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Spricht die Späßin: „Theurer Mann, ,,Denken wir der neuey Pflichten,

„Fangen wir noch heute an,

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Uns ein Nestchen einzurichten!“

Spricht der Spatz: „Das Nester bau'n, Eier brüten, Junge füttern

‚Und dem Mann den Kopf zu krau'n

„Liegt den Weibern ob und Müttern!“

Spricht die Späßin: „O, Barbar! „Soll ich bei der Arbeit schwitzen? „Und du willst nur immerdar „Zwitschern und herumstipihen?“

Spricht der Spaß: „Ich will dich hier „Mit zwei Worten kurz berichten, „Für den Spatz — ist das Plaisir,

„Für die Spätin — sind die Pflichten!“

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Justinus Kerner.

Preis der Tanne.

Jüngsthin hört' ich, wie die Rebe Zu der Tanne sprach und schalt: „Stolze, himmelwärts dich hebe, „Dennoch bleibst du starr und kalt!

„Spend' auch ich nur kargen Schatten „Wegemüden gleich wie du,

"

Führet doch mein Saft die Matten

– O, wie leicht! der Heimat zu.

„Und im Herbste, welche Wonne „Bring' ich in des Menschen Haus, ,,Schaff' ihm eine neue Sonne, „Wenn die alte löschet aus!"

So sich brüstend sprach die Rebe,
Doch die Tanne blieb nicht stumm,
Säuselnd sprach sie: „Gerne gebe
„Ich der Rebe Preis und Ruhm.

„Eines doch ist mir beschieden, „Mehr zu laben als dein Wein, „Lebensmüde - welchen Frieden ,,Schließen meine Breter ein!"

Ob die Rebe gab gefangen Sich der Tanne, weiß ich nicht; Doch sie schwieg und Thränen hangen

Sah ich ihr am Augenlicht.

Stille Thränen.

Du bist vom Schlaf erstanden
Und wandelst durch die Au,

Da liegt ob allen Landen
Der Himmel wunderblau.

So lang du ohne Sorgen
Geschlummert schmerzenlos,
Der Himmel bis zum Morgen
Viel Thränen niedergoß.

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