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damals eifriger Jacobiner, trat am 19. Sct. im Namen von vier Comités mit dem Antrage hervor, die N.-V. möge vom Könige die Entlassung der gegenwärtigen Minister begehren®). Die Debatte darüber ward lebhaft; Cazalès redete vortrefflich, nicht minder von der andern Seite Brevet und Barnave; Beaumes drang auf Ausnahme Montmorin's; Mirabeau und Maury rüsteten sich eben, das Wort zu nehmen, als am 20. Oct. zur Abstimmung getrieben und durch diese der Antrag mit schwacher Majorität abgelehnt wurde. Die Journale Marat's, Freron's, Desmoulins', Gorsas', Carra's 69) waren voll Gift darüber. Marat's Blatt vom 1. Nov. enthielt die verwegenste Auffor: derung zur Gewaltthat, namentlich zur Einsetzung eines Militártribunen). Der Marineminister La Luzerne, gegen den die Anklage, vorgebracht in Verbindung mit der brefter Ungelegenheit, zunächst gerichtet zu sein schien, nahm seine Entlaffung und wurde durch Fleurieu erseht; die übrigen aber, des ren Abschiedserbieten der König nicht annahm, schienen den Sturm bestehen zu wollen. Nun versammelten sich die Repråsentanten der Sectionen, beschlössen eine Petition an die N.-V. und vermochten Bailly, sich (am 10. Nov.) an die

68) Buchez et R. 7, 380 fg.

69) Auszüge b. Buchez et R. 7, 423.

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70) Num. 268 (1. Nov.) S. 8: déjà le glaive est levé sur vos têtes. Aux armes, aux armes, avant qu'il soit plongé dans vos entrailles. Cessez de recourir à l'assemblée nationale: elle ne paraftrait recevoir vos demandes, que pour enchaîner vos efforts. Laissez-là vos ridicules assemblées de sections où des fripons vous étourdissant de leur babil criminel, glaceraient votre ardeur; ne vous rassemblez que dans les places publiques et que ce soit pour vous nommer un tribun militaire: armez-le de la force publique pour trois jours seulement, marchez sous ses ordres, et qu'il abatte sans pitié toutes les têtes criminelles, qui depuis quinze mois conspirent contre vos jours: mais avant tout, volez à S. Cloud, ramenez dans vos murs le roi et le dauphin, renfermez l'autrichienne, renfermez son beaufrère, renfermez le maire et le général, jetez tous les ministres dans les fers, emparez-vous des porte-feuilles; connaissez toute la profondeur des machinations infernales préparées contre vous. Es ist die Wiederholung des Schlusses von C'en est fait de nous und dies läßt darauf schließen, daß Marat auch dieses verfaßt hatte.

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Spike der Deputation zu stellen "). Das Begehren lautete auf Entlassung der Minister und unverzügliche Errichtung des hohen Gerichts über Verbrechen gegen die Nation und AnElage gegen drei der Minister. Danton war Wortführer der Deputation, seine Rede von einer Heftigkeit, wie vor den Schranken der N.-V. noch nicht gehört worden war, der erste öffentliche oratorische Ausdruck seiner revolutionären Gewaltigkeit 2). Dieses wirkte auf die Minister, um so mehr, da das pariser Volk einige Tage nachher, über Karl Lameth's Verwundung im Duell mit de Castries erbittert, durch die Verwüstung des Hotels Castries' seine Gewalt und die Unzulånglichkeit der gegen seine Licenz getroffenen Anstalten vor Augen legte. Der Kriegsminister Latour-du-Pin hatte am 17. Nov. zum Nachfolger Lafayette's Waffengefährten Duportail; statt des vormaligen Erzbischofs von Bordeaux, Champion de Cicé, wurde am 22. Nov. Duport-du-Tertre, ein Bürgerlicher, Großfiegelbewahrer oder nach der nunmehrigen Benennung Justizminister, Deleffart statt Lambert's Finanzminister (ministre des contributions publiques); und endlich, am 24. Dec., trat auch S. Priest, Minister des Innern, zurück, und Montmorin, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der einzige, welcher nicht angefeindet worden war, übernahm einstweilen dessen Geschäfte.

