Mitten in des Weltmeers wilden Wellen Scheiterte das Schiff. Die Edlen retten Sich im Fahrzeug.,,Wo ist Don Alonso?' Riefen sie. Er war des Schiffes Priester.
,,Reiset wohl, ihr Freunde meines Lebens, Bruder, Oheim! sprach er von dem Borde, Meine Pflicht beginnt, die eure endet."
Und er eilt' hinunter in des Schiffes Kammern, seine Sterbenden zu trösten, 10 Höret ihre Sünden, ihre Buße,
Ihr Gebet und wehret der Verzweiflung, Labet sie, und geht mit ihnen unter.
Welch ein Geist war größer? Jenes Cato, Der im Zorne sich die Wunden aufriß, Oder dieses Priesters, der, den Pflichten Seines Amtes treu, im Meer ersinket?
9. Der gerettete Jüngling.
Eine schöne Menschenseele finden Jst Gewinn; ein schönerer Gewinn ist, Sie erhalten, und der schönst' und schwerste, Sie, die schon verloren war, zu retten.
Sankt Johannes, aus dem öden Patmos1) Wiederkehrend, war, was er gewesen, Seiner Herden Hirt. Er ordnet' ihnen Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen 10 Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte Vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen Sprach die liebevollste Feuerseele.
„Diesen Jüngling, sprach er zu dem Bischof, Nimm in deine Hut! Mit deiner Treue Stehst du mir für ihn! Hierüber zeuge Mir und dir vor Christo die Gemeine!"
1) Insel bei Samos, auf welche der Evangelist und Apostel Johannes ver
Er ging zur einsam-frommen Wüstenei Und harrete auf Offenbarung. Da
Rief eine Stimme:,,Schau zur Erd' hinab, Simplicius."
Er sah. Ein wimmelnd Nest
10 Ameisen war vor ihm in lebender
Bewegung. Diese trugen eine Last,
Viel größer als sie selbst. Ein andrer Hauf' Hielt Kräutersamen in dem Munde, fest Wie mit der Zange. Jene holten Erd' Herbei und dämmten ihren breiten Strom. Die andern trugen für den Winter ein Und schroteten die Körner künstlich ab, Daß ihre feuchte Wohnung nicht mit Kraut Verwüchse. Diese hielten einen Zug;
20 Sie trugen einen Toten aus der Stadt. Und keiner stört' den andern, jeder wich Beim Ein- und Ausgang seinem Nachbar aus. Wer unter seiner Last erlag, und wer Die steile Straße nicht erklimmen konnte, Dem half man auf, man bot den Rücken dar. Simplicius sah's mit Verwunderung
Und sähe noch, hätt' ihm die Stimme nicht Gerufen:,,Bist du nicht viel mehr als sie?"
Und vor ihm stand ein Greis. „Verlorner Sohn, 30 Wie? hast du keinen Vater? keine Mutter? Und keinen Freund und Armen, dem du jezt Beispringen könntest? Bist vom Himmel du Entsprossen? teinem Menschen auf der Welt Verbunden oder wert, daß ihm ein Teil Von dir gehöre? Sieh das kleine Volk
Ameisen. Jede wirket ingemein, Und ohne Eigentum hat jede g'nug."
Belehret kehrt Simplicius zurück Zur muntern Thätigkeit und sah fortan 40 Im großen Ameishaufen dieser Welt
Die Gottesstadt, die (oft sich unbewußt) Im Wirken fürs Gemeine lebt und webt Niemand für sich, für alle jedermann.
Mitten in des Weltmeers wilden Wellen Scheiterte das Schiff. Die Edlen retten Sich im Fahrzeug.,,Wo ist Don Alonso?" Riefen sie. Er war des Schiffes Priester.
,,Reiset wohl, ihr Freunde meines Lebens, Bruder, Oheim! sprach er von dem Borde, Meine Pflicht beginnt, die eure endet."
Und er eilt' hinunter in des Schiffes Kammern, seine Sterbenden zu trösten, 10 Höret ihre Sünden, ihre Buße,
Ihr Gebet und wehret der Verzweiflung, Labet sie, und geht mit ihnen unter.
Welch ein Geist war größer? Jenes Cato, Der im Zorne sich die Wunden aufriß, Oder dieses Priesters, der, den Pflichten Seines Amtes treu, im Meer ersinket?
9. Der gerettete Jüngling.
Eine schöne Menschenseele finden Jst Gewinn; ein schönerer Gewinn ist, Sie erhalten, und der schönst' und schwerste, Sie, die schon verloren war, zu retten.
