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Schluss-n und daher in geschlossener Silbe stehenden Tonvokals hervorgerufen ist1), sowie dass auch vor inlautendem m oder n die Tonvokale der Regel nach kurz oder wenigstens halblang sind.

Da nun, wie O. Faulde) nachgewiesen hat, seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts nicht nur die Wörter auf -elle (lat. -ĕlla) fast durchweg mit der die Vokal kürze anzeigenden Konsonantengemination auftreten, sondern die auch auf lat. -alem zurückgehenden Feminina (z. B. quelle, telle), ferner in grosser Zahl die Feminina auf -olle, -ulle, -onne, -unne, -ainne, -ette, -itte, einerlei ob lateinische einfache Konsonanz oder mehrfache oder Konsonantengemination vorlag, so darf, unter Anwendung dieses Parallelismus auf jene Zeit, wohl angenommen werden, dass im 14. Jahrhundert den Tonvokalen auch vor wortauslautendem 1, n oder t Kürze zukam. Mithin hatten tel und martel im 14. Jahrhundert nicht, wie Ten Brink (1. c. S. 49) annimmt, langen, sondern kurzen Tonvokal.

In Anbetracht der sich im 14. Jahrhundert zeigenden Vokalkürze in den Wörtern auf -elle und -ette dürfte auch die weitere, allerdings mit Einschränkungen aufgestellte Behauptung Ten Brinks (1. c. S. 41): > Die Kürzung langer Konsonanz im Inlaut ging, wie es scheint, mehr allmählich vor sich und wurde vermutlich auch nicht überall durchgeführt,« zu berichtigen sein; auch das, wie Ten Brink vermutet, in einigen Fällen stattgefundene Schwanken, welches dann später mit dem Sieg der langen Konsonanz endigte«, und wodurch veranlasst worden sei, dass gelegentlich sogar ursprünglich kurze Konsonanz verlängert, der davor stehende ursprünglich lange Vokal gekürzt wurde, erscheint vom 14. Jahrhundert an fraglich, da die Vokalkürze vor 1, m, n, t, wie aus Faulde's Untersuchungen hervorgeht, damals die Regel wurde; eine Regel, welche ebenso für das 16. Jahrhundert durch Th. Beza (1. c. p. 84, 86, 89) deutlich bezeugt wird 3), und

1) vgl. Diez, Gr. 14, 495.

2) Zeitschr. f. rom. Phil. IV, 565 ff.

3) Gegenüber diesem Zeugnisse könnte auch die von O. Ulbrich (Zeitschr. f. rom. Phil. III, 392, Anm.) aus Bernhardus (1607) und Duval (1604) nachgewiesene Aussprachebezeichnung houme, houneur, souneur, boune, persoune nicht für Vokallänge in diesen Wörtern geltend gemacht werden. Ulbrich sieht den Grund dieser Bezeichnung in dem tief gutturalen französischen n, das den vorausgegangenen Vokal verdunkelt habe. Vgl. oben, Seite 31.

Auffallend ist allerdings, dass nach Thurot (1. c. p. 308) im 17. Jahrhundert Mourgues (1685) u. a. den Reim aisle nouvelle gestattet, in welchem das stumme s in aisle auf Länge des Tonvokals in beiden Wörtern hinzuweisen scheint; allein Thurot (1. c.) bemerkt mit Recht auf Grund der Angaben anderer Grammatiker aus jener Zeit: >>Mais il est douteux qu'il (nämlich Mourgues) se soit exprimé exactement ou que cette prononciation ait jamais été d'un usage géneral.<< Uebrigens ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass bei gewissen Vokalen bereits im 16. Jahrhundert die Quantitätsunterschiede so gering waren, dass manche Vokale im Reim sich zur Not ebensowohl als Längen, wie als Kürzen gebrauchen liessen. So dürfte sich die Bemerkung Thurots (1. c. p. 68) erklären: >> Baïf écrit par un

welche auch heute noch im Allgemeinen feststeht 1). Die von Ten Brink (1. c. S. 44, 45) angegebenen Reime dürften daher nur beweisen, dass die Tonvokale in Wörtern wie crueles, parfecte, debte, amourette u. s. w. kurz waren. Auch das aus ai hervorgegangene è war, im 16. Jahrhundert wenigstens, in solchen Fällen sicherlich kurz; Th. Beza giebt (1. c. p. 84) für faicte (und prophete) ausdrücklich kurzen Tonvokal an, und für parfaite schreibt er (p. 45) vor, dass dessen Ton vokal genau ebenso wie der von prophete zu sprechen sei; ebenso Lanoue für das 17. Jahrhundert (vgl. Thurot, 1. c. p. 314).

Ob die Kürzung solcher Vokale, welche im Lateinischen in offener Silbe im Wortinlaut standen (z. B. in personne, couronne, telle u. a.), erst seit dem Ende des 13. Jahrhunderts eingetreten ist, und dies zugegeben, wodurch sie veranlasst worden sein kann, ist eine Frage, welche hier nicht zu lösen ist. Vielleicht könnte dabei die Thatsache ein Fingerzeig sein, dass die Kürzung nur vor solchen Konsonanten (mit Ausnahme von r und s) stattfand, welche sich der Lautlehre nach im Wortauslaut erhalten können (1, n und stimmlose Muta, welche auf frühere mehrfache Konsonanz oder Konsonantengemination zurückgeht). Nicht unerwähnt mag bleiben, dass Diez (Gr. 14, 426) aus dem Churwälschen die Formen glinna (lat. lūna), plimma (lat. plūma) citiert, in welchen die Konsonantengemination ebenfalls Kürze eines langen Tonvokals vor ursprünglich einfacher Konsonanz anzuzeigen scheint 2).

