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men von den leßten Unruhen und den dabei augenfällig gewesenen Wirkungen der anarchistischen Blåtter Anlaß, Geseße zur Beschränkung derselben bei der N.-V. auszuwirken. Das Directorium des Departements richtete am 26. Apr. an die N.-V. das Gesuch, sie möge zur Unterdrückung des Geistes der Anarchie, insbesondere der Preßfreiheit, ungesåumt das Strafgesetz= buch ausarbeiten und auch das Recht zu Petitionen und Affichen feststellen 35). Während die Gesezentwürfe dazu vorbes reitet wurden, kam am 27. und 28. Apr. die Organisation der Nationalgarden zur Sprache und die äußerste Linke drang darauf, daß auch Nichtactivbürgern der Eintritt in diese vers stattet sein solle: das erlangte sie nicht, dagegen eine Verordnung (1. Mai), daß es den Soldaten außer der Dienstzeit erlaubt sein solle, unbewaffnet an friedlichen Bürgerversammlungen Theil zu nehmen, was einzelne Befehlshaber verhindert und dadurch Unruhen hervorgerufen hatten 36). Dieses Decret priesen die Demagogen, und der Erfolg, das steigende Mistrauen der Soldaten gegen ihre Officiere, bestätigte, daß sie ihre Rechnung dabei gefunden hatten. Die Soldaten des Regiments Dauphiné sehten bald nachher alle ihre Officiere ab 37). Nun wurde (9. Mai) von Chapelier der Entwurf zu einem Gefeße über die Petitionen und Affichen vorgelegt 38): benslaufs find vil courtisan, fourbe consommé, adroit fripon, conspirateur musqué, monstre atroce Lafayette's Epitheta; weiterhin heißt es: Tout ce que la dissimulation, l'hypocrisie, la flagornerie, l'astuce, la fourberie, la trahison et la perfidie peuvent inventer de plus funeste, il le mit tour à tour en usage contre ses aveugles et trop crédules concitoyens. Das Schuldregister, das Marat zusammenstellt, ist so abenteuerlich und zugleich so boshaft, daß, wenn Marat selbst daran glaubte und Manche haben Marat für durchaus aufrichtig seine firen Ideen an Verrücktheit grenzten und in ihm mindestens ein gråßlicher Narr anzuerkennen ist. Buchez et R. 10, 236 legen ihm bei la pensée constante du bien; ihr Urtheil über die Revolution ist wohl von ihrer Materialiensammlung zu unterscheiden.

gehalten

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35) Buchez et R. 9, 273. Révolut. de Par. 8, 119.

36) Buchez et R. 9, 340. 345. Moniteur No. 120, Ende. Duvergier 2, 423.

87) Moniteur No. 153, v. 2. Jun.

38) Moniteur No. 181. 182. Buchez et R. 10, 1 fg.

das Recht zu Petitionen sollten nur Activbürger, zu Affichen nur Behörden haben. Jenes, das in den nächstfolgenden Jahren eine ungemeine Wichtigkeit erhielt, wurde zuerst erörtert. Robespierre nahm es für Jeglichen in Anspruch; so gut wie diesmal hatte er noch nicht gesprochen 39). Er kam am 10. Mai wieder zum Angriffe und äußerte, als mehrmaliges Murren ihn unterbrach, abermals Empfindlichkeit *°), nicht ungestört reden zu können, eine Eigenschaft, die mit seinem zähen Redefanatismus so oft bei ihm hervortrat und ihm Geltung schaffte, da er sich immer darauf berief, für heilige Rechte des Volkes zu reden. Seltsamer Weise unterstüßte Maury Robespierre's Votum. Der Entwurf wurde umgestaltet und das Recht der Petition jedem Individuum zuerkannt, aber Genossenschaften aller Art untersagt: ein Zusak, den Buzot lebhaft, doch úmsonst, bestritt; endlich sollten Versammlungen der Bürger einer Commune nur Angelegenheiten der lehtern betreffen dürfen. Demnächst kam am 10. Mai die Verhandlung auf das Recht zu Affichen, und hier wurde nach kurzer Debatte beschlossen, daß Bekanntmachungen von Behörden ausschließlich an zu bes stimmenden öffentlichen Orten angeschlagen werden, außerdem, daß Anschläge von Bürgern mit den Namen der Verfasser, nie aber mit einem Collectivnamen unterzeichnet sein, auch nicht den Titel Beschluß (arrêté). oder sonst eine verpflichtende oder

39) Plus un homme est faible et malheureux, plus il a besoin du droit de pétition: et c'est parcequ'il est faible et malheureux que vous le lui oteriez Dieu accueille les demandes non seulement des plus malheureux des hommes, mais des plus coupables etc.

