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Oft pfleget sich in Reifenröcken
Verrufne Schönheit zu verstecken.

Nur,,Der eingebildete Baumeister" bedeutet eine litterarische Satire gegen die abstracten Regeln:

Hört! in die Luft baut ihr nicht Schlösser!

Der Schluß giebt ziemlich unverblümt die Nußanwendung:
Laßt nur das Schloß ein Schauspiel sein;
Fällt hier kein Kritikus euch ein?

Die anakreontischen Gedichte und Erzählungen tragen zwar zum Theil die Schwächen der Gattung an sich, zum andern Theil aber überflügeln sie ihre Rivalen durch unmittelbare Lebenswahrheit;247) jedenfalls bezeichnen dieselben den Gipfel von Elias Schlegels Lyrik. Anakreontik war es ja, was er neben den Episteln seinem eigenen Vater entnehmen konnte; nur ein hereditäres Moment hat er charakteristischer Weise nie verwerthet: religiöse Gesänge überläßt er zeitlebens seinem Bruder Adolf. Ein seltsamer Contrast: der ernste, gravitätische Elias dichtet Anakreontika, während der fromme Sänger Adolf eine bewegliche, polemische Natur bekundet.

Aus dieser Welt der Lust und Liebe riß ihn des Lebens Ernst mit rauher Hand. Das Bestehen der juristischen Prüfung hätte ihm wenig genugt, wenn nicht Gönner für eine Anstellung sorgten. Durch die Briefe, welche diese sächsischen Jünglinge um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wechseln, 248) zieht sich neben der Liebe für die Dichtkunst wie ein rother Faden die Sorge um ein Amt. Jahrelang müssen sich Brüder und Freunde unterstüßen,249) ehe beide Theile versorgt sind. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt ein Stück wie Krügers,,Candidaten“ eine geradezu symptomatische Bedeutung für die Kulturgeschichte. Jahrelang mußten die armen Candidaten streben, ehe sie durch Gunst und Fürsprache einen mageren Bissen auffingen.

Bei solcher Sachlage durfte unser Elias Schlegel, welchen des Vaters widrige Schicksale schon im leßten Studienjahre kurze Zeit zur Annahme einer Hofmeisterstelle genöthigt hatten,250) nicht zögern, Vaterland, Vater, Brüder und Freunde im Stich zu lassen, als sich ein bescheidenes Amt im Ausland für ihn bot. Der sächsische Gesandte am dänischen Hofe, von Spener, verheirathete sich um diese Zeit mit der Witwe von Schlegels Oheim, und da er von den Kenntnissen und dem litterarischem Geschick des Elias hörte, stellte er denselben als Privatsecretär an, um ihn nach einigem Verweilen in Dresden mit sich nach Kopenhagen zu nehmen. 251)

Mit Schlegels Fortgang von Leipzig mußte naturgemäß sein vorwiegend persönliches Verhältniß zu Gottsched eine Verschiebung erfahren. Elias vergaß über allen ihm, wie wir fortdauernd sahen, wohlbewußten, sachlichen Meinungsverschiedenheiten keinen Augenblick die Höflichkeit des Sachsen sowie die Dankbarkeit gegen den akademischen Lehrer und litterarischen Berather, welcher ihm bereitwillig nicht nur seine poetischen und kritischen Sammlungen, sondern auch sein Haus eröffnet hatte. Von diesem Gesichtspunkte können wir es sehr wohl begreifen, wenn der erste Brief des Geschiedenen mit einer warmen Danksagung 252) anhebt:

„Eure Magnificenz haben bei meinem Aufenthalte in Leipzig mir so viele Kennzeichen von der Güte und Gewogenheit gegen mich gegeben, daß ich den Werth derselben nicht genugsam erkennen müßte, wenn ich dero Andenken nicht auch abwesend beständig zu erhalten suchete. Ich würde meine Schuldigkeit hierin schon längst in Acht genommen haben, wenn ich nicht die Zeit über, seit ich von Leipzig abgereiset bin, mich beständig hier und da auf dem Lande befunden hätte. Ich bin anjezt erst 8 Tage in Dresden, und ungeachtet meine Umstände mir ganz wohl Zeit lassen werden, noch zuweilen die Dichtkunst und Beredtsamkeit zu

treiben; so bin ich doch jezt noch zu wenig dazu eingerichtet, daß ich, wie ich mir bei meiner Anwesenheit öfters die Freiheit genommen, auch jest Eure Magnificenz etwas von meinen Arbeiten mittheilen und dero Urtheile überlassen fönnte."

Auch über die litterarischen Streitigkeiten verbreitet sich dieser Brief 258) mit dem Ausdruck einer rein persönlichen Empfindung für Gottsched:

Ich beklage in der That, daß man Eure Magnificenz igo auf allen Seiten anzugreifen sucht. Aber ich weiß allzuwohl, daß Eure Magnificenz dadurch an ihrem Werthe nicht verlieren, als daß ich Denenselben mein Mitleiden darüber weitläufig zu erkennen geben sollte. Und wenn dero Feinde ohne alles Mitleiden mit Ihnen umgehen: so find Eure Magnificenz und dero Freunde überzeugt, daß Sie keins vonnöthen haben. Was meine Person betrifft, so werde ich, und wenn Dieselben auch hundert Anfälle von den ersteren zu besorgen hätten, dennoch mit aller Aufrichtigkeit..."

