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Sie würden Nägel in seine Schuppen bohren, und wenn dies noch nicht hinreichte, ihm hundert Flintenkugeln in den Leib jagen . . . . So habe ich es gemacht.“ (Pariser Brief von 14. Dezember 1831.)

Man sieht also, wie Börne's kräftige Worte über deutsche Unterthänigkeit und Schläfrigkeit nur der negative Ausdruck seiner Vaterlandsliebe sind. Der Patriotismus äußert sich bei ihm in der Regel nur indirekt, aber er bahnt sich seinen Weg durch seinen wehmütigen Spott, wie bei Anderen durch begeisterte Aufrufe.

Was nun Heine anbetrifft, so hat wohl Börne ihm gegenüber insoweit Recht, als ihm als Dichter sein geschmeidiges Temperament den eintönigen Kampf für eine politische Ueberzeugung schwierig machte, auch insofern Recht, als Heine unter jenem Zwiespalt und jener Unklarheit litt, die wir bei ihm verfolgt haben, nämlich, sich zugleich als volkstümlicher Revolutionär und als enthusiastischer Aristokrat zu fühlen. Wenn nun Heine unterließ, sich irgend einer vorhandenen politischen oder religiösen Partei anzuschließen, so liegt hierin doch das beste Zeugnis für die Feinheit seiner geistigen Entwickelung. Seine Scherze im „Atta Troll“ mit der predigenden Klerisei der Opposition sind hinreißend und vollauf berechtigt. Sie beweisen nur, daß er den Dogmatismus in all seinen Formen verabscheute.

Deshalb hat Börne in seiner Annahme Unrecht, daß Heine je seine Partei in der großen umfassenden Bedeutung des Wortes, seine reichen Ideen, für die er gestritten, verleugnet habe. Und gleichfalls that er dies nicht, als er auf seinem achtjährigen Sterbelager seine armen gelähmten Augenlider mit Mühe öffnete, um Gott in jenem Himmel zu suchen, dessen Lehre er selbst mit Wehmut und Troß geschildert hatte.

Heine war aber auch in gleichem Maße wie Börne Patriot. Jeder Kenner von Heines Schriften wird sich gewiß noch der schönen Stelle am Schluß der Reisebilder" erinnern, wo er die Chronik von Kaiser Maximilian erzählt. Derselbe saß in Tirol gefangen, verlassen von seinen Rittern und Höflingen, da öffnete sich eines Tages die Thür seines Gefängnisses und ein

verhüllter Mann trat herein, in welchem der Kaiser seinen treuen Hofnarren, Kunz von der Rosen, erkannte.

Ich halte es nicht nur für geistreich, sondern auch für wahr, wenn Heine sagt: deutsches Vaterland! teures deutsches „O Volf! Ich bin dein Kunz von der Rosen. Der Mann, dessen eigentliches Amt die Kurzweil, und der Dich nur belustigen sollte in guten Tagen, er dringt in Deinen Kerker zur Zeit der Not; hier unter dem Mantel bringe ich Dir Dein starkes Scepter und die schöne Krone - erkennst Du mich nicht, mein Kaiser?... Wenn Du auch in Fesseln darnieder liegst, so siegt doch am Ende Dein gutes Recht, es naht der Tag der Befreiung, eine neue Zeit beginnt - mein Kaiser, die Nacht ist vorüber und draußen glüht das Morgenrot.“

