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Sonette.

Liebe will ich liebend loben;

Jede Form, sie kommt von oben.

I.

Mächtiges Aeberraschen.

Ein Strom entrauscht umwölktem Felsensaale,
Dem Ocean sich eilig zu verbinden;

Was auch sich spiegeln mag von Grund zu Gründen,
Er wandelt unaufhaltsam fort zu Thale.

Dämonisch aber stürzt mit einem Male -
Ihr folgten Berg und Wald in Wirbelwinden
Sich Oreas, Behagen dort zu finden,

Und hemmt den Lauf, begrenzt die weite Schale.
Die Welle sprüht und staunt zurück und weichet
Und schwillt bergan, sich immer selbst zu trinken;
Gehemmt ist nun zum Vater hin das Streben.

Sie schwankt und ruht, zum See zurückgedeichet;
Gestirne, spiegelnd sich, beschaun das Blinken
Des Wellenschlags am Fels, ein neues Leben.

II.

Freundliches Begegnen.

Im weiten Mantel bis ans Kinn verhüllet,
Gieng ich den Felsenweg, den schroffen, grauen,
Hernieder dann zu winterhaften Auen,
Unruh'gen Sinns, zur nahen Flucht gewillet.

Auf einmal schien der neue Tag enthüllet:
Ein Mädchen kam, ein Himmel anzuschauen,
So musterhaft, wie jene lieben Frauen
Der Dichterwelt. Mein Sehnen war gestillet.

Doch wandt' ich mich hinweg und ließ sie gehen
Und wickelte mich enger in die Falten,
Als wollt ich trußend in mir selbst erwarmen;

Und folgt ihr doch. Sie stand. Da war's geschehen!
In meiner Hülle konnt' ich mich nicht halten,
Die warf ich weg, Sie lag in meinen Armen.

III.

Kurz und gut.

Sollt' ich mich denn so ganz an Sie gewöhnen?
Das wäre mir zuletzt doch reine Plage.
Darum versuch' ich's gleich am heut'gen Tage
Und nahe nicht dem vielgewohnten Schönen.

Wie aber mag ich dich, mein Herz, versöhnen,
Daß ich im wicht'gen Fall dich nicht befrage?
Wohlan! Komm her! Wir äußern unsre Klage
In liebevollen, traurig heitern Tönen.

Siehst du, es geht! Des Dichters Wink gewärtig, Melodisch klingt die durchgespielte Leier,

Ein Liebesopfer traulich darzubringen.

Du denkst es kaum, und sieh! das Lied ist fertig; Allein, was nun? Ich dächt', im ersten Feuer Wir eilten hin, es vor ihr selbst zu singen.

-

IV.

Das Mädchen spricht.

Du siehst so ernst, Geliebter! Deinem Bilde
Von Marmor hier möcht' ich dich wohl vergleichen:
Wie dieses gibst du mir kein Lebenszeichen;
Mit dir verglichen, zeigt der Stein sich milde.

Der Feind verbirgt sich hinter seinem Schilde,
Der Freund soll offen seine Stirn uns reichen.
Ich suche dich, du suchst mir zu entweichen;
Doch halte Stand, wie dieses Kunstgebilde.

An wen von Beiden soll ich nun mich wenden?
Sollt' ich von Beiden Kälte leiden müssen,
Da dieser todt und du lebendig heißest?

Kurz, um der Worte mehr nicht zu verschwenden,
So will ich diesen Stein so lange füssen,

Bis eifersüchtig du mich ihm entreißest.

V.

Wachsthum.

Als kleines art'ges Kind nach Feld und Auen
Sprangst du mit mir so manchen Frühlingsmorgen.
„Für solch ein Töchterchen, mit holden Sorgen,
Möcht' ich als Vater segnend Häuser bauen!"

Und als du anfiengst in die Welt zu schauen,
War deine Freude häusliches Besorgen.
„Solch eine Schwester! und ich wär' geborgen:
Wie könnt' ich ihr, ach! wie sie mir vertrauen!"

Nun kann den schönen Wachsthum nichts beschränken;
Ich fühl im Herzen heißes Liebetoben.

Umfass' ich sie, die Schmerzen zu beschwicht'gen?

Doch, ach! nun muß ich dich als Fürstin denken:
Du stehst so schroff vor mir emporgehoben;
Ich beuge mich vor deinem Blick, dem flücht'gen.

VI.

Reisezehrung.

Entwöhnen sollt' ich mich vom Glanz der Blicke,
Mein Leben sollten sie nicht mehr verschönen.
Was man Geschick nennt, läßt sich nicht versöhnen,
Ich weiß es wohl und trat bestürzt zurücke.

Nun wußt' ich auch von keinem weitern Glücke;
Gleich fieng ich an von diesen und von jenen
Nothwend'gen Dingen sonst mich zu entwöhnen:
Nothwendig schien mir nichts als ihre Blicke.

Des Weines Gluth, den Vielgenuß der Speisen,
Bequemlichkeit und Schlaf und sonst'ge Gaben,
Gesellschaft wies ich weg, daß wenig bliebe.

So kann ich ruhig durch die Welt nun reisen:
Was ich bedarf, ist überall zu haben,

Und Unentbehrlichs bring' ich mit die Liebe.

VII.

Abschied.

War unersättlich nach viel tausend Küssen
Und mußt mit Einem Kuß am Ende scheiden;
Nach herber Trennung tief empfundnem Leiden
War mir das Ufer, dem ich mich entrissen,

Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen,
So lang ich's deutlich sah, ein Schatz der Freuden;
Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden
An fernentwichnen lichten Finsternissen.

Und endlich, als das Meer den Blick umgrenzte,
Fiel mir zurück ins Herz mein heiß Verlangen;
Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen.

Da war es gleich, als ob der Himmel glänzte; Mir schien, als wäre nichts mir, nichts entgangen, Als hätt' ich Alles, was ich je genossen.

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