40) Je demande à M. le président, une fois pour toutes, que l'on ne m'insulte pas continuellement autour de moi, lorsque je défends les droits les plus sacrés des citoyens. Buchez et R. 10, 10. Ebenso zeigte er sich am 31. Aug. Als gemurrt wurde, während er redete, rief er: Je vous prie, M. le Présid., d'ordonner à M. Duport de ne pas m'insulter, worauf mehre Stimmen versicherten, daß Duport nichts geäußert habe. Buchez et R. 11, 391. 3war behauptet Montlosier, Mém. 2, 201, Duport sei auf die Rednerbühne zugeschritten und habe Robespierre mit Worten und Gebehrden insultirt: aber dies mag wol nur für eine Amplification der Worte Robespierre's zu achten sein. Vgl. oben Cap. 2, Not. 87.

gebietende Form haben sollten 11). Ein mit den Verwahrungen gegen unbefugte und anmaßliche Übung des Petitionsrechts verwandtes Verbot vom 14. Jun. gegen Erneuerung von Handwerkervereinen wurde veranlaßt durch das bedrohliche Zusammentreten von Handwerkern zu Verabredungen über Arbeitslohn u. s. w. 42). Die Abfassung eines Preßgefeßes wurde abermals aufgeschoben.

Die Arbeiten der N.-V. schienen troß ihrer unermüdlichen Thätigkeit immer noch nicht so bald sich dem Ende zu nahen. Bald nach Mirabeau's Lode ward sie beschäftigt mit einem Geseze über Intestaterbfolge, wozu der oben erwähnte, von Mirabeau hinterlassene Auffah die Grundlage gab; trok des eifrigen Protests, den Cazalès am 5. Apr. erhob, wurde decretirt, daß alle bisherigen Vorrechte nach Alter, Geschlecht und anderem Herkommen bei Intestaterben aufhören sollten 13). Darauf folgten (8—27. Apr.) die Debatten über Organisation der Ministerien; die Zahl derselben wurde, wie schon thatsächlich bestand, auf sechs bestimmt "), dem Könige die Wahl der Minister überlassen, diese für alle Beschlüsse des königl. Raths verantwortlich, die Gültigkeit einer königl. Verordnung von der Contrefignatur des Ministers, den die Sache anginge, abhängig gemacht, das Gehalt des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten auf 150,000 L., der übrigen auf 100,000 L. gesett *). Ein Decret vom 23. Upr. bestimmte das bei Ablegung von Finanzrechnungen zu beobachtende Verfahren. (Die pariser Oberrechnungskammer [chambre des comptes] wurde

41) Duvergier 2, 445.

42) Buchez et R. 10, 102. 113. 193 fg. Duvergier 3, 25.

43) Am 8. Apr. Duvergier 1, 348: Toute inégalité ci-devant résultant, entre héritiers ab intestat, des qualités d'aîné ou de puiné, de la distinction des sexes ou des exclusions coutumières, soit en ligne directe, soit en ligne collatérale, est abolie. Mirabeau's Aufsag und die folgenden Debatten f. Buchez et R. 9, 282 fg. 311.

44) Ministre de la justice, de l'intérieur, des contributions et des revenus publics, de la guerre, de la marine, des affaires étrangères.

45) Buchez et R. 9, 327. Das Decret vom 27. Apr. f. 6. Duvergier 2, 408.

