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Ludwig Börne

und

Heinrich Heine.

Zwei litterarische Charakterbilder.

Von

Georg Brandes.

Leipzig.
Verlag von H. Barsdorf.

Wenn ich den an mich ergangenen Aufforderungen, die im „Jungen Deutschland" enthaltene Charakteristik Börnes und Heines als Sonderausgabe herauszugeben, hiermit nachkomme, so geschieht dies nicht zuleht in der Hinsicht, daß diese eigenartige und seinsinnige Arbeit sehr viel dazu beitragen dürfte, so manche Flecken am Bilde Heines erblassen und schwinden zu machen, welche von seinen bekannten Feinden im allgemeinen und den Salonlitterarhistorikern im besonderen bis jezt immer von neuem aufgefrischt wurden.

Es ist das alte Schicksal fast aller großen Geister, daß erst die spätere Nachwelt ihnen die verdienten Kränze flicht — und auch für Heinrich Heine wird die Zeit kommen, welche seinen dichterischen Wert unbestritten anerkennt. Ein vorurteilsloseres, freier denkendes und freier handelndes Volk wird ihm eine Freistatt in seinen vornehmsten Wohnsizen bieten und ein Geschlecht bemitleiden, welches so wenig verstand, über den Parteien zu stehen.

Auch Börne, dieser feurige und unbestechliche Patriot, dieser Heerrufer und Streiter im Kampfe der Geister, wird seine Wiederauferstehung im Geiste des deutschen Volkes feiern. Möge hierzu diese Charakteristik mitwirken!

Der Verleger.

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1. Börne.

Von den Schriftstellern, welche damals in erster Reihe standen, ist wohl keiner so sehr bei Seite geschoben worden, als Ludwig Börne. Die von ihm behandelten Stoffe sind veraltet und nur derjenige, welcher sich für die Persönlichkeit des Schriftstellers interessiert, liest noch seine kurzen, in Leitartikeloder Briefform gehaltenen Prosastücke in Rücksicht auf ihre Darstellungsweise, oder jenem Geiste zu Liebe, in dem der Gegenstand behandelt worden ist. Erst in seinen späteren Lebensjahren drang Börne ganz durch, nämlich mit seinen Briefen aus Paris" aber für diesen reinen Fürstenhaß und republikanischen Glauben, der in ihnen zum Ausdruck gelangt, ist im jungen Kaiserstaat keine Verwendung. Keine Persönlichfeit paßt weniger in die neuen Verhältnisse als die seine: denn wo die Staatsidee allmählich allmächtig zu werden beginnt, wo sie von Oben herab despotisch-sozialistisch, die private Initiative einzuschränken sucht, und möglichst viele Bürger in Ziviland Militär-Lohn-Beamte verwandelt und diesen Lohn-Beamten ein Vorrecht vor den nicht angestellten Bürgern giebt, und wo sie von Unten kräftig revolutionär-sozialistisch arbeitet, um das individuelle Schalten und Walten einzuschränken, da verschwinden notwendigerweise die ausgeprägt selbständigen Charaktere und die ecige, unabhängige Individualität erscheint als etwas Gesezwidriges, das Niemand weder als Bildungsmuster noch als Vorbild verwenden kann. Aber Börne war gerade eine jolche scharffantige Persönlichkeit und ein unbedingt selbständiger Charakter.

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