniteur No. 363 Anfang, und Barnave's Bericht in der Sig. v. 23. Jan. 1791.

242) Lacroix 1, 62.

243) Ders. 1, 69.

Wachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter. I.

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Maßregeln gegen ihre Usurpationen im Verhältniß zum Mutterlande. In diesem Sinne war der Bericht Delatre's vom 7. Mai 2**) abgefaßt, nach welchem den Colonialversammlungen die Initiative zu Anträgen über Personenrecht auf der Insel zustehen sollte. Er gab Anlaß zu heftigen Debatten 245). Barnave, Clermont-Tonnerre und Biauzat erklärten fich für den Antrag; aber Gregoire, Robespierre und Rewbell wurden Fürsprecher der Farbigen, und wenn auch Gregoire's und Robespierre's Reden die N.-V. nicht bestimmt haben mögen, so war doch die Meinung in dieser und überhaupt in Frankreich den Pflanzern nicht günstig; man hatte gegründetes Vorurtheil gegen fie, als Schwelger und: Praffer; das hierbei aber zugleich in Betracht kommende Interesse des französischen Handelsstandes hatte nur wenige eifrige Vertreter. Dupont von Nemours sprach das berufene Wort: möchten auch die Colonien zu Grunde gehen, man müsse doch consequent im Princip bleiben, worauf Robespierre einen ähnlichen Saß aufstellte und daher gewöhnlich als Der` genannt wird, von dem jenes Wort ausgegangen sei 246). Als nun Rewbell vorschlug, alle von freien Eltern erzeugte Farbige als Vollbürger anzuerkennen, wurde dies am 15. Mai 1791 decretirt. Vergeblich bemühten sich Barnave und seine Partei, das von diesem Beschlusse zu erwartende Unheil dadurch aufzuhalten, daß sie die Absendung des Decrets verzögerten; Kunde davon kam bald nachher nach Domingo, Gregoire sandte an die Farbigen eine Ermahnung, sich des Bürgerthums würdig zu machen 247); als aber die Weißen mit der hartnäckigsten Opposition unter Verwünschungen des Mutterlandes sich gegen den Beschluß (stråubten 248), war die Empórung der Farbigen entschieden. Ohne 244) Moniteur No. 128. 129.

245) Daf. No. 132-136.

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246) Dupont: Si toutefois cette scission devait avoir lieu, s'il fallait sacrifier l'intérêt ou la justice, il vaudrait mieux sacrifier les colonies qu'un principe. Darauf Robespierre: Périssent les colonies! s'il doit vous en coûter votre bonheur, votre gloire, votre liberté. Je le répète, périssent les colonies etc. Monit. No. 135, G. 558, 560. 247) Edwards 1, 137.

248) Lacroix 1, 81. 83.

