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und den Hochverrath, oder besteht das Verbrechen selbst in nichts Anderem als in Freiheitsberaubung, so wird durch das Recht der Wiedervergeltung die Dauer der Freiheitsstrafe unmittelbar bestimmt. Sie ist im Falle der zuerst genannten Verbrechen eine lebenslängliche; im Falle einer Freiheitsberaubung hängt ihre Dauer von der Dauer dieser letteren selbst ab.

Schwieriger ist es hinsichtlich der übrigen Verbrechen, bei welchen die Wiedervergeltung nicht unmittelbarer Maßstab für die Dauer der Freiheitsstrafe seyn kann. Wäre freilich ein Verbrechen nur ein bestimmter Grad eines der schon genannten, mit lebenslänglichem Gefängniß zu ahndenden, z. B. eine Realinjurie, eine nicht vollendete Nothzucht 2c., so würde dafür das lebenslängliche Gefängniß, dessen Dauer sich nach den Regeln einer muthmaßlichen Dauer des menschlichen Lebens in Jahren ausdrücken läßt, den Maßstab der Bestrafung darbieten. In allen andern Fällen kann man aber nur noch versuchen, ob sich das Verbrechen nicht durch eine Größe ausdrücken läßt, welche wiederum mittelbar durch Gefängniß ausgedrückt werden kann. Dieß ist der Fall, wenn die Wirkung des Verbrechens mittel - oder unmittelbar zu einem gewissen Geldverluste angeschlagen werden kann, indem es einer gewissen Zeit bedarf, um Geld und Geldeswerth zu verdienen. Zwar ist diese Zeit bald länger bald kürzer, allein der Taglohn kann als der allgemeine und rechtliche Preis der Zeit betrachtet werden, so daß also als Regel festgesezt werden kann: die Gefängnißstrafe muß in dem angezeigten Falle so lange dauern, als erfordert wird, um ein dem verursachten Geldverluste gleiches Quantum durch Taglohn zu verdienen."

S. 28.

Der Grundgedanke dieser Theorie ist, wie bei Kant, der, daß die Uebertretung eines praktischen Gesezes, hier des äußeren praktischen Vernunftgeseßes, d. h. des Rechtsgesezes, welches die wechselseitige äußere Freiheit der Menschen bestimmt, und dadurch ein freies gesichertes Beisammenleben derselben unter der Herrschaft des Rechts (der Gerechtigkeit) möglich macht,

vermöge der moralischen Vergeltungsidee, welche die nothwen. dige und ebenmäßige Ausgleichung der Schuld mit der Strafe bestimmt, an dem Ucbertreter gestraft werden soll, also lediglich um des Verbrechens willen, und nach Maßgabe desselben. Nur darin ist Zachariä eigenthümlich, daß er der Idee der Ebenmäßigkeit (Gleichheit) der Strafe mit dem Verbrechen, welche bei Kant in der schwankenden Form einer Analogie der materiellen Talion hervortritt, einen fest bestimmten Character giebt, weil die Erfindungen, durch welche Kant's Gleichheitsprinzip (als formale Wiedervergeltung) in Ausübung gebracht werden soll, ihm, und mit Recht, zu keinem praktisch brauchbaren Strafen systeme zu führen schienen. Daher der Gedanke: Verbrechen, d. h. Eingriffe in die äußere Freiheit Anderer, werden nach dem Prinzipe der Gleichheit durch ebenmäßige Eingriffe in die äußere Freiheit des Uebertreters, also mit andern Worten durch ange= messene Freiheitsberaubungen vergolten. Diese sind mithin die einzig zulässigen Strafarten, und zugleich vermöge ihrer unendlichen Theilbarkeit vorzüglich dazu geeignet, um dem Verbrecher ein dem Grade seiner Verschuldung entsprechendes Maaß, entweder in einer höhern oder niederen Strafanstalt (Gefängniß, Arbeitshaus, Zuchthaus), zuzuerkennen.