Sobald man sich nicht an Einzelheiten klammert, an leichtfertige Ausfälle und übermütige Wendungen hier und dort, so wird man erkennen, daß dies Gefühl, daß sich hier einen klassischen Ausdruck gegeben, mächtig bei Heine ist. Weder sein Parteistandpunkt noch die damit zusammenhängende Bewunderung der Fremde haben bei ihm eine aufrichtige und tiefgehende Vaterlandsliebe, die ihm während des Exils Entbehrung auf Entbehrung einbrachte, ausgeschlossen. Er besaß allerdings nicht jene Art von Patriotismus, welche er irgendwo den Deutschen im Allgemeinen beilegt, die das Herz enger macht und sich wie Leder in der Kälte zusammenzieht, sondern diejenige, welche das Herz erwärmt und weitert, so daß es mit der Liebe zum Vaterlande zugleich das ganze Reich der Zivilisation umfaßt.*) Wie war es auch anders möglich, als daß er Deutschland liebte! So wie er dies ausgesprochen hat, so möge es jeder von seinem Lande sagen: „Das ist es. Deutschland, das sind wir selber." Sein ganzes Wesen war ja durch seine in Deutschland erfolgte Geburt und Entwickelung bestimmt. Auch, als er die lezte Hälfte seines Lebens in freiwillig-unfreiwilliger Verbannung zubringen mußte, heimatlos insofern, als seine Schriften vom deutschen Bundestage verboten waren, ward ihm die deutsche

*) Vergl. Heines Werke Bd. 6 pag. 51. Bd. 14 pag. 45. Bd. 13

pag. 16.

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Sprache das wahre, höhere, eigentliche Vaterland. Er selbst hat das deutsche Wort das heiligste Gut und den unbezwingbaren Freiheitswecker genannt, und es sogar für denjenigen, welchen Thorheit und Bosheit aus dem Vaterland getrieben, als ein neues Vaterland bezeichnet.

10.

Heines lehte Jahre. Die Mouche.

Heine's Prosa steht nicht auf gleicher Höhe mit seinen Versen. In seinem berühmtesten Prosabuche „Reisebilder“ zeigt er sich als Schüler Sternes, später, nachdem er größere Selbständigkeit gewinnt, ist er wohl stets geistreich und feurig, doch nur selten den Stoffen gewachsen, die er behandelte. Gleich dilettantisch ist, was er einerseits über deutsche Philosophie für Franzosen, andererseits über französische Malerei für Deutsche schrieb. Er war gewiß als Journalist betrachtet, stets ein ganz ausgezeichneter Journalist, doch er ist zu bedeutend, als daß diese Bezeichnung der Stärke seines Wesens entsprechen könnte.

Die Pedanten unter seinen Widersachern haben freilich ein ungebührliches Wesen von seiner sogenannten Oberflächlichkeit gemacht. Er war wohl kein eigentlicher Arbeiter, aber keineswegs ohne jeglichen Fleiß und hatte sich zahlreiche und gründliche Kenntnisse angeeignet. Doch nur als Dichter ist er groß; die meisten seiner Prosaschriften sind nur im Dienste des Augenblickes verfaßt, ganz davon zu schweigen, daß man seinem Andenken durch Herausgabe seiner Briefe, die ihn in der Regel nur von einer wenig vorteilhaften Seite zeigen, geschadet hat. Man sieht ihn da sehr häufig nur von seinen Interessen erfüllt. Aber Geldverlegenheit ist ein langweiliger Stoff, selbst wenn es sich um diejenige eines großen Talentes handelt.

Es war Heine bekanntlich nicht beschieden, ein ganzes Menschenleben zu Ende zu leben. Er wurde in voller geistiger Kraft durch eine entsegliche Krankheit hingerafft.

Er war stets zart und schwächlich gewesen, in seiner Jugend von hartnäckigem Kopfschmerz geplagt. Im Trinken war er zu derartigem Maßhalten gezwungen, daß er sich nach der scherzhaften Aussage seiner Freunde damit begnügte, an einer Flasche Rheinwein, die sich in seiner Kammer befand, zu riechen. Sein Nervensystem war frühzeitig erschüttert, sicherlich weit weniger durch Ausschweifungen, als man dies annimmt denn gerade er ist in hohem Grade fanfaron de vices, der sich in seinen Schriften beständig seiner Laster rühmt aber er wurde von jener Krankheit überfallen, welche so häufig das Los derjenigen ist, deren Leben unausgesezt aus geistiger Produktivität bestand. Eine Rückenmarksaffektion, zuerst mit einer Lähmung der Augenlider, nach und nach mit der des ganzen Körpers verbunden, traf ihn. Ungefähr acht Jahre lag er in Paris in seiner Matraßengruft ausgestreckt.

