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sein 83). An demselben Tage, wo Mirabeau die Rechtserklärung vorlas, theilte Bergasse einen umständlichen Bericht über die richterliche Gewalt mit 8). Zwei Tage später hielt LallyTolendal nach Mounier's Plane einen langen Vortrag über die Theilung der Staatsgewalten, über die Nothwendigkeit zweier Kammern und eines königlichen Beto "); dies die Aussaat zu spåtern lebhaften Debatten und zum Aufwuchs der Parteiung. Ungestům wurde die Verhandlung nur bei der Frage von Cultfreiheit, am 23. Aug. Gegen Abbé Eymard und ClermontLodève, die im Geiste der herrschenden Kirche Aufrechthaltung der Religion empfahlen, redeten Castellane, Mirabeau und Rabaut für Cultfreiheit, und für lehtere entschied sich die N.-V.

Am 27. Aug. kam man zur Constitution selbst. Noailles legte vor, was in den Cahiers über die Grundlage dazu enthalten sei; Mounier bezeichnete am 28. Aug. die Ordnung, in der die Gegenstände zu behandeln seien 6). Vor dem Beginn der Verhandlungen trat Robespierre auf mit dem Begehren, daß Maßregeln getroffen werden möchten, Störungen der Reden zu verhindern 87): Ausrufe der Misbilligung schallten dem widerwärtigen Menschen entgegen; nur Mirabeau nahm sich seiner an. Der Antrag war ganz in der Ordnung; er hat aber, aus Robespierre's Munde kommend, eine besondere Bedeutsamkeit für die Art und Kunst, womit dieser spåterhin

83) Daß dies nicht anders sein könne, erörterte Mirabeau am 18. Aug. Monit. S. 128.

84) Monit. No. 41. 42.

85) Das. N. 43. Lally, Mém. 1, 129 fg. Mounier, Exposé 44-49. Lally hatte nebst Lafayette u. s. w. mehr Amerika als England im Auge; die erste Kammer, der Senat, sollte nicht aus Adel und Klerus, sondern aus verdienten Bürgern jeder Art bestehen, die Nation sie vor= schlagen, der König einsehen und die Würde nicht erblich sein.

86) Nach der Déclaration des droits etc.: Les principes sur le gouvernement monarchique, l'organisation du corps législatif, celui du pouvoir exécutif, celui du pouvoir militaire, l'ordre judiciaire. Monit. No. 47, S. 195.

87)

que chacun puisse, sans crainte de murmures, offrir à l'assemblée le tribut de ses opinions. Monit. C. 196. Vergl. unten Cap. 5, N. 40.

seine langgedehnten Reden geltend machte; noch war die Zeit für ihn nicht gekommen. Gleich über den ersten Sak: „die französische Regierung ist eine monarchische“, ward große Verschiedenheit der Ansichten laut und über 45 Vorschläge zu sei= ner Redaction vorgebracht; man war auf dem Felde der Definitionen und die N.-V., wo es dergleichen galt, eben so fruchtbar an Erörterungen, als die beiden folgenden Versammlungen reich an Debatten der Parteiung. Darauf wollte Abbé Eymard nochmals die Herrschaft des katholischen Cults sichergestellt wissen; aber er wurde kaum angehört. Lebhaft wurde die Bewegung in der N.-V., als am 29. Aug. die von Lally-Tolendal aufgestellten Säge über zwei Kammern und das königl. Veto zur Verhandlung kamen. In Verbindung damit stand die Frage von der Permanenz der N.-V., d. h. von ihrem ununterbrochenen Beisammensein und dem Rechte, auch ohne Berufung durch den König eine Legisla tur anzutreten. Lally-Tolendal's Rede vom 19. Aug. und eine Schrift Mounier's: Considérations sur les gouvernemens, hatten darauf vorbereitet und zugleich zwei Kammern und königl. Veto empfohlen 8). Es war die Schule Montesquieu's, welche hier ihre Vorliebe für die englische und amerikanische Verfassung offenbarte; zu ihnen gehörte der damalige Präsident de la Luzerne, Bischof von Langres. Die große Zahl der gemäßigten Constitutionellen war für zwei Kammern, wollte aber nur ein suspensives Veto. Ihnen traten die Führer der Linken mit dem Begehren Einer Kammer und der gänzlichen Beseitigung des königl. Veto entgegen; auf der andern Seite schlossen sich die Royalisten und Aristokraten von der rechten Seite den Constitutionellen im Begehren von zwei Kammern an, wollten aber dazu auch ein absolutes Veto des Königs. Wie aufregend diese Debatten für den Partei= geist waren, zeigte sich in der nunmehr scharf hervortretenden Spaltung der N.-V. in eine rechte und linke Seite 99) und der Verzweigung der Debatte nach Paris und durch das gesammte Frankreich.

