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Von den Körpern sind einige aus Verbindung entstanden; andere sind die, aus denen alle Verbindungen entstehen. Diese sind untheilbar und absolut unveränderlich.

Das Weltall ist unbegrenzt und daher muss auch die Zahl der Körper eine unendliche sein.

Die Atome sind in beständiger Bewegung, theils weit von einander entfernt, theils gerathen sie nahe zusammen und verbinden sich. Einen Anfang hiervon aber giebt es nicht. In den Atomen sind keine Qualitäten, ausser Grösse, Figur und Schwere.

Dieser Satz, der das Vorhandensein innerer Zustände im Gegensatze zu äusseren Bewegungen und Verbindungen förmlich leugnet, bildet einen der charakteristischen Punkte des Materialismus überhaupt. Mit der Annahme innerer Zustände hat man bereits das Atom zur Monade gemacht und man bewegt sich zum Idealismus oder zum pantheistischen Naturalismus hinüber.

Die Atome sind kleiner als jede messbare Grösse. Sie haben eine Grösse, aber nicht diese oder jene bestimmte, denn jede angebbare Grösse kommt ihnen nicht zu.

Ebenso ist die Zeit, in welcher sich die Atome im leeren Raume bewegen, ganz unangeblich klein; ihre Bewegung hat durchaus kein Hinderniss. Die Figuren der Atome sind von unangeblicher Mannichfaltigkeit, aber doch ist die Zahl der vorkommenden Formen nicht schlechthin unendlich, weil sonst die im Weltall möglichen Bildungen nicht in bestimmte, wenn auch äusserst weite Grenzen. geschlossen sein könnten. 58)

In einem begrenzten Körper ist auch die Zahl wie die Verschiedenheit der Atome eine endliche, es giebt daher auch keine Theilung bis ins Unendliche.

Im leeren Raume giebt es kein Oben und Unten; dennoch muss auch hier eine Richtung der Bewegung der anderen entgegengesetzt sein. Solcher Richtungen giebt es unzählige, bei denen man in Gedanken ein Oben und Unten denken kann.

Die Seele ist ein feiner, durch das ganze Aggregat des Leibes zerstreuter Körper, am ähnlichsten dem Lufthauch mit einer Beimischung von Wärme. - Hier müssen wir die Gedanken Epikurs wieder durch eine kurze Bemerkung unterbrechen.

Unseren heutigen Materialisten würde gerade die Annahme einer solchen aus feiner Materie bestehenden Seele unter allen am meisten widerstehen. Allein während man dergleichen Annahmen

jetzt meist nur noch bei phantastischen Dualisten findet, stand die Sache damals, wo man von der Art der Nerventhätigkeit und den Funktionen des Gehirns nichts wusste, ganz anders. Die materielle Seele Epikurs ist ein ächter Bestandtheil des leiblichen Lebens, ein Organ, und nicht ein fremdartiges, für sich bestehendes und bei der Auflösung des Körpers für sich beharrendes Wesen. Dies geht aus den folgenden Ausführungen deutlich hervor:

Der Leib deckt die Seele und leitet ihr die Empfindung zu; er wird durch sie der Empfindung mit theilhaftig, jedoch unvollständig, und er verliert diese Empfindung, wenn die Seele sich zerstreut. Löst sich der Körper auf, so muss die Seele sich mit auflösen.

Die Entstehung der Bilder im Verstande kommt her von einer beständigen Ausstrahlung feiner Theilchen von der Oberfläche der Körper. Auf diese Art gehen wirkliche Abbilder der Dinge stofflich in uns ein.

Auch das Hören geschieht durch eine Strömung, die von den tönenden Körpern ausgeht. Sobald der Schall entsteht, wird der Laut aus gewissen Schwellungen gebildet, welche eine luftähnliche Strömung erzeugen.

Interessanter als jene Hypothesen, die beim Mangel aller wahren Naturforschung nicht anders als höchst kindlich ausfallen konnten, sind solche erklärende Annahmen, die von genauen positiven Kenntnissen unabhängiger sind. So versuchte Epikur die Entstehung der Sprache und des Wissens auf Naturgesetze zurückzuführen.

Die Benennungen der Dinge, lehrte er, sind nicht positiv entstanden, sondern indem die Menschen, je nach der Natur der Dinge, eigenthümliche Laute ausstiessen. Durch Uebereinkunft befestigte sich nun der Gebrauch dieser Laute, und so entwickelten sich die verschiedenen Sprachen. Neue Gegenstände veranlassten auch neue Laute, die dann durch den Gebrauch selbst sich ausbreiteten und verständlich wurden.

Die Natur hat den Menschen mannichfach belehrt und in die Nothwendigkeit versetzt, zu handeln.

Ueber nahe gebrachte Gegenstände entsteht von selbst Nachdenken und Forschung, bei den einen rascher, bei den andern langsamer; und so läuft die Entwickelung der Begriffe durch gewisse Perioden ins Unendliche fort.

Am wenigsten bildete Epikur die Logik aus, aber mit gutem

Lange, Gesch. d. Materialismus.

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Bedacht und aus Gründen, die seinem Denken wie seinem Charakter alle Ehre machen. Wenn man bedenkt, wie die grosse Masse der griechischen Philosophen durch paradoxe Behauptungen und dialektische Kunstgriffe zu glänzen suchte und meist mehr verwirrte als erklärte, so kann man den gesunden Sinn Epikurs nur loben, der ihn die Dialektik als unnütz und sogar schädlich verwerfen liess. Er bediente sich daher auch keiner technischen Terminologie von fremdartigem Klange, sondern erklärte alles in der gewöhnlichen Sprache. Vom Redner verlangte er nichts als Deutlichkeit. Dessenungeachtet suchte er einen Kanon der Wahrheit aufzustellen.

