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weise ein vollständiges Beherrschen des gegebenen Lesestoffes vorvorausseßt.

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Außerdem aber wird der Lehrer noch zu einer zweiten Leistung herangezogen. Das aus den Lesestücken gewonnene Material darf nicht nach allen möglichen Richtungen hin auseinandergehen, im Gegenteil, es hat der Lehrende danach zu streben, daß das sich mosaikartig zusammenseßende .. Bild von der fremden Volks = art" am Ende eines bestimmten Zeitabschnittes, zum mindesten am Schluß eines Jahres, sich zu einem mehr oder minder umfangreichen Ganzen gestalte, das dann bei der konzentrischen Erweiterung der einzelnen Abschnitte als Teil wieder einem größeren Ganzen sich leicht und willig einfüge. Daß mit einer solchen Behandlung der Lektüre gewisse Schwierigkeiten verknüpft sind, muß unumwunden zugegeben werden. Andrerseits aber gestattet eine derartige individuelle Behandlung des Lehrstoffes dem Lehrer den freiesten Spielraum, entzieht ihn jeder Bevormundung seitens des Lehrbuches und läßt ihn seine Persönlichkeit voll und ganz zur Geltung bringen.

Auch bei der Behandlung der Lesestücke sei die Stellung des Lehrers eine höhere, geistigere. Nicht bloß erklären, vervollständigen und ergänzen, vor allem soll der Lehrer den Stoff beleben, soll das, was den Schülern tot und kalt erscheint, mit Geist erfüllen, soll in ihnen reges Interesse auch für solche Lesestücke erwecken, deren Inhalt ihnen anfangs spröde oder trocken vorfommt1).

Was nun den vierten Abschnitt des vorliegenden Lesebuchs anbelangt -- französische Lektüre mit deutschem Inhalt -, so wird der in fremde Form gekleidete, aber bereits bekannte Lesestoff je nach dem individuellen Standpunkt des Lehrers mancherlei Verwendung erfahren. Die leichtesten Stücke dürften als Anfangslektüre willkommen sein, da dem Kinde bei bekanntem Inhalt die Bewältigung des fremden Idioms leichter wird. Andere Stücke, wie der Ring des Polykrates, die Kraniche des Jbykus u. s. w., werden, wenn sie sich an den deutschen Lesestoff anschließen, die psychologische Forderung möglichster Konzentration des Gesamtunterrichts zu erfüllen suchen. Endlich sind auch manche Stücke zur kursorischen Lektüre, zu Sprechübungen, zum Vorlesen, zur inhaltlichen Wiedergabe und schriftlichen Umformung geeignet. Diese Übungen können mit demselben Buche auch auf der Oberstufe fortgesezt werden. ,,Denn die stoffliche Schwierigkeit soll man für dergleichen Aufgaben nicht zu sehr steigern. Was sich steigern soll, ist die Ungezwungenheit, die Rundung 2).“

1) Da die Jugend nicht mit der Liebe und Anhänglichkeit des reiferen Alters an der Natur hängt, so werden z. B. landschaftliche Schilderungen, solange der Lehrer in starrer Passivität verharrt, keine sehr beliebte Lektüre sein. Und doch ist es so leicht, auch für solche Lesestücke Interesse, ja selbst Begeiste= rung zu erwecken!

2) Münch, a. a. O.

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Über die übrigen Punkte, welche noch der Erörterung bedürfen, muß ich mich, damit diese Vorrede nicht zu einer kleinen Abhandlung anwachse, zu meinem Bedauern kürzer fassen. Im Gegensaß zu den Plötschen Büchern habe ich, da der Schüler doch vor allem die lebende Sprache kennen lernen soll, die modernen Schriftsteller besonders bevorzugt. Deshalb wird man viele der in den meisten Lesebüchern üblichen Stücke hier vergebens suchen, nur einige alte, aber unentbehrliche Lesestoffe wie die Fabeln des Lafontaine, die Lieder des Béranger u. s. w. sind beibehalten worden. Es dürften demnach wohl drei Viertel des Buches ganz neuen, den modernen Schriftstellern entlehnten Stoff enthalten. hinter den Stücken befindlichen Präparationen 1) sind für den Standpunkt der weniger begabten Schüler berechnet. Für diese steht hinter den Präparationen außerdem noch ein kleines Wörterverzeichnis. Daß die Präparationen nicht nur die nötigen Vokabeln enthalten, sondern den Lernenden eine einigermaßen ausreichende Vorbereitung ermöglichen, wird eine genauere Durchsicht derselben sehr bald erkennen lassen. Die unter dem Tert befindlichen Noten wollen nur das Notwendigste erklären, sie wollen weder dem Lehrer die Lust, noch dem Schüler die Kraft verderben. Schließlich sei noch bemerkt, daß folgende Stücke: Abschnitt I.: No. 2, 3, 7, 8, 9, 16, 19, 20, 21, 25, 26, 29, 30, 31, 34, 39, 41, 44; Abschnitt II.: No. 4, 5, 10, 13, 19 I. II. III. IV. V., 20 IÍ. II. III. IV., 22, 24, 32 II. III. IV.; Abschnit III. A.: No. 1, 2, 3, 4, 6, 7, 9; C.: No. 1, 2, 3, 4; Abschnitt IV.: No. 2, 4, 7, 10, 11, 16, 18, 20, 21, 25 für die unterste Klasse bestimmt sind, eine Kenntnis der sogenannten unregelmäßigen Verben also nicht vorausseßen.

Der dem vorliegenden Buche beigefügte Anhang soll gewissen unabweisbaren Forderungen der Reformfreunde Rechnung tragen. Der wichtigste Teil desselben sind die metrischen Übertragungen der Gedichte des dritten Abschnitts. Sie werden die geistige Aufnahme des poetischen Lese- und Lehrstoffes nicht unwesentlich erleichtern und ihn vor allem vertiefen helfen 2). Auch die beigegebenen Karten 20. hoffen eine beifällige Aufnahme zu finden.

Allen denen, welche mich bei der Abfassung dieses Buches freundlichst unterstüßt haben, spreche ich auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aus.

Dresden, den 22. September 1890.

Dr. Hans Rahn.

1) Die Frage, ob Präparation, ob Wörterverzeichnis?, erörtert Nohl, Pädagogik für höhere Lehranstalten, Seite 238.

2) Dr. 3fchalig, Osterprogramm der städtischen, höheren Töchterschule zu Dresden, 1889 und 1890.

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1. Mein Beruf. 2. Die Schwalben. 3. Die Vögel. 4. Lebewohl der

Maria Stuart. 5. Das Heimweh. 6. Mein Rock.

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