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Wenn sie verdrießlich dann das Aug' umwölkt,
Des Himmels Kläre widerwärtig schwärzt,
Dann, Seufzer-Winde, scheucht die Wolken weg,
Thränt nieder, sie in Regen aufzulösen!
Gedanke, Hoffnung, Liebe, bleibt nur dort,
Bis Cynthia scheint, wie sie mir sonst gethan!

Dem aufgehenden Vollmonde.

Dornburg, 25. August 1828.

Willst du mich sogleich verlassen?
Warst im Augenblick so nah!
Dich umfinstern Wolkenmassen,
Und nun bist du gar nicht da.

Doch du fühlst, wie ich betrübt bin,
Blickt dein Rand herauf als Stern!
Zeugest mir, daß ich geliebt bin,
Sei das Liebchen noch so fern.

So hinan denn! hell und heller,
Reiner Bahn, in voller Pracht!
Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller,
Ueberselig ist die Nacht.

Der Bräutigam.

Um Mitternacht, ich schlief, im Busen wachte
Das liebevolle Herz, als wär' es Tag;
Der Tag erschien, mir war, als ob es nachte;
Was ist es mir, so viel er bringen mag.

Sie fehlte ja; mein emsig Thun und Streben,
Für sie allein ertrug ich's durch die Gluth
Der heißen Stunde; welch erquicktes Leben
Am fühlen Abend! lohnend war's und gut.

Die Sonne sant, und Hand in Hand verpflichtet,
Begrüßten wir den letzten Segensblick,

Und Auge sprach, ins Auge flar gerichtet:
Von Osten, hoffe nur, sie kommt zurück!

Um Mitternacht der Sterne Glanz geleitet
Im holden Traum zur Schwelle, wo sie ruht.
O, sei auch mir dort auszuruhn bereitet,
Wie es auch sei, das Leben, es ist gut!

Dornburg, September 1828.

Früh, wenn Thal, Gebirg und Garten
Nebelschleiern sich enthüllen,

Und dem sehnlichsten Erwarten
Blumenkelche bunt sich füllen;

Wenn der Aether, Wolken tragend,
Mit dem klaren Tage streitet,

Und ein Ostwind, sie verjagend,

Blaue Sonnenbahn bereitet;

Dankst du dann, am Blick dich weidend,

Reiner Brust der Großen, Holden,

Wird die Sonne, röthlich scheidend,

Rings den Horizont vergolden.

Am Mitternacht.

Um Mitternacht gieng ich, nicht eben gerne,
Klein, kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin

Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern am Sterne,
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner, in des Lebens Weite,
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
Um Mitternacht.

Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins Finstre drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
Um Mitternacht.

Bei Betrachtung von Schillers Schädel.

Im ernsten Beinhaus war's, wo ich beschaute,
Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten;
Die alte Zeit gedacht' ich, die ergraute.
Sie stehn in Reih geklemmt, die sonst sich haßten,
Und derbe Knochen, die sich tödtlich schlugen,
Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.

Entrenkte Schulterblätter! Was sie trugen,
Fragt Niemand mehr; und zierlich thät'ge Glieder,
Die Hand, der Fuß zerstreut aus Lebensfugen.
Ihr Müden also lagt vergebens nieder;

Nicht Ruh im Grabe ließ man euch, vertrieben
Seid ihr herauf zum lichten Tage wieder,
Und Niemand kann die dürre Schale lieben,
Welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte.
Doch mir Adepten war die Schrift geschrieben,
Die heil'gen Sinn nicht Jedem offenbarte,
Als ich in Mitten solcher starren Menge
Unschäzbar herrlich ein Gebild gewahrte,
Daß in des Raumes Moderkält' und Enge
Ich frei und wärmefühlend mich erquickte,
Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge.
Wie mich geheimnißvoll die Form entzückte!
Die gottgedachte Spur, die sich erhalten!
Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte,
Das fluthend strömt gesteigerte Gestalten.
Geheim Gefäß, Orakelsprüche spendend!

Wie bin ich werth, dich in der Hand zu halten?
Dich höchsten Schaß aus Moder fromm entwendend
Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen,
Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend.
Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare?
Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen,
Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.

Aus den Leiden des jungen Werthers.

Jeder Jüngling sehnt sich, so zu lieben,
Jedes Mädchen, so geliebt zu sein;
Ach, der heiligste von unsern Trieben,
Warum quillt aus ihm die grimme Pein?

Du beweinst, du liebst ihn, liebe Seele,
Rettest sein Gedächtniß von der Schmach;
Sieh, dir winkt sein Geist aus seiner Höhle:
Sei ein Mann und folge mir nicht nach.

Trilogie der Leidenschaft.

An Werther.

Noch einmal wagst du, vielbeweinter Schatten,
Hervor dich an das Tageslicht,

Begegnest mir auf neu beblümten Matten,
Und meinen Anblick scheust du nicht.
Es ist, als ob du lebtest in der Frühe,
Wo uns der Thau auf Einem Feld erquickt
Und nach des Tages unwillkommner Mühe
Der Scheidesonne legter Strahl entzückt;
Zum Bleiben ich, zum Scheiden du erkoren,
Giengst du voran und hast nicht viel verloren.

Des Menschen Leben scheint ein herrlich Loos:
Der Tag, wie lieblich, so die Nacht, wie groß!
Und wir, gepflanzt in Paradieses Wonne,
Genießen kaum der hocherlauchten Sonne,

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