Page images
PDF
EPUB

Rathgeber, die die Rüstung der Gewalt betrieben hatten, und nicht recht wußten, was sie damit machen sollten 123), endlich in der beginnenden Besorgniß, daß auf die Truppen nicht ficher zu rechnen sei und daß die insurgirten Pariser ihren Zug nach Versailles richten möchten, zu suchen. Die Furcht vor dem lehtern war es hauptsächlich, welche die sonst unbegreifliche Säumniß, dem General Besenval Befehle zukommen zu lassen, veranlaßte, welche bei den ersten Nachrichten von der Insurrection in Paris Anstalten treffen ließ, alle Verbindung mit der Hauptstadt abzubrechen, alle Posten zwischen ihr und Versailles wie gegen einen heranziehenden Feind beseht zu halten und so die gesammte Heeresrüstung zu einem kläglichen Wehrsysteme zu neutralisiren 124). Und dennoch konnte der Hof in eben jener Zeit sich der thörichten Verblendung hingeben, die wenigen in Versailles befindlichen Truppen durch Schmaus und Tanz und Gegenwart bei demselben elektrisiren zu wollen 125). Weit wirksamer freilich konnte die Verordnung vom 14. Juli fein, welche die Fuchtel abschaffte 126), wenn sie nicht um drei Monate zu spåt gekommen wäre. Schwerlich ist zu glauben, daß noch an die Ausführung einer militärischen Demonstration gegen Paris gedacht wurde; der König gab, wenn anders ein ihm beigelegtes Billet an Artois echt ist 227), den Gedanken dazu schon am 13. auf; der Abzug der Truppen vom Marsfelde erfolgte in der Nacht auf den 15. Julius.

Die Nationalversammlung, welche am 12. gefeiert batte, ward am 13. sogleich durch Mittheilungen über das neue Ministerium und die Unruhen in Paris beschäftigt; es wurden von Mounier und Lally-Tolendal Vorschläge zu Deputationen an den König und an die Pariser gemacht; Cuftine beantragte rasche Ausarbeitung der Constitution; dies unter

123) Ein wahres Wort fagt Necker, De la révol. fr. 2, 16: Ils éprouvèrent une contrariété bien connue de tous ceux qui entreprennent de porter un prince hors de son caractère.

124) Bertrand de Molev. 1, 299. Buchez et R. 2, 84.

125) Ferrières 1, 130.

126) Montgaillard 2, 247.

127) Correspondance inédite de L. XVI. 1, 131,

stühte Biauzat mit heftigen Ausdrücken über die Minister, noch heftiger redete Gregoire 128), fo daß der vorsitzende. Erzbischof von Vienne mahnte, folche Rede zieme sich nicht für einen Diener des Friedens. Nun drang Guillotin darauf, das Gesuch der pariser Wahlherren um Beschluß einer Bürgermiliz an den König zu bringen; als darauf ein Courier Besenval's Nachricht von dem schreckbaren Zustande in Paris brachte, wurde eine Deputation an den König abgesandt, diesen um Entfernung der Truppen und um Wiederberufung der ents laffenen Minister zu ersuchen. Die Antwort des Königs war, ablehnend und erregte Unwillen über die anscheinende Gleichs gültigkeit des Königs gegen den Drang der Umstände; die N.-V. faßte den Beschluß, eine zweite Vorstellung an den König zu richten. In dieser wurde ausgesprochen, daß Necker und die mit ihm verabschiedeten Minister die Achtung der N.-V. mit sich nåhmen, daß diese nicht nachlassen könne, auf Entfernung der Truppen und Errichtung einer Bürgermiliz zu dringen, daß die Minister und Beamten verantwortlich seien für jede Unternehmung gegen die Rechte der Nation und die Beschlüsse der N.-V., daß keine Macht das Recht habe, das infame Wort Bankrutt auszusprechen und daß die N.-V. bei ihren Sahungen vom 17., 20. und 23. Juni beharre. Zu gleich wurde beschlossen, die Situng fürs erste ununterbrochen fortzusehen und deshalb zur Unterstüßung des Präsidenten einen Vicepräsidenten zu wählen; die Wahl traf Lafayette. In der Nacht wurde über ein Constitutionscomité verhandelt und am 14. die Mitglieder zu demselben -Mounier, Sieyes, Clers mont-Tonnerre, Lally-Tolendal, Talleyrand, Champion de Cicé, Chapelier und Bergasse erwählt. Die N.-V. schien vor dem drohenden Sturme ihre Ruhe behaupten zu wollen; als aber Noailles von Paris ankam und von den Begebenheiten des Tages erzählte 129), wurde eine neue Deputation an

128) Ein Fragment von dem, was er sagte (im Moniteur fehlt es) f. in Mém. de Grégoire par Carnot, Par. 1837, vol. 1, p. 22.