Zu derselben Zeit, als das Ministerium gestürzt wurde, bereitete die N.-V. einen Schlag, welcher der priesterlichen Opposition ein Ende machen sollte, von welchem aber zugleich der König getroffen werden mußte. Ein Conflict konnte nicht ausbleiben'; Ludwig war seit geraumer Zeit willfährig gewesen,

71) Nach dem Ami du peuple No. 275, S. 3 und den Révolut. de Paris 6, 192 hatte die Section Mauconseil zuerst die Motion erhoben. Diese Section pflegte von jegt an so ungestům zu Werke zu gehen, als früher der District der Cordeliers.

72) Danton kündigte als Wunsch der pariser Commune an le renvoi prompt, le renvoi immédiat des ministres. Darauf folgen die Anklas gen gegen Champion, Guignard und Latour-du-Pin. Von dem zweiten sagt er: qui ne connaît d'autre patriotisme que celui qu'il a puisé dans la politique du divan etc.; vom dritten: incapable d'aucune action qui lui soit propre, mais ennemi de la révolution, par ce qu'il prenait les parchemins et sa vanité pour une véritable noblesse.

in Allem, was das Königthum an sich betraf, Concessionen zu machen; nun aber bekam er mit Gewissensscrupeln zu thun; willigte er nicht ein, so war ein Ausbruch der Volkswuth zu fürchten; dem Klerus und Papste aber im Sinne der Revolution feindselig entgegenzutreten, war seiner Überzeugung zuwider: gab er sich demnach hier äußerem Zwange zu Concessionen hin, so mußten zugleich die Gedanken an Befreiung aus einem Zustande, wo seine Seele beunruhigt wurde, lebhafter sich regen. Die Beschlüsse über die Civilconstitution des Klerus harrten noch der Vollziehung; die Wahlen zu den neuen Bis thümern waren noch nicht vollzogen, der Bürgereid von den Priestern noch nicht geleistet worden. Die Verbreitung des Manifestes der dreißig Bischöfe, die schlimmen Nachrichten von priesterlichen Umtrieben und Protesten in den Provinzen und außerhalb Frankreichs hatten die Feindseligkeit der Philosophenpartei und des Póbels gesteigert; man gewöhnte sich, vorzugsweise den Priestern alles Unheil beizumessen; ein damals erscheinendes Buch, La chasteté du clergé devoilée, gab dem Sinne für Scandal Befriedigung und reizte zugleich zu neuen Angriffen gegen einen Stand, dem man eben so wenig sittliche. Unbescholtenheit als Patriotismus zutraute; es erschienen Spott schriften und Carricaturen in Menge 73). Am 14. Nov. beans tragte Martineau in der N.-V., die Bischofswahlen nicht lån ger aufzuschieben, was sogleich angenommen wurde. Als darauf am 26. Nov. eine Deputation von der niedern Loire einen Protest des Bischofs von Nantes angekündigt hatte, erhob sich Voidel im Namen von vier Comités, zählte eine Menge priesterlicher Protestationen und Aufwiegelungen her und brachte in Vorschlag, von allen Geistlichen die Leistung` des Bürgereides vollziehen zu lassen. Zwei Tage lang wurde darüber debattirt"); Cazalès stimmte für Aufschub, dagegen protestirte Barnave, der Bischof von Clermont provocirte nochmals auf ein Concil; Mirabeau entgegnete das mit einer vernichtenden Rede, einer der gewaltigsten, die er gehalten;

73) Ferrières 2, 211.

74) Moniteur No. 332. 333; nicht vollständig b. Buchez et R. 8, 100 fg.