Troß aller Ableugnung spricht aus diesen Zeilen offenbares Mitleid; Schlegel befand sich augenscheinlich in gleich peinlicher Lage wie sein Freund Kästner, welcher nach Gottscheds Tode bekennt, 254) kein Anhänger von Gottsched zu sein, aber unter anderem hinzusezt: Auch befand ich mich zu unbequem in dem Gedränge der wißigen Jugend, die über Gottscheden herfiel. Es erinnerte mich an eine Gewohnheit bei dem Stiergefechte. Wenn der Stier in den lezten Zügen liegt, eilt eine Menge beherzter Spanier hinzu, an ihm die Schärfe ihrer Klinge zu zeigen.“ Auch für Gottscheds Sammlungen liefert Schlegel weiterhin Beiträge, zumal da", wie er selbst sagt, 255),,ich eben kein Unglück dabei sehe, und ich deswegen nicht in vernünftiger Leute Augen dafür angesehen werden kann, als ob ich zu jemandes Fahne geschworen habe, wenn ich einem einen

Beitrag zu seinen Sammlungen gebe." Dieser Zusaß ist charakteristisch für die Stellung Schlegels im Jahre 1743: das erste directe Bekenntniß seiner Neutralität; auch ist er erst, nachdem andere Versuche zur Veröffentlichung seiner Dramen gescheitert waren, auf die Deutsche Schaubühne“ zurückgekommen. In dem Maße, in welchem er zu andern litterarischen Persönlichkeiten Beziehungen anknüpfen konnte, mußte naturgemäß seine Opposition gegen Gottsched immer deutlicher ausgesprochen werden.

Gelegenheit zu neuen Bekanntschaften bot ihm die Reise nach Kopenhagen in reichem Maße; denn es wurde in Berlin und Hamburg Station gemacht. In der preußischen Residenz frischte er freilich nur die Bekanntschaft mit seinem hartnäckigen litterarischen Gegner Straube auf und stattete einige folgenlose Besuche ab; ein eigentliches litterarisches Leben fehlte dort in den vierziger Jahren noch. Einen desto erleseneren Schriftstellerkreis fand Schlegel in Hamburg. Als Senior wurde Brockes verehrt, den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Verkehrs bildete Hagedorn. Fast täglich um die Mittagsstunde versammelte dieser joviale Dichter der Freude auf dem Dresserschen Kaffeehause die litterarische Welt Hamburgs um sich, und nicht gern anderswo als dort ließ er sich von Fremden sprechen. 256) Da sah Schlegel 257) den späteren Bremer Beiträger Ebert, jenen Behrmann, welcher das Trauerspiel „Die Horazier“ für Gottscheds Schaubühne lieferte, den Redacteur des Hamburgischen Correspondenten, Zingg u. a.; dort war es auch, wo er die Ackermannsche Truppe kennen lernte, wie er schon in Berlin die Schoenemannsche hatte spielen hören. 258) Auf Geburt, Rang und Titel legte man hier kein Gewicht. 259) Horazisches Denken und Genießen beseelte diesen Kreis.260) In den litterarischen Streitigkeiten nahm Hamburg eine neutrale Stellung ein: Brockes und Hagedorn ebenso wie der angesehene Journalist Zingg waren der wässerigen

Dichtung eben nicht günstig und hegten für Bodmer freundschaftliche Gesinnung,261) aber sie ließen Gottscheds Verdiensten allezeit Gerechtigkeit widerfahren 262) und mochten nicht wider ihn zu Felde ziehen. Das war ganz das Lebenselement, in welchem sich ein Elias Schlegel wohl fühlen mußte. Gesinnung, litterarische Stellung und das jugendliche Bedürfniß, sich anzulehnen, 268) zogen ihn namentlich zu Hagedorn hin. Von Kopenhagen aus entspann sich ein vertrauter Briefwechsel zwischen beiden, dem erst Schlegels Tod ein Ende bereitete. Auch war seine erste poetische Arbeit in der neuen Heimath eine Epistel an Hagedorn, welche freilich beweist, daß nicht sowohl Gemeinschaft großer litterarischer Ziele als die verwandte eudämonistische Lebensauffassung die beiden Dichter zusammengeführt hat:

Die Wissenschaft ist nichts, die uns nicht glücklich macht,
Und jeder hat umsonst den Büchern sich ergeben,

Der nicht vergnügter lebt, als andre Leute leben.

"

„Ich bin von dem Reiche der Gelehrten“, schreibt Schlegel 264) gleichzeitig dem neuen Freunde hier so entfernt, daß ich sehr selten erfahre, was in Deutschland geschieht, ehe es schon alt worden ist.“ Ein andermal klagt er: Dafür haben Sie das Glück in einer gelehrten Stadt zu leben, und ich muß mich in einer halben Barbarei behelfen wie ich kann." 265) Den Geschmack der dänischen Schriftsteller schildert er als überaus schlecht", den der Leser nennt er nicht sowohl verderbt als gleichgültig.,,Ueberhaupt ist man, und ich glaube nicht ohne Grund, viel empfindlicher gegen die Schönheiten des französischen Wißes, als gegen den so sehr gerühmten deutschen Wiß. Gleichwohl redet jedermann Deutsch hier und versteht es so gut als seine Muttersprache. 266) Allerdings hatte sich die deutsche Litteratur in Dänemark bisher nicht von der vortheilhaften Seite gezeigt: zwei deutsche Schauspielertruppen, erst die Spiegelbergsche, dann die des Herrn von Quoten, hatten

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