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Gottfried August Bürger.

Die Holde, die ich meine. O was in tausend Liebespracht Die Holde, die ich meine, lacht! Verkünd' es laut, mein frommer Mund: Wer that sich in dem Wunder kund, Wodurch in tausend Liebespracht Die Holde, die ich meine, lacht?

Wer hat, wie Paradieseswelt,
Der Holden blaues Aug' erhellt? -
Er, welcher über Meer und Land
Den lichten Himmel ausgespannt,
Er hat, wie Paradieseswelt,
Der Holden blaues Aug' erhellt.

Wer tuschte so mit Kunst und Fleiß
Der Holden Wange roth und weiß?
Er, der die sanfte Lieblichkeit
Der jungen Mandelblüte leiht,
Er tuschte so mit Kunst und Fleiß
Der Holden Wange roth und weiß.

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Wer schuf der Holden Purpurmund
So würzig süß, so lieb und rund?
Er, der mit Süßigkeit so mild
Die Amarelle würzt und füllt,
Er schuf der Holden Purpurmund
So würzig süß, so lieb und rund.

Wer ließ vom Nacken blond und schön
Der Holden seid'ne Locken wehn?
Er, der in seinem milden West
Die goldnen Halme wallen läßt,
Er ließ vom Nacken blond und schön
Der Holden seid'ne Locken wehn.

Wer gab zu Liebesred' und Sang

Der Holden süßer Stimme Klang?

Er, welcher Flötenmelodie

Der Lerch' und Nachtigall verlieh,
Er gab zu Liebesred' und Sang
Der Holden süßer Stimme Klang.

Wer hat zur Fülle höchster Lust
Gewölbt der Holden weiße Brust? -

Er auch, durch den ihr Ebenbild,

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Des Schwanes Brust, von Flaumen schwillt,

Er hat zur Fülle höchster Lust

Gewölbt der Holden weiße Brust.

Durch welches Bildners Hände ward
Der Holden Wuchs so schlank und zart?
Durch ihn, der wohl zu jeder Frist
Der Schönheit Bildner war und ist,
Durch ihn, den höchsten Bildner, ward
Der Holden Wuchs so schlank und zart.

Wer blies so engelfromm und rein
Der Holden Seel' und Leben ein?
Wer sonst, als Er nur, dessen Ruf
Die Engel seines Himmels schuf?
Er blies so engelfromm und rein
Der Holden Seel' und Leben ein.

Lob sei, o Bildner, deiner Kunst, Und hoher Dank für deine Gunst, • Daß so dein Abbild mich entzückt Mit Allem, was die Schöpfung schmückt! Lob sei, o Bildner, deiner Kunst, Und hoher Dank für deine Gunst!

Doch ach! für wen auf Erden lacht
Die Holde so in Liebespracht?
O Gott, bei deinem Sonnenschein !
Fast möcht' ich nie geboren sein,
Wenn nie in solcher Liebespracht
Die Holde mir auf Erden lacht.

Auf die Morgenröthe.

Sonett.

Wann die goldne Frühe, neu geboren,
Am Olymp mein matter Blick erschaut,
Dann erblass' ich, wein' und seusze laut:
Dort im Glanze wohnt, die ich verloren!

Grauer Tithon! du empfängst Auroren Froh auf's neu', sobald der Abend thaut; Aber ich umarm' erst meine Braut

An des Schattenlandes schwarzen Thoren.

Tithon! deines Alters Dämmerung
Mildert mit dem Strahl der Rösenstirne
Deine Göttin, ewig schön und jung:

Aber mir erloschen die Gestirne,

Sank der Tag in öde Finsterniß,

Als sich Molly dieser Welt entriß.

Die Erscheinung.

Sonett.

Staunend bis zum Gruß der Morgenhoren

Lag ich, und erwog den freien Schwur,
Welchen mir ein Kind der Unnatur
Beispiellos gebrochen, wie geschworen.

Da erschien, begleitet von Auroren,
Die empor im Rosenwagen fuhr,
Jene Tochter heiliger Natur,

Ach! zu kurzer Wonne mir geboren.

Weinend, wie zur Sühne, hub ich an: „Wahn, ich fände dich, o Engel wieder Zog in's Netz der Heuchelei mich nieder.”—

„Wisse nun, o lieber blinder Mann,“ Sagte sie mit holdem Flötentone,

„Daß ich nirgends als im Himmel wohne.“

An das Herz.

Sonett.

Lange schon in manchem Sturm und Drange Wandeln meine Füße durch die Welt. Bald den Lebensmüden beigesellt, Ruh' ich aus von meinem Pilgergange.

Leise sinkend faltet sich die Wange; Jede meiner Blüten welkt und fällt. Herz, ich muß dich fragen: was erhält Dich in Kraft und Fülle noch so lange?

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