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Und wer rasch ist und verwegen,
Kommt vielleicht noch besser fort.
Doch wem wenig dran gelegen
Scheinet, ob er reizt und rührt,
Der beleidigt, der verführt.

Der Bufriedne.

Vielfach ist der Menschen Streben,

Ihre Unruh, ihr Verdruß;

Auch ist manches Gut gegeben,
Mancher liebliche Genuß.

Doch das größte Glück im Leben
Und der reichlichste Gewinn
Ist ein guter, leichter Sinn.

Der lustige Rath.

Wer der Menschen thöricht Treiben
Täglich sieht und täglich schilt
Und, wenn Andre Narren bleiben,
Selbst für einen Narren gilt,
Der trägt schwerer, als zur Mühle
Irgend ein beladen Thier.
Und, wie ich im Busen fühle,
Wahrlich, so ergeht es mir.

Verschiedene Empfindungen an Sinem Plate.

Das Mädchen.

Ich hab' ihn gesehen,
Wie ist mir geschehen?

O himmlischer Blick!
Er kommt mir entgegen;
Ich weiche verlegen,

Ich schwanke zurück.

Ich irre, ich träume!
Ihr Felsen, ihr Bäume,
Verbergt meine Freude,
Verberget mein Glück!

Der Jüngling.

Hier muß ich sie finden!
Ich sah sie verschwinden,
Ihr folgte mein Blick.
Sie kam mir entgegen,
Dann trat sie verlegen
Und schamroth zurück.
Ist's Hoffnung? find's Träume?
Ihr Felsen, ihr Bäume,

Entdeckt mir die Liebste,

Entdeckt mir mein Glück!

Der Schmachtende.

Hier flag' ich verborgen
Dem thauenden Morgen.
Mein einsam Geschick.
Verkannt von der Menge,
Wie zieh' ich ins Enge
Mich stille zurück!
O zärtliche Seele,
schweige, verhehle
Die ewigen Leiden,
Verhehle dein Glück!

Der Jäger.

Es lohnet mich heute
Mit doppelter Beute
Ein gutes Geschick.
Der redliche Diener
Bringt Hasen und Hühner
Beladen zurück;

Hier find' ich gefangen
Auch Vögel noch hangen!
Es lebe der Jäger,
Es lebe sein Glück!

Wer kauft Liebesgötter?

Von allen schönen Waaren,
Zum Markte hergefahren,
Wird keine mehr behagen,
Als die wir euch getragen
Aus fremden Ländern bringen.
O, höret, was wir singen,
Und seht die schönen Vögel!
Sie stehen zum Verkauf.

Zuerst beseht den großen,
Den lustigen, den losen!
Er hüpfet leicht und munter
Bon Baum und Busch herunter;
Gleich ist er wieder droben.
Wir wollen ihn nicht loben.
, seht den muntern Vogel!
Er steht hier zum Verkauf.

Goethe, Gedichte.

3

Betrachtet nun den kleinen;
Er will bedächtig scheinen,
Und doch ist er der Lose,
So gut als wie der große.
Er zeiget meist im Stillen
Den allerbesten Willen.
Der lose kleine Vogel,
Er steht hier zum Verkauf.

O, seht das kleine Täubchen,
Das liebe Turtelweibchen!
Die Mädchen sind so zierlich,
Verständig und manierlich;
Sie mag sich gerne pußen
Und eure Liebe nußen.
Der kleine zarte Vogel,
Er steht hier zum Verkauf.

Wir wollen sie nicht loben,
Sie stehn zu allen Proben.
Sie lieben sich das Neue;
Doch über ihre Treue

Verlangt nicht Brief und Siegel;

Sie haben alle Flügel.

Wie artig sind die Vögel,

Wie reizend ist der Kauf!

Der Misanthrop.

Erst sist er eine Weile,

Die Stirn von Wolken frei;

Auf einmal kommt in Eile
Sein ganz Gesicht der Eule
Verzerrtem Ernste bei.
Ihr fraget, was das sei?
Lieb' oder Langeweile?
Ach, sie sind's alle zwei!

Liebe wider Willen.

Ich weiß es wohl und spotte viel:
Ihr Mädchen seid voll Wankelmuth!
Ihr liebet, wie im Kartenspiel,
Den David und den Alexander;
Sie sind ja Forcen miteinander,
Und die sind miteinander gut.
Doch bin ich elend wie zuvor,
Mit misanthropischem Gesicht,
Der Liebe Sklav, ein armer Thor!

Wie gern wär' ich sie los, die Schmerzen!
Allein es sigt zu tief im Herzen,
Und Spott vertreibt die Liebe nicht.

Wahrer Genuh.

Umsonst, daß du, ein Herz zu lenken,
Des Mädchens Schooß mit Golde füllst;
Der Liebe Freuden laß dir schenken,
Wenn du sie wahr empfinden willst.
Gold tauft die Stimme großer Haufen,
Kein einzig Herz erwirbt es dir;
Doch willst du dir ein Mädchen kaufen,
So geh und gib dich selbst dafür.

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