In Beziehung auf das, was diese Theorie mit der Kant' schen gemein hat, also das gleiche sittliche Fundament, die Beschränkung der moralischen Vergeltungsidee auf die rechtliche Vergeltung und das daraus herfließende Prinzip für die Strafwürdigkeit der Handlungen, so wie die völlige Ausschließung der belohnenden Vergeltung, soll nicht wiederholt werden, was bereits bei der Würdigung von Kant's Theorie erinnert worden ist.

Mithin beschränkt sich die Beurtheilung auf die eigenthümliche Wendung, welche die Gleichheit, als Prinzip für die Qualität und Quantität der Strafe, in der Formel erhalten hat: „in eben dem Maaße, in welchem der Beleidiger in die äußere Freiheit eines Andern eingegriffen hat, in eben dem Maaße soll in seine äußere Freiheit eingegriffen, d. h. derselbe mit ange. messener Freiheitsberaubung belegt werden“.

Schon bei Grolman, Begründung des Strafrechts, Gießen 1799 S. 185, findet sich eine ähnliche Aeusserung, indem derselbe bemerkt: Jedes Verbrechen ist ein Mißbrauch der äußeren Freiheit, ein gesegwidriger Gebrauch der freien Wirksamkeit des Bürgers im Staate, mithin liegt im Geiste jedes Verbrechens die Strafe der Einschränkung dieser freien Wirksamkeit. Man schließe daher den Ungebundenen eine Zeitlang von der Gesellschaft der Uebrigen aus". Auch in der Verfas= fungs-Urkunde des Königreichs Baiern Tit. 7. §. 2. werden die Strafgeseze als „Geseze, welche die Freiheit der Person betreffen", bezeichnet, ein Ausdruck, an dem man freilich, wie Feuerbach, (kleine Schriften, Abth. I. S. 200) bemerkt, mäfeln könnte. Auch gehört hieher die gemeinschaftlich auf Kant und Zachariä sich beziehende Aeufferung desselben Schriftstellers in seinem Lehrbuche des gemeinen peinlichen Rechts §. 18 Anm. 6,,,daß über die weite Kluft, welche hier (d. h. auf dem Gebiete der Vergeltungstheorieen) zwischen Theorie und` Praris liege, gewöhnlich der Wig eine schwebende Brücke bauen helfen muß“.

Unverkennbar beruht nämlich die Argumentation von Zachariä auf einer Doppelsinnigkeit des Begriffs äußere Freiheit", weshalb sein Wiedervergeltungsprinzip an einem ähnlichen Fehler, wie das Kant'sche, leidet. Die äußere Freiheit (äußere freie Wirksamkeit) des Menschen ist nach Kant (§. 17.) die Wurzel des Rechtsgeseges, und wird deshalb auch die rechtliche Freiheit des Menschen, oder nach Andern das Urrecht der Persönlichkeit genannt, in und unter welcher daher alle einzelnen Rechte des Menschen, es sey unmittelbar (als angeborne Rechte), oder mittelbar (als erworbene Rechte), enthalten sind. Insofern kann man freilich sagen, daß alle Verbrechen, z. B. auch Tödtung, Körperverlegung, Diebstahl 2c., Eingriffe in die äußere (rechtliche) Freiheit des Menschen enthalten, und umgekehrt, nach der Ausdrucksweise der Baierischen Verf.-Urkunde, alle Strafen, z. B. auch die Todesstrafe, Ehrenstrafe, Geldstrafen 2c., die (äußere oder rechtliche) Freiheit des Menschen betreffen. Allein man darf damit nicht die äußere Freiheit im eigentlichen oder engeren. Sinne verwech

feln, worunter im Gegensaße von der inneren öder moralischen Freiheit, das (angeborne) Recht der persönlichen Freiheit, d. h. der Unabhängigkeit von fremder Willkür, von dem Zwange An derer, verstanden wird, welches, wie alle anderen Rechte, in dem Urrechte der Persönlichkeit oder der äußeren rechtlichen Freiheit enthalten ist.

