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UNIV OF CALIFORNIA

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I. Leben und Werke.

Dadurch, daß Sie mich in Ihrer Mitte aufnahmen, haben Sie feierlich bestätigt, daß Frankreich mich zu seinen Söhnen zählt." Dank und Stolz erfüllten Heredia, als er am 30. Mai 1895 diese Worte an die Académie française richtete. Der Ruhm des Dichters hatte dem Fremdling die Pforten zu der altehrwürdigen Gesellschaft der 40 Unsterblichen geöffnet.

José-Maria de Heredia war von Geburt ein Spanier. Sein Urahn Don Pedro de Heredia war einer jener Abenteurer, die den Spuren des Kolumbus folgten, um das ferne Eldorado zu erobern. „Fué de genio atrevido y pendenciero; galán de capa y espada; tipo de los héroes de Lope de Vega y de Calderón . . . . tuvo que huir por haber muerto tres hombres á consecuencia de una pendencia", heißt es im Diccionario enciclopédico. Dieser würdige Conquistador hat sich durch die Gründung von Cartagena am Golf von Darien im Jahre 1532 ein dauerndes Denkmal geschaffen. Seit jener Zeit führt sein Geschlecht eine Silberstadt unter einem goldenen Palmbaum im Wappen (»A un Fondateur de Ville«). Mit Stolz gedenkt der Dichter des Ahnherrn: Während die andern als Spur oder Zeichen ihrer Taten nur einen Namen, einen nichtigen Grafen- oder Markgrafentitel hinterlassen haben, gründetest Du, der Stolz des Blutes, dem ich entsproß, im Karaibenmeer ein neues Carthago. Trotz Zeitenwandel, Menschentücke und Wettersturm reckt Deine Stadt auf ihrer vom Weltmeer umbrandeten Insel Mauern und Münster gen Himmel."

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In jener Neuen Welt, die einst sein Vorfahr hatte erobern helfen, auf der „fernen und strahlenden Insel", dem sonnigen Cuba, erblickte José-Maria de Heredia das Licht der Welt. Er wurde am 22. November 1842 in einer Kaffeefarm La Fortuna der Sierra Maestra oberhalb der Stadt Santiago de Cuba geboren.

Während sein Vater ein spanischer Kreole aus Santo Domingo war, stammte die Mutter aus einer angesehenen normannischen Juristenfamilie. Im Parlamente der Normandie war des Dichters Ururgroßvater mütterlicherseits Gérard d'Ouville Gerichtspräsident gewesen.

Von der Mutter rührt Heredias Liebe für seine spätere Heimat Frankreich her. Frankreich war mir immer teuer. Es war die Heimat

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meines: Geistes und meines Herzens. Ich habe es von der Wiege an geliebt. Seine Sprache hat mich zuerst durch den Mund der Mutter beglückt." (Discours de réception.) Die ersten Verse, die sich seinem Gedächtnis einprägten, waren französische: „Lamartine! Sein Name voll süßen Wohllauts ist der erste Dichtername, der schmeichelnd an mein Ohr drang. Seine Verse sind die ersten, die mein Gedächtnis in sich aufgenommen hat, da ich als zartes Kind im großen Bett der Mutter kniete, die Händchen faltete und einer mir, ach, so teuren Stimme, die lange, lange seitdem verstummt ist, das Morgengebet nachsprach:

O Père qu'adore mon père!

Toi qu'on ne nomme qu'à genoux!
Toi dont le nom terrible et doux
Fait courber le front de ma mère!"

Mit acht Jahren kam Heredia nach Frankreich und trat in das Collège Saint-Vincent zu Senlis ein. Den wackeren Priestern, die diese Anstalt leiteten, verdankt er seine gründlichen humanistischen Kenntnisse und die Begeisterung für die Antike.

Mit 16 Jahren kehrte er nach seiner Heimatinsel zurück, um die Sprache seines Vaters, seines großen Ahnherrn wieder zu erlernen. Er studierte ein Jahr lang auf der Universität Habanas, aber in seinen Mußestunden saß er, wie uns Lemaître erzählt, im Hofe der Schule unter Orangenbäumen an einer Quelle und las in seinen Lieblingsdichtern Ronsard, Chateaubriand und Leconte de Lisle, dessen »Poèmes antiques<< (1853) und »Poèmes et poésies« (1855) bereits erschienen waren. Auf seiner Heimatinsel kaufte er während seines Studienjahres 1859 Victor Hugos soeben erschienene »Légende des Siècles«.

Im selben Jahre kehrte er wieder nach Frankreich zurück und ward Schüler der École des Chartes. Hier lernte er die Methoden gelehrter Forschung kennen und erweiterte sein Wissen zu einem erstaunlichen Umfange. Er war im Altertum des Occidents und Orients zu Hause, er war vertraut mit Geschichte und Kultur Ostasiens wie der Neuen Welt; vor allem aber kannte er die Renaissance, das 15. und 16. Jahrhundert, wie kaum ein anderer. Heredia war ein Gelehrter geworden.

