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Anaftafius Grün.

Der lehte Dichter.

„Wann werdet ihr, Poeten, Des Dichtens einmal müd’? Wann wird einst ausgesungen Das alte, ew'ge Lied?

„Ist nicht schon längst geleeret Des Ueberflusses Horn? Gepflückt nicht alle Blumen, Geschöpft nicht jeder Born?”

So lang der Sonnenwagen
Im Azurgleis noch zieht,
Und nur Ein Menschenantlig
Zu ihm empor noch sieht;

So lang der Himmel Stürme

Und Donnerkeile hegt,

Und bang vor ihrem Grimme

Ein Herz noch zitternd schlägt;

So lang nach Ungewittern
Ein Regenbogen sprüht,
Ein Busen noch dem Frieden
Und der Versöhnung glüht;

So lang die Nacht den Aether
Mit Sternensaat besä't,
Und noch ein Mensch die Züge
Der goldnen Schrift versteht;

So lang der Mond noch leuchtet,

Ein Herz noch sehnt und fühlt;
So lang der Wald noch rauschet
Und einen Müden kühlt;

So lang noch Lenze grünen
Und Rosenlauben blüh’n,
So lang noch Wangen lächeln
Und Augen Freude sprüh’n;

So lang noch Gräber trauern
Mit den Cypreffen dran,
So lang ein Aug' noch weinen,
Ein Herz noch brechen kann:

So lange wallt auf Erden

Die Göttin Poesie,
Und mit ihr wandelt jubelnd,
Wem sie die Weihe lieh.

Und singend einst und jubelnd
Durch's alte Erdenhaus

Zieht als der letzte Dichter

Der letzte Mensch hinaus.

Noch hält der Herr die Schöpfung In seiner Hand fortan

Wie eine frische Blume

Und blickt sie lächelnd an.

Wenn diese Riesenblume

Dereinstens abgeblüht
Und Erden, Sonnenbälle

Als Blütenstaub versprüht;

Erst dann fragt, wenn zu fragen

Die Lust euch noch nicht mied,
Ob endlich ausgesungen

Das alte, ew'ge Lied?

Bestimmung.

Als der Herr die Ros' erschaffen, Sprach er: du sollst blüh'n und duften! Als er hieß die Sonne werden,

Sprach er: du sollst glüh'n und wärmen !

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