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Wenn daher Zacharia so argumentirt: jeder Eingriff in die äußere, d. h. rechtliche Freiheit des Menschen, soll nach dem Grundsaße der Gleichheit vergolten werden durch einen ebenmä ßigen Eingriff in die äußere, d. h. persönliche Freiheit: so wird der Begriff der Freiheit zuerst in einem weiteren, dann in einem engeren, ganz davon verschiedenen Sinne genommen, was logisch ein völlig unstatthaftes Beginnen ist. Richtiger erscheint das her der Schluß der materiellen Talion, daß der Eingriff in die rechtliche Freiheit eines Andern an dem Verbrecher durch den gleichen Eingriff in seine rechtliche Freiheit, also Tödtung durch Todesstrafe, Körperverlegung durch körperliche Züchtigung 2c. vergolten werden, soll.

Der Sah, daß Freiheitsstrafen die einzig zuläßigen Strafarten a priori feyen, stellt sich hiernach vom Standpunkte der Vergeltungstheorie als völlig unerwiesen dar, wie denn auch Niemand z. B. zwischen der Vernichtung der rechtlichen Freiheit eines Andern durch Tödtung, und der, wenn auch lebenslänglichen Entziehung der persönlichen Freiheit des Verbrechers im Zuchts hause, eine äußere oder innere Gleichheit, vielmehr die größte Ungleichheit erkennen wird, welche zu beseitigen, keine Sophistik im Stande ist. Mithin würden nach dieser Theorie nur Entzies hungen der persönlichen Freiheit (d. h. Menschenraub und widerrechtliches Gefangenhalten) mit einer, hinsichtlich der Dauer gleichen Entziehung der persönlichen Freiheit in einer Strafanstalt belegt werden können; für alle übrigen Verbrechen müßten dagegen die Art und der Grad der Strafe nach einem andern Prinzipe bestimmt werden, was ein mehr als lückenhaftes; oder fo gut wie gar kein apriorisches Strafensystem wäre.

Endlich läßt sich historisch nachweisen, daß die, jest überall in Deutschland vorherrschenden Freiheitsstrafen ihre Entstehung

keineswegs einer solchen Reflerion verdanken, sondern dieselben seit dem Verschwinden der älteren, theils barbarischen theils unzweckmäßigen Strafarten, zunächst zum Zwecke der Sicherung des Publikums vor dem Verbrecher, und zugleich der Besserung des legteren eingeführt wurden.

Zudem wie erkünftelt und unnatürlich erscheint nicht das ganze Gebäude dieses von Zachariä aufgeführten Strafensystems. Den Scharfsinn, der sich darin zeigt, muß man aller= dings bewundern, allein er ist ganz unnöthig aufgewendet (verschwendet) worden. Ausserdem fehlt es nicht an einigen nachweisbaren Widersprüchen.

Der erste Widerspruch besteht darin, daß, ungeachtet der Strafe ein sittliches Fundament untergelegt wird, der Marime des Handelnden kein Einfluß auf die Bestimmung der Art und des Grades der Freiheitsstrafe eingeräumt wird. Dieß hat zwar darin seinen Grund, daß es nicht möglich wäre, dieselbe nach einem bestimmten Werthe anzuschlagen; allein in subjectiver Hinsicht kann durch die Marime des Handelnden der Grad seiner Strafbarkeit entweder sehr erhöht, oder bedeutend herabgeseßt werden, und dieß muß, wenn die Strafe sittliche Vergeltung seyn soll, nothwendig berücksichtigt werden.

Ein weiterer Vorwurf betrifft die Lückenhaftigkeit dieses Systems, indem aller Anstrengungen Zacharia's ungeachtet noch viele Verbrechen und Vergehen übrig bleiben, welche sich unter keine der von ihm aufgestellten Classen bringen lassen, so daß die Art ihrer Bestrafung der Willkür des Gesezgebers und des Richters überlassen bleiben müßte.

Endlich erscheint es nicht blos anstößig, den durch gewisse Verbrechen angeftifteten Schaden zu Geld anzuschlagen, und diesen Geldverlust zum Maßstabe für die Dauer der Freiheitsstrafe zu nehmen; sondern der „Preis der Zeit“ würde auch nur bei einer gewissen Classe von Bürgern, nämlich bei den um Taglohn Arbeitenden, ausgemittelt werden können.

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Wollte man darüber hinausgehen, also z. B. bei einem durch gute und rasche Speculationen reich werdenden Kaufmann, oder bei einem Gelehrten, welcher sich durch schriftstellerische

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