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Schlafend hatte sie mir so gefallen,
Daß ich mich nicht traute, sie zu wecken.

Leise leg' ich ihr zwei Pomeranzen

Und zwei Rosen auf das Tischchen nieder;
Sachte, sachte schleich' ich meiner Wege.
Oeffnet sie die Augen, meine Gute,
Gleich erblickt sie diese bunte Gabe,
Staunt, wie immer bei verschloßnen Thüren
Dieses freundliche Geschenk sich finde.

Seh' ich diese Nacht den Engel wieder,
O, wie freut sie sich, vergilt mir doppelt
Dieses Opfer meiner zarten Liebe!

Magisches Nek.

Zum 1. Mai 1803.

Sind es Kämpfe, die ich sehe?
Sind es Spiele? sind es Wunder?
Fünf der allerliebsten Knaben,
Gegen fünf Geschwister streitend,
Regelmäßig, taktbeständig,
Einer Zaubrin zu Gebote.

Blanke Spieße führen jene,

Diese flechten schnelle Fäden,
Daß man glaubt, in ihren Schlingen
Werde sich das Eisen fangen.
Bald gefangen sind die Spieße;
Doch im leichten Kriegestanze
Stiehlt sich einer nach dem andern

Aus der zarten Schleifenreihe,
Die sogleich den freien haschet,
Wenn sie den gebundnen löset.
So mit Ringen, Streiten, Siegen,
Wechselflucht und Wiederkehren
Wird ein künstlich Netz geflochten,
Himmelsflocken gleich an Weiße,
Die vom Lichten in das Dichte
Musterhafte Streifen ziehen,
Wie es Farben kaum vermöchten.

Wer empfängt nun der Gewänder
Allerwünschtes? Wen begünstigt
Unsre vielgeliebte Herrin,

Als den anerkannten Diener?
Mich beglückt des holden Looses
Treu und still ersehntes Zeichen!
Und ich fühle mich umschlungen,
Ihrer Dienerschaft gewidmet.
Doch indem ich so behaglich,
Aufgeschmückt, stolzirend wandle,
Sieh! da knüpfen jene Losen,
Ohne Streit, geheim geschäftig,
Andre Neße, fein und feiner,
Dämmrungsfäden, Mondenblicke,
Nachtviolenduft verwebend.

Eh wir nur das Netz bemerken,
Ist ein Glücklicher gefangen,
Den wir andern, den wir alle
Segnend und beneidend grüßen.

Der Becher.

Einen wohlgeschnitten vollen Becher
Hielt ich drückend in den beiden Händen,
Sog begierig süßen Wein vom Rande,
Gram und Sorg' auf Einmal zu vertrinken.

Amor trat herein und fand mich sizen,
Und er lächelte bescheidenweise,
Als den Unverständigen bedauernd.

‚Freund, ich kenn' ein schöneres Gefäße,
Werth, die ganze Seele drein zu senken;
Was gelobst du, wenn ich dir es gönne,
Es mit anderm Nektar dir erfülle ?“

O, wie freundlich hat er Wort gehalten,
Da er, Lida, dich mit sanfter Neigung
Mir, dem lange Sehnenden, geeignet!

Wenn ich deinen lieben Leib umfasse
Und von deinen einzig treuen Lippen
Langbewahrter Liebe Balsam koste,
Selig sprech' ich dann zu meinem Geiste:

Nein, ein solch Gefäß hat, außer Amorn,
Nie ein Gott gebildet, noch besessen!
Solche Formen treibet nie Vulkanus
Mit den finnbegabten feinen Hämmern!
Auf belaubten Hügeln mag Lyäus
Durch die ältsten, klügsten seiner Faunen
Ausgesuchte Trauben feltern lassen,
Selbst geheimnißvoller Gährung vorstehn:
Solchen Trank verschafft ihm keine Sorgfalt!

Nachtgedanken.

Euch bedaur' ich, unglücksel'ge Sterne,
Die ihr schön seid und so herrlich scheinet,
Dem bedrängten Schiffer gerne leuchtet,
Unbelohnt von Göttern und von Menschen:
Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die Liebe!
Unaufhaltsam führen ew'ge Stunden
Eure Reihen durch den weiten Himmel.
Welche Reise habt ihr schon vollendet,
Seit ich, weilend in dem Arm der Liebsten,
Euer und der Mitternacht vergessen.

Un Lida.

Den Einzigen, Lida, welchen du lieben kannst,
Forderst du ganz für dich, und mit Recht.

Auch ist er einzig dein;

Denn, seit ich von dir bin,

Scheint mir des schnellsten Lebens

Lärmende Bewegung

Nur ein leichter Flor, durch den ich deine Gestalt

Immerfort wie in Wolken erblicke:

Sie leuchtet mir freundlich und treu,

Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen
Ewige Sterne schimmern.

Für ewig.

Denn was der Mensch in seinen Erdeschranken
Von hohem Glück mit Götternamen nennt,
Die Harmonie der Treue, die kein Wanken,
Der Freundschaft, die nicht Zweifelsorge kennt,

Das Licht, das Weisen nur zu einsamen Gedanken,
Das Dichtern nur in schönen Bildern brennt,
Das hatt' ich all' in meinen besten Stunden
In Ihr entdeckt und es für mich gefunden.

Zwischen beiden Welten.

Einer Einzigen angehören,
Einen Einzigen verehren,
Wie vereint es Herz und Sinn!
Lida! Glück der nächsten Nähe,
William! Stern der schönsten Höhe,
Euch verdank' ich, was ich bin.
Tag' und Jahre sind verschwunden,
Und doch ruht auf jenen Stunden
Meines Werthes Vollgewinn.

Aus einem Stammbuch von 1604.

(Nach dem Englischen.)

Hoffnung beschwingt Gedanken, Liebe Hoffnung.
In klarster Nacht hinauf zu Cynthien, Liebe!
Und sprich: wie sie sich oben umgestaltet,
So auf der Erde schwindet, wächst mein Glück.
Und wispere sanft-bescheiden ihr ans Ohr,
Wie Zweifel oft das Haupt hieng, Treue thränte.
Und ihr, Gedanken, mißzutrau'n geneigt,
Beschilt euch die Geliebte dessenthalb,

So sagt: ihr wechselt zwar, doch ändert nicht,
Wie sie Dieselbe bleibt und immer wechselt.
Untrauen tritt ins Herz, vergiftet's nicht,
Denn Lieb' ist süßer, von Verdacht gewürzt.

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