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in ähnlichem Geiste sprach Petion am 27. Nov."); was Montesquiou und Maury dagegen einwandten, wurde nur mit Ungeduld und Unmuth angehört; die Abstimmung entschied am 27. November für Voidel's Antrag 76). Also wurde der vers hängnißvolle Beschluß, die Priesterschaft von der påpstlichen Autorität zu lösen und dem Nationalgeseße zu unterwerfen, an den König gebracht. Dieser ließ durch den Erzbischof von Air den Papst dringend um Anerkennung der neuen Geseze über `den Klerus ersuchen”) und zögerte, der Antwort harrend, mit seiner Erklärung über den lehten Beschluß. Indessen wurde in Protest des Cardinals Rohan und ein aufreizendes Schreiz ben des Erzbischofs von Trier bekannt"); man wurde ungeduldig und argwöhnisch. Camus, bei seinent Jansenismus einer der schonungslosesten Priesterfeinde, begehrte im schneis dendsten Tone am 23. Dec., die N.-V. möge den König über die Verzögerung seines Entschlusses befragen lassen; das wurde mit Beifall aufgenommen; die Tribünen klatschten dazu 79). Der Präsident brachte am Abende vom Könige die Antwort, daß über seine Gesinnung kein Zweifel sein könne, daß er wünsche, den Beschluß ohne Unfrieden und Störung erfüllt zu sehen, und deshalb Maßregeln genommen habe, deren Ers folg er stündlich erwarte, und daß die N.-V. Vertrauen zu ihm haben möge. Diese Antwort genügte nicht; · Maury's Einwendungen wurden durch wiederholtes Murren unterbrochen und der Pråsident beauftragt, eine bündigere Erklärung vom Könige einzuholen. Ob durch Zufall oder auf Anstiftung, es

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Petion

75) Einige Stellen aus Mirabeau's Rede s. Beil. 7. sagte gleich zu Anfange seiner Rede: La théologie est à la religion, ce que la chicane est à la justice (on applaudit).

76) Das Decret s. b. Buchez et R. 8, 442. Duvergier 2, 68.

77) Recueil des pièces trouvées dans le sécrétaire du roi 135. 278. Ferrières 2, 190. 3wei frühere Schreiben Ludwig's an den Papst v. 18. Mai und 2. Juli 1790, worin er seine Bekümmerniß über die Drangsale des Klerus ausspricht, f. in der Correspondance de L. XVI. Vol. 1, 211 und 235. Dieser Briefe gedenkt schon Brissot, Mémoir. 4, 144. 146.

78) Buchez et R. 8, 180. ́
79) Daf. 8, 183.

versammelten sich einige Hundert Menschen unter den Fenstern des Königs und dies trug bei, seinen Entschluß, als einen durch äußern Zwang gerechtfertigten, zu bestimmen 8o): am 26. Dec. wurde der N.-V. die königl. Bestätigung mitgetheilt. Tags darauf erklärte Gregoire, daß er sofort den Bürgereid leisten werde 1); nach ihm schwuren sogleich sechszig geistliche Deputirte; Talleyrand leistete nicht blos den Eid, sondern erließ auch eine Aufforderung an die Geistlichen feines bisherigen Sprengels, ein Gleiches zu thun®2). Die Eidesleistung seste fich noch einige Tage fort; von der Rechten wurden bittere Bemerkungen laut, Foucault sprach von Faction 3): dagegen stellte Karl Lameth am 3. Jan. den Antrag, die noch unbeeidigten Geistlichen sollten bei Verlust ihrer Stellen zum Eide genöthigt werden. Cazalès' Gegenrede vermochte nicht, den Beschluß, daß dies geschehen solle, zu hindern; der leßte Act in dieser Reihe von Entwickelungen führte zu stürmischen Scenen; mehre Geistliche protestirten, einige mit ehrenwerther Festigkeit, in der sich Gewissensbedenken aussprachen; sie versuchten, ihre Weigerung zu motiviren, man fuhr ihnen schnöde entgegen, draußen schrie der Pöbel,,an die Laterne": die Situng endete mit einem von Barnave verfaßten Decrete, daß der König, um die nöthigen Maßregeln gegen die eidweigernden Deputirten zu ersuchen sei, und mit dem protestirenden Rufe mehrer Stimmen von der Rechten **).

Die N.-V. hatte den Brandstoff zum Bürgerkriege ausgeworfen 85); zwar vergingen einige Jahre, ehe er sich in der Bendée zu einer gewaltigen Flamme entzündete; doch Vorzeichen davon wurden alsbald erkennbar. Es wurde von Unru

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81) Er rechtfertigte seinen Eid in einer eigenen Schrift. S. Mém.

de Grégoire 2, 16.

82) Moniteur 1791, No. 1.

83) Das. v. 2. Jan. 1791.

84) Das. No, 6. Buchez et R. 8, 354. 360. Bertrand de Molev. 4, 147.

85) Tadel verständiger Beurtheiler traf bald nachher die N.-V. Sc b. Deux amis 5, 394. Späterhin v. Paganel 1, 219. 220.

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