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Der Park.

Welch ein himmlischer Garten entspringt aus Ded' und aus Wüste,

Wird und lebet und glänzt herrlich im Lichte vor mir! Wohl den Schöpfer ahmet ihr nach, ihr Götter der Erde! Fels und See und Gebüsch, Vögel und Fisch und Gewild.

Nur daß euere Stätte sich ganz zum Eden vollende, Fehlet ein Glücklicher hier, fehlt euch am Sabbat die Ruh.

Die Lehrer.

Als Diogenes still in seiner Tonne sich sounte
Und Calanus mit Lust stieg in das flammende Grab,
Welche herrliche Lehre dem raschen Sohn des Philippus,
Wäre der Herrscher der Welt nicht auch der Lehre
zu groß!

Versuchung.

Reichte die schädliche Frucht einst Mutter Eva dem Gatten, Ach! vom thörichten Biß kränkelt das ganze Geschlecht. Nun, vom heiligen Leibe, der Seelen speiset und heilet,

Kostest du, Lydia, fromm, liebliches büßendes Kind! Darum schick' ich dir eilig die Frucht voll irdischer Süße, Daß der Himmel dich nicht deinem Geliebten entzieh'.

Angleiche Heirath.

Selbst ein so himmlisches Paar fand nach der Verbindung sich ungleich:

Psyche ward älter und klug, Amor ist immer noch Kind.

Heilige Familie.

des süßen Kindes, und o der glücklichen Mutter, Wie sie sich einzig in ihm, wie es in ihr sich

ergößt!

Welche Wonne gewährte der Blick auf dies herrliche Bild mir,

Stünd' ich Armer nicht so heilig, wie Joseph, dabei!

Entschuldigung.

Du verklagest das Weib, sie schwanke von Einem zum Andern!

Tadle sie nicht: sie sucht einen beständigen Mann.

Feldlager.

1790.

Grün ist der Boden der Wohnung, die Sonne scheint durch die Wände,

Und das Vögelchen singt über dem leinenen Dach. Kriegerisch reiten wir aus, besteigen Silesiens Höhen, Schauen mit gierigem Blick vorwärts nach Böhmen

hinein;

Aber es zeigt sich kein Feind und keine Feindin; o bringe,

Wenn uns Mavors betrügt, bring uns, Cupido, den

Krieg!

An die Knappschaft zu Tarnowik.

Den 4. September 1790.

Fern von gebildeten Menschen, am Ende des Reiches, wer hilft euch

Schäße finden und sie glücklich zu bringen ans Licht? Nur Verstand und Redlichkeit helfen; es führen die beiden Schlüssel zu jeglichem Schat, welchen die Erde ver

wahrt.

Sakontala.

Willst du die Blüthe des frühen, die Früchte des späteren

Jahres,

Willst du, was reizt und entzückt, willst du, was sättigt und nährt,

Willst du den Himmel, die Erde mit Einem Namen

begreifen,

Nenn' ich, Sakontala, dich, und so ist Alles gesagt.

Der Chinese in Rom.

Einen Chinesen sah ich in Rom; die gesammten Gebäude Alter und neuerer Zeit schienen ihm lästig und schwer. Ach! so seufzt er, die Armen! ich hoffe, sie sollen be

Wie erst Säulchen von Holz

greifen,

tragen des Daches Gezelt,

Daß an Latten und Pappen, Geschnitz und bunter Ver

goldung

Sich des gebildeten Augs feinerer Sinn nur erfreut.

Siehe, da glaubt' ich im Bilde so manchen Schwärmer zu schauen,

Der sein luftig Gespinnst mit der soliden Natur Ewigem Teppich vergleicht, den echten, reinen Gesunden Krank nennt, daß ja nur er heiße, der Kranke, gesund.

Physiognomische Reisen.

Die Physiognomisten.

Sollt' es wahr sein, was uns der rohe Wandrer verkündet,

Daß die Menschengestalt von allen sichtlichen Dingen
Ganz allein uns lüge, daß wir, was edel und albern,
Was beschränkt und groß, im Angesichte zu suchen,
Eitele Thoren sind, betrogne, betrügende Thoren?
Ach! wir sind auf den dunkelen Pfad des verworrenen

Lebens

Wieder zurückgescheucht, der Schimmer zu Nächten verfinstert.

Der Dichter.

Hebet eure zweifelnden Stirnen empor, ihr Geliebten! Und verdient nicht den Irrthum, hört nicht bald Diesen,

bald Jenen!

Habet ihr eurer Meister vergessen? Auf! tehret zum

Pindus,

Fraget dorten die Neune, der Grazien nächste Ver

wandte!

Ihnen allein ist gegeben, der edlen, stillen Betrachtung

Goethe, Gedichte.

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Vorzustehn. Ergebet euch gern der heiligen Lehre, Merket bescheiden leise Worte. Ich darf euch versprechen: Anders sagen die Musen, und anders sagt es Musäus.

Spiegel der use.

Sich zu schmücken begierig, verfolgte den rinnenden Bach einst

Früh die Muse hinab, sie suchte die ruhigste Stelle. Eilend und rauschend indeß verzog die schwankende Fläche Stets das bewegliche Bild; die Göttin wandte sich zürnend;

Doch der Bach rief hinter ihr drein und höhnte sie: Freilich

Magst du die Wahrheit nicht sehn, wie rein dir mein Spiegel sie zeiget!

Aber indessen stand sie schon fern, am Winkel des Seees, Ihrer Gestalt sich erfreuend, und rückte den Kranz sich zurechte.

Phöbos und Hermes.

Delos' ernster Beherrscher und Maja's Sohn, der ge

wandte,

Rechteten heftig, es wünscht' Jeder den herrlichen Preis. Hermes verlangte die Leier, die Leier verlangt auch Apollon,

Doch vergeblich erfüllt Hoffnung den Beiden das Herz; Denn rasch dränget sich Ares heran, gewaltsam entscheidend,

Schlägt das goldene Spiel wild mit dem Eisen entzwei.

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