Die Bücher aber vermochten ihm nicht die Lebensfreude zu rauben. Er war unabhängig, liebenswürdig, von körperlicher Schönheit. >>Ceux qui l'ont connu à l'âge de vingt ans«, berichtet Brisson, »assurent qu'aucun gentilhomme ne fut plus que lui irrésistible. La taille souple, la voix caressante et chaude, l'œil de velours, le teint mat et doré des gens de son pays, la barbe soyeuse, la chevelure indomptée, M. José-Maria de Heredia semblait un grand d'Espagne peint par Velasquez ou Van Dyck.<<

Kein Wunder, daß er bald in den Kreisen der Pariser Gesellschaft verkehrte.

Er kam auch in die literarischen Zirkel, lernte die führenden Geister, besonders Théophile Gautier und Leconte de Lisle, kennen, für deren Werke er sich wie für die des großen Hugo schon längst begeistert hatte. Dabei erwachte in ihm neben dem Gelehrten der Dichter. Das lebhafte Temperament des Südländers, das leicht zur Begeisterung entfacht wird, das sich in der Sprache durch Beweglichkeit, durch Reichtum des Ausdrucks wiederspiegelt, mochte wohl in ihm diese Neigung gefördert haben. Wegen seiner Vorliebe für die Antike, für die schöne Form, für eine unpersönliche, für eine plastische Kunst wird er aus dem Verehrer ein Schüler Leconte de Lisles.

1862 erschienen seine ersten Verse in der »Revue de Paris«, und als am 3. März 1866 das erste Heft des »Parnasse contemporain« herauskam, gehörte Heredia zu seinen Mitarbeitern. Er bekannte sich zu den ästhetischen Anschauungen, die von dieser Dichtergruppe der sechziger Jahre vertreten wurden. Daß aus den gemeinsamen Interessen der Poeten vom »Parnasse contemporain« auch Freundschaftsbande erwuchsen, braucht wohl nicht besonders betont zu werden.

Von dieser Zeit ab war Heredia Gelehrter und Dichter zugleich. Dabei wurde die Dichtung von dem Studium derart beeinflußt, daß manche von Heredias Schöpfungen nur dem völlig verständlich sind, der über eine umfassende Bildung verfügt. Neben der wissenschaftlichen Forschung boten auch Reisen nach der Bretagne, nach den Pyrenäen, nach Italien dem Dichter manche Anregung.

Nach und nach, in den verschiedensten Sammlungen und Zeitschriften, erschienen einzelne von Heredias Dichtungen, so in den verschiedenen Ausgaben des Parnasse contemporain (1866, 1869, 1876), in der Revue française, in der Renaissance, in der Revue des Lettres et des Arts, in der République des Lettres, im Temps, in der Nouvelle Revue und in der Revue des Deux Mondes (zuletzt 1885, 1893, 1894, 1905).

Als geschickter Deklamator trug Heredia selbst zur Verbreitung seiner Sonette bei. Gar mancher hat sich durch den Klang seiner Worte berauschen lassen, ohne die Tiefe ihres Inhalts zu erschöpfen. Die dem Dichter und seinem Werk eigene deklamatorische Gewalt veranlaßte einen jüngeren Dichter in einer parodistischen Aufzählung der >> Parnassiens<< Heredia mit folgenden Versen zu erwähnen:

Tout tremble: c'est Heredia

A la voix farouche et vibrante,

Qu'en vain Barbey parodia.
Tout tremble: c'est Heredia,

Heredia qu'incendia

Un rayon de mil huit cent trente!
Tout tremble: c'est Heredia

A la voix farouche et vibrante.

nach Gourmont, Promenades II, 55.

Heredias Dichtungen, die hier und da verstreut erschienen waren, die man durch mündliche Überlieferung schon lange in weiten Kreisen kannte, an deren Form der Dichter unermüdlich feilte, wurden erst im Jahre 1893 herausgegeben: »Euvres de José-Maria de Heredia« — »Les Trophées«<, ein zierlicher Elzevirband von 218 Seiten, im Verlage von Alphonse Lemerre, dem Verleger des » Parnasse contemporain« und dem Gönner manches jungen Literaten. Nach einer Widmung an die verstorbene Mutter, die er über alles verehrte, richtet Heredia an seinen Meister Leconte de Lisle eine »epître liminaire«, in der es unter anderem heißt: »Un à un, vous les avez vus naître, ces poèmes. Ils sont comme des chaînons qui nous rattachent au temps déjà lointain où vous enseigniez aux jeunes poètes, avec les règles et les subtils secrets de notre art, l'amour de la poésie pure et du pur langage français. Je vous suis plus redevable que tout autre. C'est pour vous complaire que je recueille mes vers épars.« Der Band enthält 118 Sonette, 3 Cid-Romanzen und ein episches Bruchstück in 6 Abteilungen: »>Les conquérants de l'or«, nach Gaston Deschamps (La Vie et les Livres III,2) insgesamt 3038 Verse. Trotz seines eigenartigen, der großen Menge kaum zugänglichen Inhalts fand das Werk lebhaften Absatz. G. Deschamps zählt 1896 die elfte Auflage.

