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Der Müllerin Verrat.

Woher der Freund so früh und schnelle,
Da kaum der Tag im Osten graut?
Hat er sich in der Waldkapelle,
So kalt und frisch es ist, erbaut?

Es starret ihm der Bach entgegen;
Mag er mit Willen barfußz gehn?
Was flucht er seinen Morgensegen
Durch die beschneiten wilden Höhn?

Ach, wohl! Er kommt vom warmen Bette,
Wo er sich andern Spaßz versprach;
Und wenn er nicht den Mantel hätte,
Wie schrecklich wäre seine Schmach!
Es hat ihn jener Schalk betrogen
Und ihm das Bündel abgepackt:
Der arme Freund ist ausgezogen
Und fast, wie Adam, bloß und nackt.

Warum auch schlich er diese Wege
Nach einem solchen Äpfelpaar,
Das freilich schön im Mühlgehege,
So wie im Paradiese, war?

Er wird den Scherz nicht leicht erneuen,
Er drückte schnell sich aus dem Haus,
Und bricht auf einmal nun im Freien
In bittre laute Klagen aus:

„Ich las in ihren Feuerblicken
Nicht eine Silbe von Verrat:
Sie schien mit mir sich zu entzücken,
Und fann auf solche schwarze Tat!

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Konnt' ich in ihren Armen träumen,
Wie meuchlerisch der Busen schlug?
Sie hieß den holden Amor säumen,
Und günstig war er uns genug.

„Sich meiner Liebe zu erfreuen!
Der Nacht, die nie ein Ende nahm!
Und erst die Mutter anzuschreien,
Nun eben als der Morgen fam!
Da drang ein Dußend Anverwandten
Herein, ein wahrer Menschenstrom,
Da kamen Vettern, guckten Tanten,
Es kam ein Bruder und ein Ohm.

Das war ein Toben, war ein Wüten!
Ein jeder schien ein andres Tier.
Sie forderten des Mädchens Blüten
Mit schrecklichem Geschrei von mir. —
Was dringt ihr alle wie von Sinnen
Auf den unschuld'gen Jüngling ein?
Denn solche Schäße zu gewinnen,
Da muß man viel behender sein.

„Weiß Amor seinem schönen Spiele
Doch immer zeitig nachzugehn:
Er läßt fürwahr nicht in der Mühle
Die Blumen sechzehn Jahre stehn. -
Sie raubten nun das Kleiderbündel
Und wollten auch den Mantel noch.
Wie nur so viel verflucht Gesindel
Im engen Hause sich verkroch!

„Nun sprang ich auf und tobt' und fluchte, Gewiß, durch alle durchzugehn.

Ich sah noch einmal die Verruchte,

Und ach! sie war noch immer schön,

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Sie alle wichen meinem Grimme,
Es flog noch manches wilde Wort;
Da macht' ich mich, mit Donnerstimme,
Noch endlich aus der Höhle fort.

„Man soll euch Mädchen auf dem Lande,
Wie Mädchen aus den Städten, fliehn.
So lasset doch den Fraun von Stande
Die Lust, die Diener auszuziehn!
Doch seid ihr auch von den Geübten
Und kennt ihr keine zarte Pflicht,
So ändert immer die Geliebten,
Doch sie verraten müßt ihr nicht."

So singt er in der Winterstunde,
Wo nicht ein armes Hälmchen grünt.
Ich lache seiner tiefen Wunde,
Denn wirklich ist sie wohlverdient.
So geh' es jedem, der am Tage
Sein edles Liebchen frech betrügt
Und Nachts, mit allzukühner Wage,
Zu Amors falscher Mühle kriecht.

Der Müllerin Reue.

Jüngling.

Nur fort, du braune Here! fort

Aus meinem gereinigten Hause,

Daß ich dich, nach dem ernsten Wort

Nicht zause!

Was singst du hier für Heuchelei
Von Lieb' und stiller Mädchentreu?

Wer mag das Märchen hören!

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Zigeunerin.

Ich singe von des Mädchens Reu
Und langem, heißem Sehnen:

Denn Leichtsinn wandelte sich in Treu
Und Tränen.

Sie fürchtet der Mutter Drohen nicht mehr,
Sie fürchtet des Bruders Faust nicht so sehr,

Als den Haß des herzlich Geliebten.

Jüngling.

Von Eigennut sing und von Verrat,
Von Mord und diebischem Rauben:
Man wird dir jede falsche Tat

Wohl glauben.

Wenn sie Beute verteilt, Gewand und Gut,
Schlimmer als je ihr Zigeuner tut,
Das sind gewohnte Geschichten.

Zigeunerin.

„Ach weh! ach weh! was hab' ich getan!

Was hilft mir nun das Lauschen!

Ich hör' an meine Kammer heran

Ihn rauschen.

Da klopfte mir hoch das Herz, ich dacht':
O hättest du doch die Liebesnacht

Der Mutter nicht verraten!"

Jüngling.

Ach leider trat ich auch einst hinein

Und ging verführt im stillen:

Ach Süßchen! laß mich zu dir ein

Mit Willen!

Doch gleich entstand ein Lärm und Geschrei,
Es rannten die tollen Verwandten herbei.
Noch siedet das Blut mir im Leibe.

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Zigeunerin.

„Kommt nun dieselbige Stunde zurück,
Wie still mich's kränket und schmerzet!
Ich habe das nahe, das einzige Glück
Verscherzet.

Ich armes Mädchen, ich war zu jung!
Es war mein Bruder verrucht genung,
So schlecht an dem Liebsten zu handeln.“
Der Dichter.

So ging das schwarze Weib in das Haus,
In den Hof zur springenden Quelle;

Sie wusch sich heftig die Augen aus,
Und helle

Ward Aug' und Gesicht, und weiß und klar
Stellt sich die schöne Müllerin dar
Dem erstaunt-erzürnten Knaben.

Müllerin.

Ich fürchte fürwahr dein erzürnt Gesicht,
Du Süßer, Schöner und Trauter,
Und Schläg' und Messerstiche nicht!
Nur lauter

Sag' ich von Schmerz und Liebe dir
Und will zu deinen Füßen hier
Nun leben oder auch sterben.

Jüngling.

Neigung, sage, wie hast du so tief

Im Herzen dich verstecket?

Wer hat dich, die verborgen schlief,
Gewecket?

Ach Liebe, du wohl unsterblich bist!
Nicht kann Verrat und hämische List
Dein göttlich Leben töten.

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