129) Moniteur No. 18, S. 79 heißt es in Noailles' Relation, que la Bastille a été enlevée d'assaut: das kann er nicht wohl gesagt has ben, wenn er nicht anticipirte; die übrigen Berichte tassen ihn auch nur sagen, daß das Volk die Bastille angreife. Bailly 1, 863.

den König gesandt; als Abgeordnete der pariser Wahlherren kamen und von noch dauerndem Kampfe um die Bastille erzählten, noch eine. Der König antwortete, daß die pariser Bürgermiliz fortbestehen dürfe und k. Oberofficiere sich an ihre Spite stellen sollten, auch daß er Befehl zum Abmarsche der Truppen vom Marsfelde gegeben habe. Doch genügte dies der N.-V. nicht; zwar wurde, obschon in der Nacht die Botschaft von der Einnahme der Bastille eingegangen war, die fofortige Absendung einer Deputation an den König auf Clermont-Connerre's Wort 130) aufgeschoben; aber am Morgen des 15. wurde eine neue Vorstellung an den König verfaßt, und in dieser die Perfidie der Minister angeklagt und der König aufgefordert, diese „Pest“ zu entfernen. Mirabeau fügte noch einen Nachsaß hinzu und rief der aufbrechenden Deputation mit Heftigkeit nach, sie sollte dem Könige sagen, daß gestern Prinzen, Prinzessinnen und Günstlinge den fremden Horden einen Besuch gemacht hätten 131): da trat Liancourt, Großmeister der k. Garderobe, ein und meldete, der König sei im Begriffe, einzutreten. Dieser war erst in der Nacht vollständig von der Lage der Dinge unterrichtet worden; Liancourts Wort: „das ist eine Revolution", scheint tiefen Eindruck auf ihn gemacht und dessen Vorstellungen seinen Entschluß bestimmt zu haben 132).

130) Laissons-leur la nuit pour conseil; il faut que les rois, ainsi que les autres hommes, achètent l'expérience. Ferrières 1, 134.

131) Eh bien! dites au roi que les hordes étrangères dont nous sommes investis, ont reçu hier la visite des princes, des princesses, des favoris, des favorites, et leurs caresses, leurs exhortations et leurs présens; dites-lui que toute la nuit ces satellites étrangers, gorgés d'or et de vin, ont prédit dans leurs chants impies l'asservissement de la France, et que leurs voeux brutaux invoquaient la destruction de l'assemblée nationale; dites-lui que, dans son palais même, les courtisans ont mêlé leurs danses au son de cette musique barbare et que telle fut l'avant-scène de la Saint-Barthélemy. Moniteur No. 19, S. 181.

132) Daß Liancourt, der vermöge feines Amtes Zutritt in das Schlafzimmer des Königs hatte, ihn habe' wecken lassen, um ihm die Einnahme der Bastille zu melden (Weber 1, 396; s. dagegen Ferrières 1, 136) scheint zum Aufpuße zu gehören; Liancourts' Wort aber ist außer Zweifel, so gut als die bis zur Nacht auf den 15. Juli durch Vorspie

[ocr errors]

Der König war nur von seinen Brüdern begleitet; er redete stehend und mit entblößtem Haupte zu der Versammlung, die er nun zuerst Nationalversammlung nannte, und von der er ungeachtet der vorhergegangenen Mahnung einiger Deputirten, daß das Stillschweigen des Volkes die Lehre der Könige sei 133), freudigen Gegengruß bekam. Mit zuversichtlicher Stimme sprach Ludwig, daß er sich ihr vertraue und daß er Befehl zur Entfernung sämmtlicher Truppen gegeben habe, und forderte die N.-V. auf, dies der Hauptstadt mitzutheilen. Der Präfident faßte in seiner Gegenrede die Hauptpunkte der vorher beschlossenen Adresse zusammen, den Wunsch, daß freier Verkehr zwischen Versailles und Paris hergestellt und jederzeit ungehinderte und unmittelbare Communication zwischen dem Könige und der N.-V. stattfinden, und endlich, daß der König fein Ministerium åndern möge. Jenes sagte der König zu, das lehte ließ er ohne Antwort. Die gesammte N.-V. begleitete ihn nach dem Palaste; ganz Versailles war in Bewegung, das Volk freudetrunken 134).