Sein Leben, welches weder als ein großes, noch als ein glückliches bezeichnet werden kann, zerfällt in zwei bestimmt begrenzte Hälften, den Aufenthalt in Deutschland bis zur Julirevolution, und den Aufenthalt in Paris vom Jahre 1831 bis zu seinem Tode im Jahre 1856. Er hat wohl ein Leben ohne Berechnung geführt, aber jedenfalls nicht ohne Instinkt dafür, wo die Entwickelungsmöglichkeiten für sein Talent lagen. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß Heine seine Höhe in der Weltlitteratur erklommen hätte, oder auch nur als satirischer Dichter so hervorragend geworden, wenn er nur in seinem Vaterlande geblieben wäre.

Seine Jugendzeit in Deutschland verstrich unter dem Druck der Reaktion; seine Reisebilder gewannen ihre Popularität, da sie der herrschenden politischen Unzufriedenheit Ausdruck gaben; aber bald gab er im Stillen alles Politisieren als unfruchtbar auf. Da schaffte die Julirevolution Luft! Heine bricht auf, läßt sich häuslich in Paris nieder und wird dort bald durch das vom Deutschen Bunde erlassene Verbot seiner Schriften. gefesselt. Das Ministerium Guizot giebt ihm heimlich jene kleine Jahresrente, welche ihn in den Stand sezt, ein verhältnismäßig sorgenloses Leben zu führen; aus diesem Anlasse wurde er auch der Gegenstand von Angriffen, welche gewiß

nicht jeglichen Grundes entbehren, mit denen ihm aber dennoch großes Unrecht zugefügt ward. Man darf nicht vergessen, daß Heine sich schlecht auf die Kunst verstand, Geld zu verdienen, und es ihm auch nur wenig genügt haben würde, wenn er sich besser darauf verstanden hätte. Er, mit dessen Büchern Millionen verdient sind, verkaufte das Buch der Lieder" an Campe gegen Quittierung einer alten Schuld von 50 Louisd'or für alle Auflagen, und Zeit seines Lebens war er genötigt seine Zuflucht zu dem nur ungern gewährten Beistand seines reichen Onkels zu nehmen. Vielleicht hätte er, würden er selbst und seine Frau sich besser auf Dekonomie verstanden haben, die Regierungsunterstützung entbehren können. Dieselbe hat ihn nun wohl verhindert, dies oder jenes über das französische Ministerium in deutschen Zeitungen zu veröffentlichen, was er sonst wohl geschrieben haben würde ein anderes Unglück hat sie aber gewiß nicht verursacht, und am allerwenigsten hat sie ihn bewogen, irgend etwas zu schreiben, wovon er nicht überzeugt war.

Von Frankreich aus hat er als Schriftsteller einen ununterbrochenen und stets heftigen Kampf gegen die europäische Reaktion geführt. Man darf wohl behaupten, daß er in dieser Hinsicht Byrons großer Erbe ist. Wenige Jahre später, nachdem das im Dienste der Freiheit geschwungene Schwert des Spottes der Hand des sterbenden Byron entglitten war, wird es von Heine erfaßt und ein Menschenalter hindurch mit gleich gewaltiger Behendigkeit und Kraft geschwungen. In den lezten acht Jahren aber führt es ein tötlich Verwundeter.

Nie hatte er wahrere, echtere, beißendere und strahlendere Verse geschrieben, als zur Zeit seines Martyriums auf dem niederen, breiten. Bett in Paris. Und nie hat wohl auch irgend ein schaffender Geist größeren Mut, größeres Aushalten und Unangefochtensein bei übermenschlichen Qualen gezeigt. Selten hat sich die Macht der Seele über den Körper so unzweideutig erwiesen. Schmerzen, wie die seinen, stumm mit zusammengebissenen Zähnen zu ertragen, das bedeutet bereits viel; dabei aber noch geistig zu schaffen, zu spotten und zu scherzen, Raketen voll Laune und Phantasie herauszuschleudern,

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