88) Monit. No. 48, G. 197. Mounier, Exposé de sa conduite. Par. 1789. p. 31.

89) S. oben N. 44.

Paris ward dadurch ungemein bewegt; die Gährung daselbst aber war schon heftig, ehe noch die Debatten der N.-V. dahin wirkten. Während des Augusts hatten die städtischen Behörden bald mit Rottirungen von Handwerksgesellen, Lakaien u. f. w. 9o), bald mit den Unruhstiftern im Palais-royal und in den Theatern ") zu thun gehabt; solcher Bewegungen was ren sie Meister geblieben; die Nationalgàrde that dabei ihren Dienst pünktlich und eifrig. Bedenklicher war die schon oben erwähnte Eigenmächtigkeit der Districtsversammlungen, welche die von ihnen erwählten Communrepråsentanten nur als ihre Organe ansahen und nicht eben willig zum Gehorsam gegen sie waren, daher mit dem Geiste des eigenwilligen Separatismus für sich Einrichtungen trafen, ohne auf die Gesammtheit Rücksicht zu nehmen 2). Der District der Cordeliers zeichnete sich darin vor den übrigen aus. Danton, bisher Advocat, war dessen Präsident und Anführer zu verwegenem Treiben. Sein Antlik, von afrikanischer Bildung und furchtbar durch die Blattern zerrissen, sein kolossaler Bau, der gewaltige Ton seiner Stimme, das Schreckbare feiner Geberde und die revolutionäre Kühnheit seiner Rede machten ihn schon damals zu einem vielgeltenden Haupte der pariser Anarchisten. Die Agitatoren des Palais-royal, Camille Desmoulins, Lou

90) Es kommen nach einander vor Schneidergesellen, Lakaien, Pers ruquiers, Apothekerlehrlinge, Schustergesellen. Alle wollten sich als Ges nossenschaft constituiren, Bestimmungen über Höhe des Tagelohns u. s. w. treffen. Zugleich wirkten die Beschlüsse des 4. Aug.; Alles erhob sich ge= gen die Meisterprivilegien. Buchez et R. 2, 311. 359. 423. Révolut. de Paris. No. 6, 27. 8, 4. 31. Bailly 2, 275 fg.

91) M. J. Chenier's Karl IX. wurde mit Ungestům begehrt und gegen Theatercensur, protestirt. Bailly 2, 286. Als ein Merkzeichen der Sinnesänderung der Pariser führt Camille Desmoulins, Révol. de Fr. et de Brab. No. 8, S. 369 an: Dans le vaudeville de Figaro, à ce vers, Tout finit par des chansons, le parterre venait de substituer: Tout finit par des canons. Wie im Palais - royal über das Veto verhandelt wurde, beschreibt derselbe anschaulich in seinem Discours de la lanterne aux Parisiens b. Buchez et R. 2, 414. Vgl. Révolut. de Paris 8, 25.

92) S. oben N. 9. Buchez et R. 2, 852. Révol. de Par. No. 7, G. 8. 10.

