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Adler, plumpe Bären und weiße Schwäne, kluge Raben, eitle: Pfaue und schmachtende Nachtigallen, von unzähligen Eseln, Hunden und Affen gar nicht zu reden. Sie besigt aber auch eine Antilope.

Und die Antilope war schlanker und anmutiger als alle wilden Tiere des Feldes, die Gott der Herr erschaffen hatte, und sie sagte zum Weibe: Sollte wohl Gott gesagt haben, Ihr dürft nicht essen von allen Bäumen des Gartens?

Denn es war die Antilope, welche so sprach.

Die Antilope ist wachsam, einschmeichelnd, behende; wenn sie sich sicher fühlt, ist sie munter und schelmisch; stets ist sie geschmeidig, schnell und graziös. Ihr Wesen ist Anmut. Es giebt eine Antilopenfamilie, welche Beni Israel heißt. Zu dieser muß Heinrich Heine gehört haben.

Selbst Byron hat im 19. Jahrhundert kaum so tief gewirkt als er. Man spürt seinen Einfluß überall in Deutschland wie in Desterreich und Italien, in Rußland wie in Polen, in Frankreich von Gautier bis zu Richepin. Im Norden haben seine Schriften frühzeitig Eingang gefunden. Er ist dort vom Publikum verschlungen worden. Er hat zahlreiche der besten älteren dänischen Schriftsteller beeinflußt, Männer wie Christian Winther, Orla Lehmann, Emil Aarestrup, M. Goldschmidt, dann viele der jüngeren, von J. P. Jacobsen bis zu Sophus Claussen, und ebenso in Norwegen die Generationen von Henrik Ibsen bis zu Alexander Kielland, Gunnar Heiberg und deren Geistesverwandte. Aber in noch höherem Grade als die Schriftsteller, hat er deren Publikum beeinflußt, und bei der Entstehung des seelischen wie intellektuellen Lebens fast jeder einzelnen entwickelten Persönlichkeit mitgewirkt.

Unermeßlich ist sein Einfluß, ungeheuer jedoch ist er gewesen; unmerklich und gewaltig. Gefährlich und verwirrend war er stets für charakterlose Wesen und Schwachköpfe, befreiend hingegen und belebend für gesunde, starke Seelen. In alten Tagen ergriff er die Geister wie eine Ansteckung, später befruchtete er sie wohlthätig, und jezt, wo er nicht mehr konzentriert wirkt, liegt er in der Luft und wird auch in der Luft des kommenden, neuen Jahrhunderts gespürt werden. G. B.

1.

Der Einfluß der Julirevolution auf Heine.

Heinrich Heine befand sich im Sommer des Jahres 1830 auf Helgoland, träumte auf den Dünen, starrte hinaus auf das Meer und horchte auf das Rauschen der Wogen. Er hatte jede Hoffnung auf bessere Zeiten aufgegeben. Er las in den wenigen Büchern, die er bei sich hatte, im Homer, in der Bibel, in der Geschichte der Langobarden und in einigen alten Scharteken über Herenwesen. Kaum begriff er selbst, daß er noch soeben Redakteur der „Politischen Annalen“ in München gewesen war. Zwei Tage nach dem Ereignisse der Julirevolution, jedoch bevor diese Nachricht Helgoland erreicht hatte, schrieb er von dort in einem seiner Briefe, daß er jetzt beschlossen habe, Politik und Philosophie an den Nagel zu hängen und sich der Naturbetrachtung und Kunst hinzugeben: „Ist doch all dieses Quälen und Abmühen nuglos, und obgleich ich mich für das allgemeine Heil marterte, so wird doch dieses wenig dadurch gefördert. Die Welt bleibt nicht im starren Stillstand, aber im trostlosesten Kreislauf. Einst, als ich noch jung und unerfahren, glaubte ich, daß, wenn auch im Befreiungskampfe der Menschheit der einzelne Kämpfer zu Grunde geht, dennoch die große Sache am Ende siege. Nun erkenne ich, daß sich auch die Menschheit, wie das Meer, nach den Gesezen von Ebbe und Flut bewegt."

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Selbst, wenn derartige Ausdrücke erst später hinzugefügt worden, selbst, wenn diese Briefe nicht echt sind, und als

Memoiren-Bruchstück dem Buche über Börne*) als Uebergangsteil eingeschoben, so hat man hier doch zweifellos ein richtiges Bild von Heine's Stimmung aus jenen Tagen.

Am 6. August schreibt er dann: „Eben las ich in Paul Warnefrieds Geschichte der Langobarden, als das dicke Zeitungspacket mit den warmen, glühendheißen Neuigkeiten vom festen Lande anfam. Es waren Sonnenstrahlen, eingewickelt in Druckpapier, und sie entflammten meine Seele bis zum wildesten Brand. Mir war, als könnte ich den ganzen Ozean bis zum Nordpol anzünden mit den Gluten der Begeisterung und der tollen Freude, die in mir loderten." Ihm schien alles ein Traum zu sein; besonders klang ihm der Name Lafayette als eine Sage aus seiner frühesten Kindheit. Er konnte es kaum fassen, daß derselbe Mann, welcher die Großväter des jeztlebenden Geschlechtes im amerikanischen Freiheitskriege angeführt hatte, jezt aufs neue als Nationalheld zu Pferde size. Ihm war, als müsse er selbst nach Paris gehen, um sich von der Wirklichkeit zu überzeugen.

Mit starkem Pathos, das er jedoch bald mit leichter Selbstironie zu dämpfen sucht, schreibt er: „Lafayette, die dreifarbige Fahne, die Marseillaise . . . Ich bin wie berauscht. Kühne Hoffnungen steigen leidenschaftlich empor, wie Bäume mit goldenen Früchten und wilden, wachsenden Zweigen, die ihr Laubwerk weit ausstrecken bis in die Wolken ... Fort ist meine Sehnsucht nach Ruhe. Ich weiß jezt wieder, was ich soll, was ich muß. . . Ich bin der Sohn der Revolution und greife wieder zu den gefeiten Waffen, worüber meine Mutter ihren Zaubersegen ausgesprochen . . . Blumen! Blumen! Ich will mein Haupt bekränzen zum Todeskampf.) Und auch die Leier reicht mir, die Leier, damit ich ein Schlachtlied singe Worte gleich flammenden Sternen, die aus der Höhe herabschießen und die Paläste verbrennen und die Hütten erleuchten

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Worte gleich blanken Wurfspeeren, die bis in den siebenten Himmel hinaufschwirren und die frommen Heuchler treffen, die sich dort eingeschlichen ins Allerheiligste .

*) Heine's sämtliche Werke. Bd. 12. p. 80 ff.

Ich bin ganz

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