die Neger waren sie zu gering an Zahl, nicht über 17,000; der Negersklaven aber gab es über eine halbe Million auf Domingo; ihnen wandten sich die Farbigen zu und fanden sie um so williger, da die Losung Freiheit und Gleichheit" auch ihnen nicht unbekannt geblieben war. Am 22. Aug. begann, der Aufstand 249); an 3000 Mann sammelten sich bei der Capstadt, an 100,000 Mann überhaupt, angeführt von François und Biassou, wandten sich gegen Person und Besißthum der Pflanzer. Bewiesen sich die Neger nicht eben wacker im Gefechte, so wütheten fie um so gråßlicher mit der Brandfackel; bald lagen über tausend Pflanzungen in Asche; die Weißen, welche in ihre Hände fielen, endeten ihr Leben unter gråßlichen Martern. Biassou zeigte sich als ein Ungeheuer. Die Weißen wurden nachgiebig und am 11. Sept. kam zwischen ihnen und den Farbigen ein Concordat zu Stande 250), nach welchem den Lehteren dieselben Rechte als den Weißen zu Theil werden sollten. Es war zu spät; der an die Neger ergangene Aufruf hatte Alles aus dem Gleise gebracht. Am wenigsten konnte ein Decret der N.-V. zur Beruhigung der Gemüther oder gar zur Herstellung der vormaligen Standesverhältnisse führen. Dieses aber betrieben Barnave und seine Freunde, als die Sache wieder zur Verhandlung kam; dagegen kämpften mit steigender Erbitterung die Freunde der Schwarzen für Behauptung des Decrets vom 15. Mai. Robespierre war ihr Wortführer; am 5. Sept. bezeichnete er in einer giftschwangern Rede Barnave, Lameth u. s. w. als Verråther; als am 23. Sept. Barnave einen Geseßentwurf vorlegte, wodurch Ungleichheit der Rechte von Weißen und Farbigen erklärt werden sollte, hielt Robespierre am 24. Sept. eine gut motivirte Rede, überhaupt eine der besten von allen, die er gehalten 25); doch fiegte Barnave's Ansicht, unterstüßt durch die damals in der N.-V. mächtige Partei der Feuillans, und die N.-V. decretirte am 24. Sept., daß sie es der nächstfolgenden N.-V. überlasse, die Verhältnisse der Colonien zum Mutterlande zu

249) Lacroix 1, 89. Bericht des Statthalters Buchez et R. 12, 296. 250) Buchez et R. 12, 301.

251) Daf. 11, 460 fg.

bestimmen, daß es aber den Colonialversammlungen zustehen sollte, über die Rechte der Personen in den Colonien Beschlüsse zu fassen 252). Also war das Schicksal der Farbigen und Neger wieder in die Hand der Pflanzer gelegt. Die N.-V. konnte sich schwerlich verhehlen, daß ihr Schwanken und Widerruf, mochte auch zur Unterstüßung ihres lehten Beschlusses Mannschaft und Kriegsbedarf nach Domingo gesendet werden, die Ruhe herzustellen nicht geeignet sei. Die Pflanzer freilich hatten kaum Nachricht von demselben, als sie das mit den Farbigen geschlossene Concordat für ungültig achteten und zu halten sich weigerten nun aber brach der Krieg der Sklaven mit allen seinen Schrecknissen aus. Von ihm zu erzählen gehört einem spåtern Abschnitte dieser Geschichte an.

Am Tage vor ihrer Auflösung gedachte die N.-V. der Clubs; ein Gesez sollte zur Verwahrung der Constitution gegen daher kommende revolutionåre Bewegungen dienen. Die N.-V. fühlte, daß sie hier eine Pflicht zu erfüllen habe; sie konnte aber das Versäumte nicht gutmachen. Die Jacobiner hatten sich wieder organisirt und scharf von den Feuillans geschieden. Dies vor Allem auf Robespierre's Betrieb, der von nun an als der bewegende Geist des Jacobinerclubs erscheint. Er entwarf schon am 18. Jul. eine Rechtfertigungsschrift an die N.-V. 253), er hintertrieb die von einigen Mitgliedern des Clubs versuchte Aussöhnung mit den Feuillans gleich in den ersten Tagen nach der Trennung; ein spåterer von Sillery gemachter Versuch zur Sühne mislang, da die Feuillans eine spróde Erwiderung gaben 254). Es wurde eine Revision der vorhandenen Mitglieder des Jacobinerclubs angestellt und am 3. Aug. die erste Sigung des neuconstituirten Clubs gehalten. Die bedeutendsten unter den damaligen Jacobinern waren, außer Robespierre, Petion, Buzot, Gregoire, Roederer, Brissot, Collot d'Herbois, Dufourny, Lanthenas, Royer; Laclos trat aus 255), aber Orleans und sein Sohn, der vormalige Herzog

252) Duvergier 3, 400.

253) Buchez et R. 11, 146.
254) Daf. 11, 151. 480.

255) Daf. 11, 150.

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