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Grimm hat für den getrübten ags. a-Laut zwei Zeichen eingeführt, ä für die Kürze, æ für die Länge. An sich schon dürfte nicht zu billigen sein, für einen Laut zwei Zeichen einzuführen; so dann aber verstößt es auch gegen das sonst geübte Prinzip der Quantitätsbezeichnung, indem die Kürze unbezeichnet gelaßen (a), die Länge durch ein besonderes Zeichen (â) bezeichnet wird. Da nun die ags. Urkunden für Kürze und Länge das eine Zeichen æ gebrauchen, so glaubt sich der Verfaßer berechtigt, dieses eine Zeichen für den gleichen Laut beizubehalten und die Quantität in gewöhnlicher Weise, also æ und â, zu unterscheiden. Dasselbe gilt auch von œ.

Eine zweite Abweichung findet in Bezeichnung der ersten Steigerung des u-Lautes statt. Grimm schreibt ió, eó und diese Bezeichnung könnte leicht die Ansicht veranlaßen, daß i oder e ein leichter Vorschlag zu dem schwereren o sei. Das ist nicht der Fall. Unzweifelhaft liegt diesem ió, eó ein angelsächsisches iu zu Grunde, weil sich dessen Verengerung û neben eó erhalten hat. Der Gang des Lautes ist daher iu, io, eo. Nun mag wohl u etwas schwerer gewesen sein, weil gotisches au sich zu iu schwächt und weil einige angelsächsische iu zu û werden. Die dann eintretende Verdunklung des u zu o in io, eo läßt aber eine gleichmäßige Aussprache beider Laute vermuthen, und die spätere Vereinfachung des eo zu e läßt keinen Zweifel darüber zu, daß e nach und nach mehr hervorgetreten ist. Diese erste Steigerung des u-Lautes findet demnach in eo eine richtigere Bezeichnung

Endlich weicht der Verfaßer darin ab, daß er für v, das Grimm für die gotische und angelsächsische Rune eingeführt hat, w schreibt. Denn die ags. Rune scheint weicher gelautet zu haben als v, und da, wo sie schwindet, tritt nicht v, sondern w ein, während v im Neuangelsächsischen vielfach mit f wechselt.

Anordnung und Darstellung werden sich selbst rechtfertigen. In der Lautlehre ist die Scheidung des angelsächsischen und altnormannischen Vocalismus geboten und damit der doppelte Ausgangspunkt. Der gleiche Gang der Entwicklung und die gleichen Gesetze für die Aussprache rechtfertigen die besondere Behandlung der neuenglischen Laute. Die Uebereinstimmung der Consonanten gestattet die gemeinsame Behandlung. Neben dem Verlauf der Lautzeichen hat der Verfaßer versucht, auch

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den mit dem Zeichen ausgedrückten Laut festzustellen. Die angelsächsischen Laute sind bestimmt aus der Entwicklung der Zeichen und ihrer gegenwärtigen Aussprache; die Aussprache um 1600 auf Grund der ältesten Grammatiker, der Schreibung und der Reime bei Spenser und Shakespeare; die gegenwärtige Aussprache nebst den vielfachen Schwankungen nach den englischen Lexikographen. So sind, abgesehen von der gegenwärtigen Lautung, zwei feste Puncte gewonnen und die Zwischenräume laßen sich unschwer ausfüllen.

In der Accentlehre sind die beiden Accentgesetze zu Grunde gelegt, das angelsächsische und das altfranzösische, denen die Hauptbestandtheile des Englischen folgen. Die beiden Gesetze stehen im strengsten Gegensatze; ein Widerstreit erfolgt; das vorübergehende Schwanken, wenigstens bei den alt- und mittelenglischen Dichtern, und die allmäliche Befestigung des deutschen Sprachstoffs, die Uebergriffe, die Verluste und die Umbildung des französischen Stoffes sind die nothwendigen Resultate dieses Widerstreites.

In der Flexionslehre wurde versucht, sowohl die alten angelsächsischen Formen zu begründen, als auch deren Verlauf bis zum Neuenglischen darzulegen.

Der Verfaßer fühlt sich gedrungen, den Herren Bibliothekaren in Göttingen und Weimar, und Herrn Geh. Hofrath Dr. Marshal für ihre bereitwillige und freundliche Unterstützung seinen herzlichen Dank öffentlich auszusprechen.

Eisenach, den 1. October 1863.

Professor Dr. Friedrich Koch.

Zur zweiten Auflage.

Das Handexemplar des Verfaßers vom ersten Bande seiner Grammatik (vergl. 2. Aufl. des 2. Bd. S. IX) ist nicht wiedergefunden worden. Somit war bei einer neuen Auflage nur entweder an eine völlige Umarbeitung oder an einen unveränderten Abdruck zu denken. Zu der ersteren hatte ich selbst jetzt keine Zeit und, um aufrichtig zu sein, vorläufig auch keine Lust. Deshalb rieth ich dem Verleger zunächst sich anderweitig wegen eines Bearbeiters umzusehen. Da er mir aber nach einiger Zeit erklärte einen solchen nicht zu finden, blieb nichts übrig, als ein unveränderter Abdruck. Dieser sollte nun nach meiner Ansicht wenigstens durch Anwendung von Cursiv neben Antiqua für den Leser etwas bequemer eingerichtet werden. Allein in Folge von Umständen, deren Auseinandersetzung zu weit führen würde, war ohne mein Wißen mit dem Satz begonnen worden, und dieser war, ehe ich davon hörte, schon so sehr vorgeschritten, daß eine Änderung nicht mehr möglich war.