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Nach » Les Trophées«, diesem Denkmal in der edlen Einfalt und stillen Größe" der Antike, ist keine Sammlung von Heredias Versen mehr erschienen. Nur wenige Dichtungen hat er noch geschaffen. 1896 widmete er dem russischen Herrscherpaar bei seinem Besuche in Paris einen poetischen Gruß. Einiges ist noch in den letzten Jahren entstanden. (Vgl. Revue des Deux Mondes 1905, Les Annales, 8 octobre 1905.) ,,Buch des Jahrhunderts" hat Lucien Muhlfeld (Revue Blanche, 15 avril 1893) » Les Trophées « genannt. Wie man 1857 als das Jahr der >> Madame Bovary« und der »Fleurs du Mal« bezeichnet, so wird man 1893 das Jahr der Trophées nennen.

1894 ehrte die Académie Heredia dadurch, daß sie ihm den Sitz des verstorbenen Charles de Mazade einräumte. Man hatte den Dichter gleich beim ersten Vorschlag gewählt, und am 30. Mai 1895 hielt er seine Aufnahmerede. Heredia bedauerte, daß sein Freund und Lehrer Leconte de Lisle nicht mehr sein Pate sein konnte. Dafür empfing ihn ein anderer Parnassien, François Coppée, der ihn als einen »poète amateur<«< im guten Sinne begrüßte, als einen Dichter, der in seinem Schaffen

keinen äußern Zwang kennt, der nur der Eingebung des Augenblicks folgt. Dem Schöpfer der »Trophées « galt die Ehrung.

Das Bild Heredias würde unvollständig sein, wollten wir seine Prosaschriften unberücksichtigt lassen. Das Verdienst, Heredias Prosa zuerst gebührend gewürdigt zu haben, kommt Gaston Deschamps (La Vie et les Livres III) zu. Da meine Arbeit vorzugsweise den Trophées gewidmet ist, begnüge ich mich damit, auf seine Ausführungen hinzuweisen. Der Begeisterung des Dichters für die Taten seiner Vorfahren verdanken wir die Übersetzung der »Conquista« des Bernal Diaz del Castillo: Véridique Histoire de la conquête de la Nouvelle-Espagne, par le capitaine Bernal Diaz del Castillo, l'un des conquérants, traduite de l'espagnol avec une introduction et des notes, par José-Maria de Heredia, 4 vol. in-12, Paris 1878, 1879, 1884, 1887.

Abgesehen von der vollendeten Einheit von Stoff und Sprache hat die Gründlichkeit der Einleitung und der Anmerkungen Anerkennung gefunden.

Eine weitere Übersetzung aus dem Spanischen folgte im Jahre 1894: La Nonne alferez, 1 vol. in-32, ein köstliches Zeitgemälde, die Selbstbiographie eines Mannweibes aus den ersten Tagen Neuspaniens in altertümlicher Sprache. Dieses Werk erschien am 1. März 1894 in der Revue des Deux Mondes und fast gleichzeitig bei Lemerre in Buchform.

Am 4. September 1894 veröffentlichte Heredia in der Gazette de France einen >> Discours sur Joachim du Bellay «. Dieser Artikel kennzeichnet das Interesse des Dichters für die Plejade, mit welcher der Dichter mehr Berührungspunkte hat, als man auf den ersten Blick glauben möchte.

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1905, in seinem Todesjahr, beendet er die Ausgabe von André Chéniers » Bucoliques«, die Frucht jahrelanger Arbeit. Die Einleitung zu dieser Ausgabe die letzten Zeilen, die der Dichter geschrieben hat wurde in der Revue des Deux Mondes vom 1. November 1905 als >>Le Manuscrit des Bucoliques « veröffentlicht. Nicht allein der Eifer wissenschaftlicher Forschung, sondern auch das Interesse für den Dichter, welcher der französischen Poesie attischen Geist einflößte, das Mitleid mit dem Unglücklichen, der in den Stürmen der Revolution ein tragisches Ende fand, haben Heredia die Feder geführt. Bei der Beschreibung einer Unterhaltung mit Heredia berichten uns Le Cardonnel und Charles Vellay (La Littérature contemporaine): Il nous parlait d'André Chénier, il nous racontait par quel labeur, par quels efforts, et avec quelle piété, il était parvenu à en ordonner, à en reconstituer l'œuvre dispersée. Il nous montrait les manuscrits précieux, chargés, raturés, effacés, où la pensée du poète s'était déposée au hasard; et ces Iambes tragiques,

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