am 4. Jul. aufgehoben.) Daran schlossen sich die schon erwähnten Verhandlungen über das Recht zu Petitionen und Affichen und über die Nationalgarde. Noch war viel zu thun übrig; indessen die N.-V. sah ihre eigentliche Aufgabe als größtentheils gelöst an und dachte an die Berufung einer gesebgebenden N.-V. Früherhin hatten die Royalisten mehrmals Auflösung der N.-V. und zugleich Ausschließung der Mits glieder der gegenwärtigen N.-V. von der nächsten begehrt: jezt war dies Parteiberechnung mehrer Deputirten von der Linken; ihs ren Plånen waren die Constitutionellen so gut als die Royalisten im Wege; ihre Hoffnung ging dahin, daß durchaus neue Wahlen eine Majoritåt von Männern ihrer Ansicht ergeben würden. Robespierre führte das Wort gegen den Vorschlag, daß ein Theil der abgehenden N. - V. zur folgenden wiedergewählt werden solle, und er, der ungroßmüthigste Mensch der N.-V., vermochte es, die Deputirten fast insgesammt zu einem unbedachten Entschlusse der Großmuth zu bestimmen; fast einstimmig wurde am 16. Mai die Ausschließung der Mitglieder der gegenwärtigen N.-V. von der folgenden decretirt 46). Nachher wurde noch über den Sihungsort der geseßgebenden Versammlungen debattirt; Maury protestirte gegen Paris und berief sich auf die Stimme von 21 Departements, richtete aber, da ihm schriftliche Beweise mangelten, nichts aus; die Bestimmung des Orts wurde der nächsten Versammlung freigestellt 7). Darauf wurde am 27. Mai das Schreiben zur Berufung der Wahlversammlungen erlassen, wobei Robespierre nochmals Protest gegen das Geseß erhob, welches die Wählbarkeit zum Deputirten von dem Steuerbetrage einer Mark Silbers abhängig machte. Nachträglich wurde das zu am 9. Jun. noch beschlossen, daß Niemand, der sich im Dienste eines Individuums befinde, auch kein Verwaltungsbeamter, Richter und Befehlshaber der Nationalgarde wählbar sein solle **). Auch die Ausmittelung der für den Abkauf guts

46) Moniteur No. 137. 138. 139. Buchez et R. 10, 23. Ferrières 2, 78.

47) Moniteur v. 19. Mai, No. 141.

48) Moniteur v. 28. Mai, No. 149, und v. 10. Jun., No. 161. Wachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter I 21

herrlicher Feudalrechte zu gewährenden Vergütungen beschåftigte die N.-V. noch zu wiederholten Malen; nach mehren umständlichen Decreten brachte das am 15. Jun. erlassene die Sache großentheils aufs Reine *9).

Nun gab die dringende Vorstellung des Departementsdirectoriums und der Municipalitåt Anlaß zu Abfassung eines Strafgesetzbuches. Lepelletier war Berichterstatter am 23. Mai 50). Hauptfrage bei der am 30. Mai eröffneten Debatte ob die Todesstrafe fortbestehen solle? Viele Stimmen, auch Robespierre's, waren dagegen; doch entschied sich die N.-V. am 1. Jun. für Beibehaltung derselben; nur sollte die Hinrichtung möglichst schmerzlos und blos die Vorbereitung dazu, das „Appareil", bei schwerern Verbrechen schauerlicher sein. Enthauptung allein sollte bei Todesstrafe angewandt werden. Nachdem in langgedehnter Debatte während der ers sten Hälfte des Junius "1) über Rehabilitation Verurtheilter, über die Verbrechen gegen die Sicherheit des Staats verhandelt, und dem Könige am 4. Jun. das Begnadigungsrecht abgesprochen worden war, trat eine Unterbrechung ein, und erst nach der Flucht des Königs wurde das Strafgesek vollendet.

Noch mag die Wiederholung eines Policeigesehes für die innere Ruhe der N.-V., nämlich daß die Zuhörer in den Tribünen sich jeglicher Äußerung des Beifalls oder Misfallens enthalten sollten (1. Jun.), erwähnt werden 52). Wie wichtig dieser Gegenstand in dem revolutionåren Getriebe wurde, wird sich späterhin darthun; daß aber das Gesetz nicht zur Geltung

49) Der Decrete v. 15. März u. 3. Mai 1790 ist oben, Cap. 3, Not. 52 und 98, gedacht worden; darauf folgte noch eins am 19. Jul. d. J., Duvergier 1, 296, noch eins am 13. April 1791, das. 2, 357. Das oben im Texte erwähnte vom 15. Jun. f. b. Duvergier 3, 27.

50) Moniteur No. 150-152. Bei Buchez et R. 10, 54 fg. ift derselbe nicht und von der umständlichen Debatte nur die Reden Prugnon's, Robespierre's und Duport's.

51) Von der Todesstrafe s. Moniteur No. 134. über das Folgende f. Moniteur No. 156-160. 168-170. Von der Vollendung s. unten Not. 202.

52) Moniteur v. 3. Juni, No. 154. Vgl. oben Cap. 2, Not. 47.

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