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rer; in der N.-V. sprach Mirabeau mit Nachdruck gegen Volksaufwiegler; die Ruhe aber dauerte nur kurze Zeit; eine von der Municipalitåt am 17. März erlassene Policeiordnung, welche namentlich gegen unbefugte Führung von Waffen gerichtet war, wirkte mehr zur Aufregung als zur Befriedung 185). Von Mirabeau war die Kraft gewichen; er kränkelte in Folge der Ausschweifungen des Jünglings und der Arbeiten des Mannes. Die N.-V. besuchte er bis gegen Ende des Mårz; er empfahl am 22. März Besichtigung der Grenzfestungen 186) Un demselben Tage begannen die Verhandlungen über die Regentschaft, wo Thouret und Cazalès trefflich redeten und auch Mirabeau bedeutenden Antheil an der Erörterung dieser in Bezug auf die Königin wichtigen Frage nahm. Mirabeau war mit den Rednern der Linken, namentlich Barnave, einverstanden, und sprach nicht gegen den Antrag, die Frauen von der Regentschaft auszuschließen; das Decret der N.-V. bestimmte den nächsten månnlichen Verwandten dazu 187). Hieran knüpften sich am 26. Mårz der Geseßentwurf über die Residenz der öffentlichen Beamten 188), unter denen die Linke auch den König begriff; noch einmal erhob sich eine ungestüme Opposition der Rechten; Foucault, Montlofier, D'Epremenil und Cazalès protestirten gegen eine solche Bezeichnung des Königs, desgleichen mit dem heftigsten Ungestům gegen den Artikel, welcher besagte, daß der König auf den Fall einer Entfernung aus dem Reiche als der Krone verlustig angesehen werden solle 189). Ihr Widerspruch war vergeblich. D'Epremenil mußte

Präsident: Larochefoucauld, Procureurgeneral-Syndic: Pastoret, Secre= tår: Blondel.

185) S. die håmische Kritik der Verordnung in den Révolut. de Par. 7, 533 fg.

186) Buchez et R. 9, 149. 153.

187) Daf. 9, 180 fg.

188) Moniteur No. 86, S. 351. 89, 359 fg. Buchez et R. 9, 198 hat nur die Debatten der Sigung vom 28. März.

189) Si le roi sortait du royaume, et si, après avoir été invité par une proclamation du corps législatif, il ne rentrait pas en France, il serait censé avoir abdiqué la royauté. Die

wegen seiner wunderlichen obstinaten Art der Opposition den Zuruf hören, daß er verrückt sey. Das Decret erfolgte am 28. März. Unerledigt blieb der Artikel, in welchem Thouret auf den Fall einer „,déchéance" die Berufung eines Natio= nalconvents beantragte. Mirabeau war bei Erörterung dieser kritischen Fragen, wo er ein Glaubensbekenntniß zu ges ben nicht hätte vermeiden können, nicht zugegen; am Tage zuvor hatte er zum leßten Male in der N.-V. geredet.

Mirabeau lag ohne Rettung danieder; die fürchterlichsten Schmerzen quålten ihn; man hat behauptet, er sei vergiftet worden, doch ist kein sicherer Beweis dafür vorhanden. Seine Rede behielt, bis ihm die Zunge ihren Dienst versagte, den großartigsten Charakter 19o); ahnungsvoll sagte er den Untergang der Monarchie voraus 191), und richtig erkannte er in Pitt einen schlimmen Widersacher des neuen Frankreichs 192). Barnave, der tüchtigste seiner parlementarischen Nebenbuhler und durch die Parteiung der Lameth mit ihm zerfallen, besuchte ihn im Namen der Jacobiner; Karl Lameth war zu engherzig, die Sendung zu übernehmen 193). Eine unzählige Menge Menschen füllte während der Zeit seines Krankenlagers die Straße vor seiner Wohnung und doch herrschte die feierlichste Stille. Mirabeau's Schmerzen wurden unerträglich, die Sprache ver

darauf folgenden Debatten über Nationalconvent f. b. Buchez et R. 9, 215.

190) Die ausführlichsten Mittheilungen über Mirabeau's legte Tage hatte die Chronique de Paris, damals von Noel und Millin redigirt; daraus gibt Auszüge Buchez et R. 9, 385 fg. Brissot (Mém. 2, 392) bezweifelt die Authenticitåt des einen und andern der Worte, die Mirabeau gesprochen haben soll und die Chronique mittheilt, doch hat er diese nicht widerlegt und die Chronique hatte den Ruf der Genauigkeit und Glaubwürdigkeit für sich.

191) J' emporte avec moi le deuil de la monarchie; les factieux s'en partageront les lambeaux.

192) Ce Pitt est le ministre des préparatifs; il gouverne avec ce dont il menace plutôt qu'avec ce qu'il fait. Si j'eusse vécu, je crois que je lui aurais donné du chagrin.

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193) Je savais bien, sagte Mirabeau, qu'ils étaient vils et lâches, mais je ne les croyais pas si bêtes.