Sankt Johannes, aus dem öden Patmos1) Wiederkehrend, war, was er gewesen, Seiner Herden Hirt. Er ordnet' ihnen Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen 10 Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte Vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen Sprach die liebevollste Feuerseele.
„Diesen Jüngling, sprach er zu dem Bischof, Nimm in deine Hut! Mit deiner Treue Stehst du mir für ihn! Hierüber zeuge Mir und dir vor Christo die Gemeine!"
1) Insel bei Samos, auf welche der Evangelist und Apostel Johannes ver
Und der Bischof nahm den Jüngling zu sich, Unterwies ihn, sah die schönsten Früchte
In ihm blühn, und weil er ihm vertraute, 20 Ließ er nach von seiner strengen Aufsicht.
Und die Freiheit war ein Nez des Jünglings; Angelockt von füßen Schmeicheleien,
Ward er müßig, kostete die Wollust, Dann den Reiz des fröhlichen Betruges, Dann der Herrschaft Reiz; er sammlet' um sich Seine Spielgesellen, und mit ihnen
Zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber.
Als Johannes in die Gegend wieder Kam, die erste Frag' an ihren Bischof
30 War: Wo ist mein Sohn?" — „Er ist gestorben!" Sprach der Greis und schlug die Augen nieder. ,,Wann und wie?",Er ist Gott abgestorben, Ist (mit Thränen sag' ich es) ein Räuber."
,,Dieses Jünglings Seele, sprach Johannes, Fordr' ich einst von dir. Jedoch wo ist er?" ,,Auf dem Berge dort!"
Und Johannes, kaum dem Walde nahend, Ward ergriffen; eben dieses wollt' er.
40,Führet, sprach er, mich zu eurem Führer!"
Vor ihn trat er! Und der schöne Jüngling Wandte sich; er konnte diesen Anblick Nicht ertragen. „Fliehe nicht, o Jüngling, Nicht, o Sohn, den waffenlosen Vater, Einen Greis! Ich habe dich gelobet Meinem Herrn und muß für dich antworten. Gerne geb' ich, willst du es, mein Leben Für dich hin; nur dich fortan verlassen Kann ich nicht! Ich habe dir vertrauet, 50 Dich mit meiner Seele Gott verpfändet."
Weinend schlang der Jüngling seine Arme Um den Greis, bedeckete sein Antlig,
Stumm und starr; dann stürzte statt der Antwort Aus den Augen ihm ein Strom von Thränen.
Auf die Kniee sank Johannes nieder, Küßte seine Hand und seine Wange,
Nahm ihn neugeschenket vom Gebirge, Läuterte sein Herz mit süßer Flamme.
Jahre lebten sie jezt unzertrennet
60 Miteinander; in den schönen Jüngling Goß sich ganz Johannes' schöne Seele.
Sagt, was war es, was das Herz des Jünglings
Also tief erkannt und innig festhielt?
Und es wiederfand und unbezwingbar
Rettete? Ein Sankt-Johannes - Glaube, Zutraun, Festigkeit und Lieb' und Wahrheit.
1. Einst saß am murmelnden Strome Die Sorge nieder und sann; Da bildet' im Traum der Gedanken Ihr Finger ein leimernes 1) Bild.
2.,,Was hast du, sinnende Göttin?" Spricht Zeus, der eben ihr naht. Ein Bild, von Thone gebildet; Beleb's, ich bitte dich, Gott!"
3.,,Wohlan denn! Lebe! Es lebet!
Und mein sei dieses Geschöpf!" Dagegen redet die Sorge: „Nein, laß es, laß es mir, Herr!
4. Mein Finger hat es gebildet" Und ich gab Leben dem Thon", Sprach Jupiter. Als sie so sprachen, Da trat auch Tellus 2) hinan.
5. Mein ist's! Sie hat mir ge
Von meinem Schoße das Kind." ,,Wohlan, sprach Jupiter, wartet! Dort kommt ein Entscheider, Saturn.“
6. Saturn sprach: „Habet es alle! So will's das hohe Geschick. Du, der das Leben ihm schenkte, Nimm, wenn es stirbet, den Geisst;
7. Du, Tellus, seine Gebeine Denn mehr gehöret dir nicht. Dir, seiner Mutter, o Sorge, Wird es im Leben geschenkt.
8. Du wirst, solang es nur atmet, Es nie verlassen, dein Kind. Dir ähnlich wird es von Tage Zu Tage sich mühen ins Grab.“
9. Des Schicksals Spruch ist erfüllet, Und Mensch heißt dieses Geschöpf. Im Leben gehört es der Sorge, Der Erd' im Sterben und Gott.
1) Von Lehm oder Thon. 2) Die Erdgöttin.
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