Hier stossen wir wieder auf einen Punkt, in welchem Epikur noch fast überall missverstanden und unterschätzt wird. Dass seine Logik sehr einfach ist, gesteht man allgemein zu, aber mit einem geringschätzigen Seitenblick, welcher sich Angesichts der wahren. Sachlage schwerlich rechtfertigen lässt. Epikurs Logik ist eine streng sensualistische und empirische; von diesem Standpunkte aus will sie geprüft sein und es dürfte sich zeigen, dass ihre wesentlichen Grundzüge, so weit wir sie aus den verstümmelten und mannichfach getrübten Berichten, die uns erhalten sind, entnehmen können, nicht nur klar und consequent sind, sondern auch unanfechtbar bis zu dem Punkte, wo der einseitige Empirismus überhaupt seine Schranke findet.

Die letzte Basis aller Erkenntniss ist die sinnliche Wahrnehmung. Sie ist an sich immer wahr; nur durch Beziehung derselben auf einen veranlassenden Gegenstand entsteht der Irrthum. Wenn ein Wahnsinniger einen Drachen sieht, so ist diese Wahrnehmung als solche untrüglich. Er nimmt das Bild eines Drachen. wahr; daran kann keine Vernunft und keine Denkregel etwas ändern. Wenn er aber glaubt, dieser Drache werde ihn verschlingen, so

Der Irrthum steckt in der Beziehung der Wahrnehmung auf das Objekt. Es ist generisch der gleiche Irrthum, wie wenn ein Gelehrter mit der nüchternsten Forschung ein Phänomen am Himmel falsch erklärt. Die Wahrnehmung ist wahr, die Beziehung auf eine angenommene Ursache falsch.

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Aristoteles lehrt freilich, wahr und falsch zeige sich nur in der Synthesis von Subjekt und Prädikat, im Urtheil. Chimäre" ist weder falsch noch wahr; wenn aber Jemand sagt, die Chimäre existirt, oder sie existirt nicht, so sind diese Sätze entweder wahr oder falsch.

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Ueberweg behauptet (Grundriss I, 4. Aufl. S. 220) Epikur habe die Wahrheit und die psychische Wirklichkeit miteinander verwechselt. Aber um diess behaupten zu können, muss er die „Wahrheit“ definiren als „, Uebereinstimmung des psychischen Gebildes mit einem an sich vorhandenen Objekte" und diese Definition stimmt zwar mit Ueberwegs Logik, allein sie ist weder allgemein angenommen, noch nothwendig.

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Beseitigen wir den Wortstreit! Wenn Epikurs Wahnsinniger bei sich das Urtheil bildet: Diese Erscheinung ist das Gesichtsbild eines Drachen", so kann Aristoteles nichts mehr gegen die Wahrheit dieses Urtheils einwenden. Dass der Wahnsinnige in Wirklichkeit (nicht immer!) anders urtheilt, gehört nicht hieher.

Diese Bemerkung sollte auch gegen Ueberweg genügen, denn es giebt gewiss nichts, das so sehr im eigentlichsten Sinne des Wortes,,an sich" vorhanden ist, als unsre Vorstellungen, von denen alles Andre erst abgeleitet wird. Allein Ueberweg versteht die Sache anders und deshalb soll auch hier dem blossen Missverständniss in Worten anders begegnet werden. Wahr" kann in seiner Sprache Epikurs Wahrnehmung nicht mehr heissen, wohl aber gewiss“, weil einfach, unbestreitbar, unmittelbar gegeben.

Und nun fragt es sich: Ist diese unmittelbare Gewissheit der einzelnen, individuellen, concreten Wahrnehmungen Basis aller Wahrheit“, auch wenn man sie in Ueberwegs Sinne versteht, oder nicht. Der Empiriker wird sagen Ja, der Idealist (d. h. der platonische, nicht etwa der Berkeley'sche!) wird sagen Nein. Auf die Tiefen dieses Gegensatzes kommen wir später. Hier genügt es, Epikurs Gedankengang völlig klar zu machen und ihn dadurch als berechtigt nachzuweisen.

Bis dahin ist Epikurs Standpunkt derjenige des Protagoras und es ist daher von vorn herein ein Missverständniss, wenn man ihn damit glaubt widerlegen zu können, dass man die Consequenz zieht: also müssen auch entgegengesetzte Behauptungen nach Epikur, wie nach Protagoras, gleich wahr sein. Epikur antwortet: sie sind wahr, jede für ihr Objekt. Die entgegengesetzten Behauptungen über denselben Gegenstand haben aber nur dem Namen nach denselben Gegenstand. Die Objekte sind verschieden; denn die Objekte sind eben nicht die Dinge an sich", sondern die Sinnesbilder derselben. Diese sind der einzige Ausgangspunkt. Die „Dinge an

Bedacht und aus Gründen, die seinem i alle Ehre machen. Wenn man bede griechischen Philosophen durch paran tische Kunstgriffe zu glänzen suchte erklärte, so kann man den gesund ihn die Dialektik als unnütz und Er bediente sich daher auch kei: fremdartigem Klange, sondern e Sprache. Vom Redner verlangte ungeachtet suchte er einen Kan

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