ging ihm; er schrieb auf einen Zettel seinem Urzte Cabanis, er möge ihn nicht auf dem Rade sterben lassen, und das Wort schlafen". In dem Augenblicke, wo er mit einer Gebehrde des Unwillens dem Arzte den Zettel zureichte, kehrte ihm die Sprache wieder; er redete an zehn Minuten lang mit so lebhaftem und rührendem Ausdrucke, daß von Aller Augen die Thränen herabflossen: ein Krampf machte der Rede und zugleich dem Leben ein Ende. Der 2. April war sein Todestag. Mirabeau war 42 Jahre alt geworden. Die N.-V., tief erschüttert durch die Todespost, hatte nur eine Stimme bei dem Vorschlage, daß die Deputirten insgesammt dem Leichenbegångniß beiwohnen, daß die neue Genovefenkirche als Pantheon zur Todtenhalle für die Usche großer Bürger des Vaterlandes gemacht und die Usche Mirabeau's zuerst dort beigesezt werden solle. Das Lehtere hatte Pastoret im Namen des Departements vorgeschlagen 194). Daß dieselbe Ehre auch Voltaire zu Theil werden solle, beschloß die N.-V. am 30. Mai 195). Zur Ehre von Mirabeau's Andenken begann die N.-V. nach zwei Tagen die Berathung über die Erbfolge auf den Grund eines von ihm hinterlassenen Aufsatzes. Ganz Paris trauerte; die Theater waren geschlossen; Deputationen der Nationalgarde, der Invaliden u. s. w. folgten der Leiche; der Zug dehnte sich über mehr als eine Stunde Weges aus. Ein Leichenbegångniß der Art hatte Paris nie, England nur bei Chatam gesehen. Wer aber war auch hierbei der verneinende Geist? Marat, dessen Nachruf an Mirabeau aus einem Sündenregister desfelben bestand und der das Leichenbegångniß zur Carricatur machte 196).

194) Moniteur No. 94. Buchez et R. 9, 275.

195) Moniteur No. 151.

196) Auszüge aus den Journalen f. b. Buchez et R. 9, Marat's Låsterungen 9, 395. 196,

891 fg.

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Fünftes Capitel.

Des Königs Bedrångniß und Flucht; Erhaltung des Throns durch die Constitutionellen.

Bis zum Schluß der Nationalversammlung, am 21. Sept. 1791.

Ob Mirabeau bei längerem Leben vermocht haben würde, den Thron zu befestigen, ist sehr fraglich; der Strom der Revolution wuchs auch dem Riesen zu Häupten: ausgemacht aber ist, daß es nach Mirabeau Niemandem gegeben war, den Umsturz des Throns aufzuhalten. Um wenigsten den Aristokraten und den Monarchisten. Der Club der lehteren war an dem Tage, wo Mirabeau erkrankte, am 28. März, vom jacobinischen Pöbel auseinander gejagt worden wie zum Vorzeichen des Schicksals, das die Monarchie nach Mirabeau's Tode tref= fen würde. Zwar schien dieser eine bei den Jacobínern eingetretene Spaltung günstig zu werden; die Partei Lameth, von welcher Barnave über die Sache der Farbigen auf S. Domingo in Feindschaft mit Brissot gerathen war'), nåherte sich dem Throne; aber der König faßte nur zögernd und nie volles Vertrauen zu ihr 2). Noch weniger konnte ihm die constitutionelle Gradheit Lafayette's behagen; seit dem 28. Febr. ward dieser mit Mistrauen und Unmuth angesehen; Hofdamen nannten ihn einen Brigand 3). Daß durch Mirabeau's Tod bei dem Könige ein Vermiß eingetreten sei, welchem abzuhelfen er be= müht sein würde, scheint in den Vermuthungen eines Theils der N.-V. gelegen zu haben und daraus bei der Verhandlung über Organisation der Ministerien der Beschluß vom 7. Apr.,. daß keiner der Deputirten der N.-V. binnen vier

1) S. unten Not. 236.

2) Bertr. de Molev. 4, 310,
3) Md. Campan 2, 132.

Jahren nach dem Schluß derselben ein Amt vom Könige an= nehmen solle *), hervorgegangen zu sein.

Der König sah von nun an sein Heil nur in der Flucht. Schon im October des I. 1790, als die Angriffe auf die Minister den König in Sorge setten, waren Entwürfe dazu ge= macht worden 3); Bouillé und Breteuil wußten darum; der Erstere sollte mit den von ihm befehligten und dem Anschein nach in Treue und Gehorsam noch nicht unfest gewordenen Truppen die Flucht bis zur Grenze decken, Breteuil's Unterhandlungen mit ausländischen Cabinetten das übrige thun. Der Plan, zu jener Zeit lebhaft betrieben und darauf mit Mirabeau's Entwürfen in Verbindung gesett "), konnte, so lange Mirabeau lebte, nur unter dessen Mitwirkung zur Reife kommen. Im Februar wurde durch den Grafen Lamark weiter mit Bouillé über den Fluchtplan verhandelt und indessen allerlei Hülfsmittel zur Unterstüßung desselben aufgeboten; es wurden Bestechungen einflußreicher Demagogen versucht, von denen auch Danton der Versuchung nicht widerstand ); durch Libelle sollte die öffentliche Meinung bearbeitet werden, durch populåre Freundlichkeit des Königs und Geldspenden hoffte man die Vorstådter von S. Antoine zu gewinnen ®), durch fortdauernde Concessionen an die N.-V. Vertrauen bei dieser zu erhalten. Ob Mirabeau um diese Popularitätsbemühungen wußte, oder selbst dazu gerathen hatte, hat sich nicht aufgeklärt: wohl aber zeigte sich sogleich nach seinem Tode, daß dieselben nichts gefruchtet hatten.

Das Misbehagen und die religiöse Bekümmerniß Ludwig's wurde durch die zunehmende Erbitterung des Volks gegen die eidweigernden Geistlichen und die Vereine, welche bei solchen

4) Buchez et R. 9, 321. Vgl. den Beschluß vom 26. Jan. 1790.

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5) Bertr. de Molev. 4, 39. 5, 6. Bouillé 187.

6) Mém. de Choiseul 27 in der Collect. v. Berville und Barrière. Lameth 2, 213. Bouillé 197. 199.

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8) S. Rhul's Bericht aus den Papieren des eisernen Wandschrankes b. Buchez et R. 21, 188. 191.

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