Handbuch zur Einführung in die deutsche Litteratur mit Proben aus Poesie und Prose

Die Herausgeber hoffen mit der Durchführung der dargelegten Grundsäge und mit der Neubearbeitung des Buches überhaupt die Zustimmung der Fachgenossen für sich zu haben. Allen denen aber sei hier verbindlicher Dank ausgesprochen, die ihnen durch freundliche Beratung und beachtenswerte Winke die Arbeit erleichtert haben.

Möge das Buch in seiner neuen, nach altem, gutem Grundsaße nur das Beste bietenden Gestalt wohlwollende Aufnahme bei den Fachgenossen finden und in den Schülern den Grund legen helfen zu wahrhafter Begeisterung für unsere herrliche Litteratur und das darin sich spiegelnde reiche deutsche Geistesleben!

Döbeln und Dresden, 15. Mai 1895.

Prof. Dr. C. Hentschel. Prof. Dr. G. Hey. Dr. O. Lyon.

Vorwort zur ersten Auflage.

Seinen vier Vorgängern reiht sich der vorliegende V. Teil des Lesebuches für Realschulen welches gleichwohl auch für Gymnasien verwendbar erscheint und demgemäß künftighin mit verändertem Titel erscheinen wird als Schlußband an. Derselbe hat die Bestimmung, dem deutschen Unterrichte in der Untersekunda des Realgymnasiums wie des humanistischen Gymnasiums und der 1. Klasse der bisherigen Realschule II. Ordnung als Grundlage zu dienen, und zwar sowohl rücksichtlich der Litteraturgeschichte und Lektüre, wie auch der Deklamation, Metrik und Poetik. Die Herausgeber haben diesen mehrfachen Anforderungen in der Weise gerecht zu werden gesucht, daß sie der historischen Entwickelung unseres Schrifttums folgend die einzelnen Abschnitte desselben, soweit dies für den Standpunkt der Klasse notwendig erscheint, in knappen Zügen charakterisieren, die wichtigsten Dichter und Prosaiker nach Leben und Bedeutung besprechen und deren Hauptwerke namhaft machen, im Anschluß hieran teils vollständige, teils nach Möglichkeit abgerundete und abgeschlossene charakteristische Probestücke folgen lassen, bei den Neueren besondere Rücksicht auf den Deklamationsstoff (mit * bezeichnet) nehmen und an geeigneter Stelle kurze die Metrik und Poetik betreffende Bemerkungen beifügen.

Wenn hierbei die Vorzeit, die Periode des Alt- und besonders Mittelhochdeutschen, ebenfalls Berücksichtigung gefunden hat, in der Art, daß eine beschränkte Zahl von Originalproben mit wörtlicher Übertragung und eine größere Menge von guten Überseßungen und Nachdichtungen der bedeutendsten mittelhochdeutschen Werke geboten werden, so möchte dies, wennschon es im Grunde den neuesten ministeriellen Bestimmungen zuwiderläuft, doch nicht gerade tadelnswert erscheinen. Die Rücksicht auf

die Thatsache, mit welcher unsere höheren Anstalten zu rechnen haben, daß nach Absolvierung der Untersekunda, beziehentlich der 1. Klasse, eine sehr große Zahl der Schüler ins praktische Leben eintritt, dürfte es wohl gerechtfertigt erscheinen lassen, diesen auch einen Einblick in die Blüte der älteren Litteratur zu verschaffen und eine wenn auch nur leidliche Kenntnis derselben mit auf den Weg zu geben. Die dem deutschen Unterrichte eingeräumte Zeit mag es wohl im allgemeinen gestatten, nach Beendigung des vorgeschriebenen Pensums, der Zeit von Luther bis zur Gegenwart, in den lezten Wochen des Jahreskursus auch unserer älteren Litteratur ein wenig Aufmerksamkeit zu widmen.

Die gebotene Reichhaltigkeit des Probenmaterials, welches kaum in einem Jahre ausgenußt werden dürfte, rechtfertigt sich damit, daß dem Lehrer Wechsel und Auswahl ermöglicht werden sollte. Daß dagegen von der eigentlichen Litteraturgeschichte bloß das Wissenswerteste aufgenommen und aller minder wichtige, den Überblick nur beeinträchtigende Stoff beiseit gelassen worden ist, bedarf wohl nicht erst besonderer Motivierung. Gegenüber den verschiedenen neuerdings erschienenen ähnlichen Büchern, welche teils zu viel, teils zu wenig bieten, sucht das vorliegende die rechte Mitte zu halten. Nach Art der Chrestomathieen eingerichtet, dürfte es auch da, wo einzelne Werke unserer Klassiker vollständig gelesen werden, nicht wohl entbehrlich erscheinen und ist als ein in sich abgeschlossenes, selbständiges Werk nicht minder für solche Anstalten verwendbar, in denen die früheren Teile des ,,Deutschen Lesebuches für Realschulen“ nicht zur Einführung gelangen.

Was die Orthographie anlangt, so ist mit alleiniger Ausnahme der in beschränkter Menge gegebenen Originalproben überall die neuere durchgeführt worden.

Möchte dieses Handbuch zur Einführung in unsere herrliche deutsche Litteratur demselben Ziele nahe kommen, welches die Herausgeber bei den früheren Bänden vor Augen gehabt haben, nämlich dazu beizutragen, in unserer Jugend die Bereicherung des Wissens nicht nur, sondern auch die Belebung der Phantasie, die Stärkung und Kräftigung des religiössittlichen Gefühls und der vaterländischen, echt deutschen Gesinnung zu fördern, überhaupt das Gemüt für alles Gute und Schöne empfänglich zu machen und es mit nachhaltiger Begeisterung für die idealen Güter des Lebens zu erfüllen! Möchte ferner das Buch einer freundlichen Aufnahme teilhaftig werden und zugleich die weitere Einführung des ganzen Werkes in den höheren Schulen Mitteldeutschlands, auf welche vorzugsweise unser Augenmerk gerichtet war, begünstigen und fördern helfen! Döbeln, 1. März 1884.