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Bin ich's noch, den du bei so viel Lichtern.
An dem Spieltisch hältst?

Oft so unerträglichen Gesichtern.
Gegenüber stellst?

Reizender ist mir des Frühlings Blüthe
Nun nicht auf der Flur;

Wo du, Engel, bist, ist Lieb' und Güte,
Wo du bist, Natur.

Mailied.

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!

Wie glänzt die Sonne!

Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüthen
Aus jedem Zweig,
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,

Und Freud' und Wonne

Aus jeder Brust.

Erd', o Sonne,

Glück, o Lust!

Lieb', o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blüthendampfe

Die volle Welt.

Mädchen, Mädchen,

Wie lieb' ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,

Wie ich dich liebe

Mit warmem Blut,

Die du mir Jugend
Und Freud' und Muth

Zu neuen Liedern

Und Tänzen gibst.

Sei ewig glücklich),

Wie du mich liebst!

Mit einem gemalten Band.

Kleine Blumen, kleine Blätter Streuen mir mit leichter Hand Gute junge Frühlings- Götter Tändelnd auf ein luftig Band.

Zephyr, nimm's auf deine Flügel,
Schling's um meiner Liebsten Kleid;
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterfeit,

Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung.
Einen Blick, geliebtes Leben!
Und ich bin belohnt genung.

Fühle, was dies Herz empfindet,
Reiche frei mir deine Hand,

Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband!

Mit einem goldnen Halskettchen.

Dir darf dies Blatt ein Kettchen bringen,
Das, ganz zur Biegsamkeit gewöhnt,
Sich mit viel hundert kleinen Schlingen
Um deinen Hals zu schmiegen sehnt.

Gewähr' dem Närrchen die Begierde,
Sie ist voll Unschuld, ist nicht kühn;
Am Tag ist's eine kleine Zierde,
Am Abend wirfst du's wieder hin.

Doch bringt dir Einer jene Kette,
Die schwerer drückt und ernster faßt,
Verdenk ich dir es nicht, Lisette,
Wenn du ein klein Bedenken hast.

Un Lottchen.

Mitten im Getümmel mancher Freuden,
Mancher Sorgen, mancher Herzensnoth,

Dent' ich dein, o Lottchen, denken dein die Beiden,

Wie beim stillen Abendroth

Du die Hand uns freundlich reichtest,

Da du uns auf reich bebauter Flur,
In dem Schooße herrlicher Natur
Manche leicht verhüllte Spur
Einer lieben Seele zeigtest.

Wohl ist mir's, daß ich dich nicht verkannt,
Daß ich gleich dich in der ersten Stunde,
Ganz den Herzensausdruck in dem Munde,
Dich ein wahres, gutes Kind genannt.

Still und eng und ruhig auferzogen,
Wirst man uns auf Einmal in die Welt;

Uns umspülen hunderttausend Wogen,

Alles reizt uns, Mancherlei gefällt,

Mancherlei verdrießt uns, und von Stund' zu Stunden

Schwankt das leichtunruhige Gefühl;

Wir empfinden, und was wir empfunden,

Spült hinweg das bunte Weltgewühl.

Wohl, ich weiß es, da durchschleicht uns innen.

Manche Hoffnung, mancher Schmerz.

Lottchen, wer kennt unsre Sinnen?

Lottchen, wer kennt unser Herz?

Ach, es möchte gern gekannt sein, überfließen

In das Mitempfinden einer Kreatur

Und vertrauend zwiefach neu genießen
Alles Leid und Freude der Natur.

Und da sucht das Aug' oft so vergebens
Rings umher und findet Alles zu;

So vertaumelt sich der schönste Theil des Lebens
Ohne Sturm und ohne Ruh;

Und zu deinem ew'gen Unbehagen

Stößt dich heute, was dich gestern zog.
Kannst du zu der Welt nur Neigung tragen,
Die so oft dich trog

Und bei deinem Weh, bei deinem Glücke
Blieb in eigenwill'ger, starrer Ruh?
Sieh, da tritt der Geist in sich zurücke,
Und das Herz - es schließt sich zu.

So fand ich dich und gieng dir frei entgegen.

„O, sie ist werth, zu sein geliebt!"

Kief ich, erflehte dir des Himmels reinsten Segen, Den er dir nun in deiner Freundin gibt.

Auf dem See.

Und frische Nahrung, neues Blut

Saug' ich aus freier Welt;

Wie ist Natur so hold und gut,
Die mich am Busen hält!
Die Welle wieget unsern Kahn
Im Rudertakt hinauf,

Und Berge, wolkig himmelan,
Begegnen unserm Lauf.

Goethe, Gedichte.

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