Zur Deputation nach Paris wurden 88 Mitglieder der N.-V. ausgewählt; sie brachen am 15. auf. In Paris war die Besorgniß vor dem Unmarsch der Truppen noch rege; es wurden neue Barricaden errichtet, auch war die Rede von einem Zuge nach Versailles. Die Ankunft der Deputation brachte Vertrauen und Freude. Durch das jubelnde Volk, dessen Ruf „Es lebe der dritte Stand" auf Targets Mahnung in „Es lebe die Nation" sich umwandelte 135), auf dem Stadthause angelangt, verkündigten sie, daß der König in der N.-V. erschienen sei, und theilten die von ihm gesprochenen Worte mit; Lally-Tolendal hielt eine Rede zum Lobe der Freiheit des Vaterlandes und der Tugenden des Königs, nannte aber zugleich die Ermordungen des vorhergehenden Tages eine

gelungen der Hofpartei (ob auch durch Theaterzettel, während die Theater in Paris geschlossen waren, und durch Curszettel, wo der Curs als steigend angegeben war?) unterhaltene Befangenheit des Königs.

133) Ferrières 1, 138.

134) Derselbe 1, 140. Moniteur No. 19, G. 81.

135) Lameth 1, 62.

gerechte Rache 16); er wurde umarmt, bekränzt, an ein Fenster geführt, dem Volke gezeigt und mit Beifallsklatschen begrüßt. Darauf wurde Lafayette, dessen Verdienste seine in dem großen Saale des Stadthauses aufgestellte Büste vergegenwärtigte 137), zum Chef der Bürgermiliz und Bailly zum Maire, statt des bisherigen Magistrats eines Prevot der Kaufleute und zugleich des Civil-Lieutenants, erwählt. Ein Tedeum in der Kirche von Notre-Dame beschloß die Manifestationen der Freude. Als Scheidegruß aber empfing die Deputation den Ruf des Volkes, daß das Ministerium entlassen, Necker zurückkehren und der König nach Paris kommen möge. Darüber war die N.-V. am 16. Juli nach heftiger Debatte, wobei Mirabeau durch sein Stillschweigen über Necker zu erkennen gab, daß er dessen Rückkehr nicht möge, im Begriffe, eine neue Vorstellung an den König zu richten, als dieser ihr zuvorkam und seinen Entschluß, Necker zurückzurufen und einen Besuch in Paris zu machen, ankündigte. Es war im Cabinet berathen worden, ob sich der König zu den Truppen nach Met begeben möchte, aber der König hatte die Berathung mit den Worten geschlossen: Ich bin entschieden, zu bleiben 138). Breteuil, Broglie u. s. w., auch Barentin und Billedeuil wurden entlassen. Zugleich gab an diesem Tage der noch störrige Überrest des Adels der N.-V. eine Erklärung ein, daß er nach erfolgter Zustimmung seiner Committenten sich mit der N.-V. vereinige; die Adelsdeputirten von Paris brachten darauf Stimmung nach Köpfen in Vorschlag und einstimmig war nun dafür Adel und Klerus 139). Der König fuhr schon am folgenden Lage zur Hauptstadt, hundert Mitglieder der N.-V. begleiteten ihn. Die Gardesdu-Corps blieben unterwegs zurück. Um Stadtthore von Paris überreichte ihm Bailly die Schlüffel mit den pedantischen Worten: Dieselben Schlüssel seien Heinrich IV. überreicht wor

136) Vos ressentimens ; il en était malheureusement de trop justes. Um vollständigsten und genauesten hat die Rede Bertrand de Moleville 2, 35 f.

137) Dussaulx 276.

138) Md. Campan 2, 53.

139) Moniteur No. 19, . 83.

« PreviousContinue »