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Antike.

Homer ist lange mit Ehren genannt,
Jetzt ward euch Phidias bekannt;
Nun hält nichts gegen Beide Stich,
Darob ereifre Niemand sich.

Seid willkommen, edle Gäste,
Jedem echten deutschen Sinn;
Denn das Herrlichste, das Beste,
Bringt allein dem Geist Gewinn.

Begeisterung.

Fassest du die Muse nur beim Zipfel,

Hast du wenig nur gethan;

Geist und Kunst, auf ihrem höchsten Gipfel, Muthen alle Menschen an.

Studien.

Nachahmung der Natur

Der schönen

Ich gieng auch wohl auf dieser Spur;

Gewöhnen

Mocht' ich wohl nach und nach den Sinn,

Mich zu vergnügen;

Allein so bald ich mündig bin,

Es sind's die Griechen!

Typus.

Es ist nichts in der Haut,
Was nicht im Knochen ist.

Vor schlechtem Gebilde Jedem graut,
Das ein Augenschmerz ihm ist.

Was freut denn Jeden? Blühen zu sehn,

Das von innen schon gut gestaltet;

Außen mag's in Glätte, mag in Farben gehn, Es ist ihm schon voran gewaltet.

Ideale.

Der Maler wagt's mit Götter-Bildern,
Sein Höchstes hat er aufgestellt;

Doch, was er für unmöglich hält:

Dem Liebenden die Liebste schildern,

Er wag' es auch! Ein Traum wird frommen, Ein Schattenbild ist hoch willkommen.

Abwege.

Künstler, wird's im Innern steif,

Das ist nicht erfreulich!

Auch der vagen Züge Schweif

Ist uns ganz abscheulich;

Kommst du aber auf die Spur,
Daß du's nicht getroffen,
Zu der wahren Kunstnatur
Steht der Pfad schon offen.

Modernes.

„Wie aber kann sich Hans van Eyck
Mit Phidias nur messen?"

Ihr müßt, so lehr' ich, alsogleich
Einen um den Andern vergessen.

Denn wärt ihr stets bei Einer geblieben,
Wie könntet ihr noch immer lieben?
Das ist die Kunst, das ist die Welt,
Daß Eins ums Andere gefällt.

Dilettant und Künstler.

Blätter, nach Natur gestammelt,
Sind sie endlich auch gesammelt,
Deuten wohl auf Kunst und Leben;
Aber ihr im Künstlerkranze,
Jedes Blatt sei euch das Ganze,
Und belohnt ist euer Streben.

Landschaft.

Das alles sieht so lustig aus,
So wohl gewaschen das Bauerhaus,
So morgenthaulich Gras und Baum,
So herrlich blau der Berge Saum!
Seht nur das Wölkchen, wie es spielt
Und sich im reinen Aether kühlt!

Fände sich ein Niederländer hier,
Er nähme wahrlich gleich Quartier,
Und was er sieht und was er malt,
Wird hundert Jahre nachgezahlt.

Wie kommt dir denn Das alles vor?
Es glänzt, als wie durch Silberflor,
Durchscheinend ist's, es steht ein Licht
Dahinter, lieblichstes Gesicht.
Durch solcher holden Lampe Schein
Wird Alles klar und überein,
Was sonst ein garstig Ungefähr,
Tagtäglich, ein Gemeines wär'

Fehlt's dir an Geist und Kunst-Gebühr,
Die Liebe weiß schon Rath dafür.

Künstlerlied.

Zu erfinden, zu beschließen,
Bleibe, Künstler, oft allein!
Deines Wirkens zu genießen,
Eile freudig zum Verein!
Dort im Ganzen schau, erfahre
Deinen eignen Lebenslauf,
Und die Thaten mancher Jahre
Gehn dir in dem Nachbar auf.

Der Gedanke, das Entwerfen,
Die Gestalten, ihr Bezug,
Eines wird das Andre schärfen,
Und am Ende sei's genug!

Wohl erfunden, klug ersonnen,
Schön gebildet, zart vollbracht,
So von jeher hat gewonnen
Künstler kunstreich seine Macht.
Wie Natur im Bielgebilde
Einen Gott nur offenbart,
So im weiten Kunstgefilde
Webt Ein Sinn der ew'gen Art:
Dieses ist der Sinn der Wahrheit,
Der sich nur mit Schönem schmückt
Und getrost der höchsten Klarheit
Hellsten Tags entgegenblickt.

Wie beherzt in Reim und Prose
Redner, Dichter sich ergehn,
Soll des Lebens heitre Rose
Frisch auf Malertafel stehn,
Mit Geschwistern reich umgeben,
Mit des Herbstes Frucht umlegt,
Daß sie von geheimem Leben
Offenbaren Sinn erregt.

Tausendfach und schön entfließe
Form aus Formen deiner Hand,
Und im Menschenbild genieße,
Daß ein Gott sich hergewandt.
Welch ein Werkzeug ihr gebrauchet,
Stellet euch als Brüder dar;
Und gesangweis flammt und rauchet
Opfersäule vom Altar.

Goethe, Gedichte.

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