stalot, S. Huruge, Cloots (Klok), Lazuski, Guzman, Proly, Pereira u. s. w., meistens mit Danton befreundet, waren ihres Anhanges in den Districten sich bewußt und ließen sich durch Policeimaßregeln nicht einschüchtern. Als nun die N.-V. über das Veto debattirte, wurden von ihnen Complotte ge= gen die royalistischen und constitutionellen Vertheidiger des Veto gemacht; es war die Rede davon, deren Schlösser (durch die Brandfackel) zu „erleuchten", es wurden Drohbriefe an Mounier, Lally-Tolendal und andere Constitutionelle gesandt, Listen der „Aristokraten" angefertigt u. dergl. Am 30. Aug. faßten sie den Entschluß, als Volksdeputation nach Versailles zu ziehen und die Entfernung der unpopulåren Mitglieder der N.-V. zu begehren. Der Marquis S. Huruge, ein verworfener Wüstling, stellte sich an die Spike der Deputation und eines Zuges von mehr als tausend Menschen; doch die Nationalgarde zerstreute diese. Nun wurden vom Palaisroyal aus an die Communrepräsentanten drei Deputationen nach einander abgesandt, um bei diesen eine allgemeine-Versammlung der Districte auszuwirken; auf diese Deputationen aber wurde nicht gehört. Auch am folgenden Tage versammelten sich die Agitatoren des Palais-royal wieder, aber die bewaffnete Macht wurde aufgeboten und neuen Unruhen vorgebeugt, S. Huruge aber vor das Chatelet geschickt 93).

Die Verhandlungen der N. - V. über die Zahl der Kammern, ihre Permanenz und das Veto dauerten bis zum 11. Sept. 9). Für zwei Kammern redeten außer Lally und Mounier auch Dupont von Nemours, Larochefoucauld, Malouet, Virieu und für absolutes Veto Maury, de Seze u. s. w.; für Eine Kammer Mirabeau, Desmeuniers, Rabaut 95), Thouret, Petion, Montmorency, Dangevilliers, Sieyes, Sillery u. s. w.; ein suspensives Veto ließen mehre dieser Redner zu; einige, als Petion und Dangevilliers, woll

93) Monit. No. 51, G. 209. Révolut. de Par. 8, 10 fg.
94) Das. No. 48 ff.

95) Un seul dieu, une seule nation, un seul roi, une seule assemblée wird als ein Wort Rabaut's angeführt, das die Zahl der Stimmen für Eine Kammer vermehrt habe.

ten im Falle einer Differenz zwischen König und N.-V. das Volk entscheiden lassen, und der lettere bediente sich dabei schon des Ausdruckes National convent "); Sieyes, Crenieres, der Fürst von Salm-Kirburg u. s. w. wollten gar kein Veto. Für ein suspensives Veto hatte zuerst der Herzog von Liancourt gesprochen; nach ihm empfahlen es Treilhard, Beaumek, Barnave, Target, Alex. Lameth u. s. w. Mirabeau wollte eine thatsächliche, aber nicht schriftliche Beschränkung des Beto 97). D'Entraigues redete mit tückischer Tendenz zum Pessimismus von der Zulässigkeit des Veto, da das Volk die Insurrection und Verweigerung der Abgaben dagegen gebrauchen könne 98). Als die Debatten kein Ende nehmen wollten, unterbrach sie Mirabeau mit der Behauptung, die Permanenz der N.-V. enthalte auch die Einheit und mit dem Beschlusse über jene (9. Sept.) sei auch über diese entschieden worden. Das erregte Protest, und Graf Virieu vergaß sich so sehr, daß er von Demagogen sprach 99) und ein F.... ausstieß in jener Zeit anständiger Formen ein Ürgerniß. Darauf kamen Schreiben der Städte Rennes, Vannes und Dinan zur Lesung, worin die Vertheidiger des Veto für Verråther erklärt wurden. Der Unwille darüber trug bei zur Erhöhung der Ungeduld über die Langwierigkeit der Debatte: am 10. Sept. wurde über die Kammerfrage mit namentlichem Aufruf abgestimmt und für Eine Kammer entschieden. Das Gegenstück zu dem Schreiben der bretonischen Städte gab nun am 11. Sept. eine Denkschrift Necker's, worin er den Wunsch des Königs, nur ein suspensives Veto zu haben, aussprach. Es wurde nicht in Betracht gezogen, an demselben Tage aber durch die Abstimmung für ein suspensives Beto entschie

96) Monit. S. 220.

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97) Sans restriction écrite, mais limitée de fait. Das. No. 49, S. 202. Er bekämpfte besonders Petion's Votum. Ohne Veto des Königs, hatte er schon vorher gesagt, wollte er lieber in Constantinopel als in Frankreich leben.

98) Monit. No. 49, S. 204.

99) Faut-il qu'une assemblée nationale soit emportée par des démagogues et une fougue populaire? Monit. No. 55, S. 225. Wachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter I. 12

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