Die Berichtigungen auf S. 499 f. der ersten Auflage sind jetzt in den Text aufgenommen worden mit Ausnahme derjenigen zu S. 360 Z. 1: 'es der Conjunctiv, nicht Indicativ', weil diese Änderung offenbar auf einem Versehen des Verfaßers beruht. Die Nachträge dagegen habe ich hinten belaßen, weil sich die beiden Auflagen des Citierens wegen Seite für Seite entsprechen sollten. Freilich ist dies ohne meine Schuld auf den ersten beiden Bogen trotzdem nicht ganz der Fall. Es sei hier gleich bemerkt, daß ich auch die Paragraphenzählung aus demselben Grunde unverändert gelaßen habe, sodaß z. B. auch in der zweiten Auflage der § 215 der Lautlehre fehlt.

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Sonst habe ich mir allerdings hier und da, wie schon im 2. Bande, stillschweigende Ände rungen in Kleinigkeiten erlaubt. Natürlich habe ich zunächst alle Druckfehler, die ich bemerkt habe, beseitigt; ferner solche auf der Hand liegende Versehen des Verfalers, wie z. B. in § 3 (S. 5 Z. 11 v. u. = Z. 4 v. u. der 1. Aufl.), wo es hieß: 'In der Vorrede zum Liber pastoralis klagt Gregor', oder in § 8, wo die Urkunde Heinrichs III. vom Jahre 1258 in der Anmerkung zu den Worten: 'Edward III. 1363 verordnet' mitgetheilt wurde. So habe ich auch falsche Formen, wo dies durch bloße Streichung oder Hinzufügung einzelner Buchstaben zu machen war, gebeßert, namentlich auch bei Wörtern aus dem Sanskrit, bei welchen häufig in Folge des Übersehens eines diakritischen Zeichens z. B. b, d, s, statt bh, dh, sh zu lesen war. Aber natürlich mußte ich falsche Formen dort stehen laßen, wo Kochs Bemerkungen diese voraussetzen.

Der vorliegende erste Band ist wegen seiner lichtvollen Darstellung besonders geeignet in das historische Studium der englischen Sprache einzuführen. Allerdings muß ich sogleich für den Anfänger die Warnung hinzufügen, daß er sich der Führung desselben nicht unbedingt überlaßen darf. Er geht zum Theil von veralteten sprachvergleichenden Ansichten aus, die ja aber freilich auch noch in der neuesten Auflage von Schleichers Compendium stehen; er enthält mannigfache Lücken, an denen das dürftige Material schuld ist, aus welchem Koch seinen Bau aufführen mußte; er ist endlich selbstverständlich nicht frei von Fehlern, welche die auf den in ihm gewiesenen Bahnen rüstig fortschreitende Wißenschaft in der Zwischenzeit erkannt hat.

Ich denke, das Buch, das so lange nicht zu erlangen war, wird dann am meisten nützen, wenn die Universitätslehrer ihre Vorlesungen über die englischen Laute und Flexionen an dasselbe berichtigend und ergänzend anknüpfen.

Berlin, den 8. October 1881.

J. Zupitza.

Einleitung.

Die Ereignisse, welche in frühester Zeit auf den brittischen Inseln §. 1.

statt hatten, zeigen uns die Elemente, aus denen nach und nach die englische Sprache zusammen gefloßen ist.

Die Ureinwohner jener Inseln waren Kelten: im Süden Großbritanniens saßen die Britten, im Norden die Pichten (von den Römern Caledonier genannt), in Irland die Gälen (Iren, Ersen). Ein Zweig der letzteren, die Scoten, besiegten die Pichten und gaben dem Lande Herren und Namen.

Die Hilfe, welche die Britten den verwandten Galliern gewährt haben sollen, veranlaßte die römische Invasion. Cäsar beginnt (55 vor Chr.), Cn. Julius Agricola (78-85 nach Chr.) fördert, und Kaiser Severus vollendet (209) die Eroberung Großbritanniens. Die Römerherrschaft gewährt zwar Schutz gegen die räuberischen Pichten und Scoten, aber sie führt auch römische Sitte und Sprache ein.

Vom Sturme der Völkerwanderung erschüttert ruft Rom seine Legionen zurück (409), die Pichten und Scoten drängen nach und die Britten, ungewohnt und unfähig, sich selbst zu schützen, rufen germanische Stämme herbei. Früher in geringerer Anzahl, auf Vortigern's Bitten in größerer, landen sie (449) auf Thanet, nehmen das Land in Schutz, aber auch in Besitz; die Britten erheben sich; ein langer Kampf erfolgt, der mit ihrer völligen Unterwerfung und der Vernichtung römischer Bildung endigt: Britannien wird germanisch.

Die Stämme, die Vortigern's Ruf nach England zog, sollen Jüten, Angeln und Sachsen gewesen sein. Unter ihnen waren die Sachsen wohl am zahlreichsten, da sie mehrere Staaten bildeten und die Ureinwohner alle Einwanderer Sachsen nannten; die Angeln aber waren mächtig Koch, engl. Grammatik. I. 2. Aufl.

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