Gottfried August Bürger. Die Holde, die ich meine. O was in tausend Liebespracht Die Holde, die ich meine, lacht! Verkünd' es laut, mein frommer Mund: Wer that sich in dem Wunder kund, Wodurch in tausend Liebespracht Die Holde, die ich meine, lacht? Wer hat, wie Paradieseswelt, Wer tuschte so mit Kunst und Fleiß Wer schuf der Holden Purpurmund Wer ließ vom Nacken blond und schön Wer gab zu Liebesred' und Sang Der Holden süßer Stimme Klang? Er, welcher Flötenmelodie Der Lerch' und Nachtigall verlieh, Wer hat zur Fülle höchster Lust Er auch, durch den ihr Ebenbild, Des Schwanes Brust, von Flaumen schwillt, Er hat zur Fülle höchster Lust Gewölbt der Holden weiße Brust. Durch welches Bildners Hände ward Wer blies so engelfromm und rein Lob sei, o Bildner, deiner Kunst, Und hoher Dank für deine Gunst, • Daß so dein Abbild mich entzückt Mit Allem, was die Schöpfung schmückt! Lob sei, o Bildner, deiner Kunst, Und hoher Dank für deine Gunst! Doch ach! für wen auf Erden lacht Auf die Morgenröthe. Sonett. Wann die goldne Frühe, neu geboren, Grauer Tithon! du empfängst Auroren Froh auf's neu', sobald der Abend thaut; Aber ich umarm' erst meine Braut An des Schattenlandes schwarzen Thoren. Tithon! deines Alters Dämmerung Aber mir erloschen die Gestirne, Sank der Tag in öde Finsterniß, Als sich Molly dieser Welt entriß. Die Erscheinung. Sonett. Staunend bis zum Gruß der Morgenhoren Lag ich, und erwog den freien Schwur, Da erschien, begleitet von Auroren, Ach! zu kurzer Wonne mir geboren. Weinend, wie zur Sühne, hub ich an: „Wahn, ich fände dich, o Engel wieder Zog in's Netz der Heuchelei mich nieder.”— „Wisse nun, o lieber blinder Mann,“ Sagte sie mit holdem Flötentone, „Daß ich nirgends als im Himmel wohne.“ An das Herz. Sonett. Lange schon in manchem Sturm und Drange Wandeln meine Füße durch die Welt. Bald den Lebensmüden beigesellt, Ruh' ich aus von meinem Pilgergange. Leise sinkend faltet sich die Wange; Jede meiner Blüten welkt und fällt. Herz, ich muß dich fragen: was erhält Dich in Kraft und Fülle noch so lange? |