Die von Ten Brink behauptete Verlängerung eines ursprünglich kurzen Vokals auf Kosten der folgenden Konsonanz seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ist wohl nur für die Vokale vor ss und rr aufrecht zu erhalten. Für ss lässt sich nichts Sicheres bestimmen, da vor dieser Gruppe offenbar schon frühzeitig Verwirrung der Quantität eingetreten ist (siehe oben, Seite 83); vor rr dagegen findet sich nicht nur heute lediglich Länge des Tonvckals, auch Th. Beza bezeugt dieselbe schon für das 16. Jahrhundert (1. c. p. 90)3); und schon im Oxforder Psalter (Mitte des 12. Jahrhunderts) 4) finden sich Formen wie perre, jugerre, salverre neben frere, pere, mere u. s. w., in- welchen die (aus tr, dr hervorgegangene) Gemination des r wohl kaum Kürze des der Etymologie nach lang zu erwartenden Tonvokals be

e fermé, pour avoir une brève : guéte, jete, charréte, néte, tandréte, et par un e ouvert, pour avoir une longue: jète, nète, dizète, dète.«

1) Ueber einzelne Ausnahmen von dieser Regel vgl. oben S. 36. 2) Ueber den Uebergang des ursprünglich geschlossenen o in Wörtern wie homme, personne, comme, couronne zu offenem o haben gehandelt E. Böhmer in Roman. Studien III, 598 ff., sowie G. Paris in Romania X, 53/54.

3) vgl. auch Thurot, 1. c. p. 4.

4) siehe Cornu in Romania VII, 367.

deuten kann 1) (G. Gröber 2) giebt dem geminierten r hier geradezu die Bedeutung eines Dehnungszeichens); demnach muss auch e in terre u. a. vor ursprünglichem rr bereits lang gewesen sein. Ferner finden sich bei anglonormannischen Dichtern seit dem Ende des 12. Jahrhunderts Reime wie terre faire (= tère : fère) 3).

Die von Ten Brink (1. c. p. 46) aufgeführten Reime plaist: prest; plaist: est; repaist: plaist : prest; repaist : arrest u. a. bilden eine Gruppe für sich.

b) Tonvokale vor lautbarer mehrfacher Konsonanz. Hohes a kurz in den Endungen -arbe, -arche, arc, -arde, -arge, -argue, -arle, -arme, -arne, -arpe, -arque, -arte, -artre, z. B. arbre, arc, arche, ardre, arme, barbe, bátarde, blafarde, bombarde, cocarde, lézarde, mignarde, moutarde, renarde, charme, charte, chartre, écharse, farce, larme, marbre, marche, marge, targe, tardre u. a., ferner in chaste, sowie in den nur Lehnwörtern zukommenden Endungen -acte, -agme, algue, -alme, -alpe, alque, -alte, -alve, -apte, -asme, -aspe, -asque, -aste, -astre, -axe;

halblang nach Sachs in large und den Lehnwörtern laps, vaste, relaps, apte, patriarche, hérésiarque, enthousiasme, miasmes, eeclésiaste, enthousiaste, scoliaste, axe, taxe.

Halboffenes e: nur in Lehnwörtern, und zwar kurz in den Endungen -ecte, -elfe, -elme, -elque, -elte, -epte, -esque, -est, -este, -exe, -exte, -extre; z. B. dextre, geste, leste, modeste, ouest, précepte, reste, secte, sexe, sexte, veste, ferner in terrestre, sceptre (so nur im style soutenu, sonst mit halblangem halboffenen e), sowie in presque und quelque;

halblang in den gelehrten Wörtern auf -estre (ausser terrestre), wie équestre, semestre, sénestre u. a., sowie in spectre.

Offenes e: kurz in den Endungen -erbe, -erce, -erse, -erche, -ercle, -erdre, -erde, -erge, -ergue, -erme, -erne, -erpe, -erte, -erve; z. B. alerte, asperge, auberge, averse, cherche, cercle, certes, cierge, couvercle, déserte, déverse, ferme, herbe, offerte, perche, perdre, réserve, serge, serpe, terme, terne, verge, verte u. a., ferner in Auvergne, Montmerle, sowie in cerf, nerf, serf, sobald diese Wörter mit lautbarem f gesprochen werden (doch hat der Plural nerfs in der Bindung bei lautbarem s langes offenes e);

halblang nach Sachs in merle, perle, verle, à verse, vierge, tertre. I: kurz in den gelehrten Wörtern auf -icte, -igme, -ilde, -ipse, -ypte, -yrte, sowie in den gelehrten strict, filtre, hymne, infirme, Smyrne,

1) Ende des 17. Jahrhunderts muss jedoch e in pere (wie auch in caractère, adversaire) kurz gewesen sein (Thurot, 1. c. p. 64).

2) Zeitschr. f. rom. Philol. III, 147.

5) vgl. H. Suchier in Zeitschr. f. rom. Phil. III, 140.

cirque, thyrse, fisc, prisme, schisme, risque, Christ, schiste, logarithme, rhythme, Calixte, Sixte;

halblang in triste und den gelehrten Picte, paradigme, paralipse, sowie, mit Ausnahme der oben angeführten, in allen Lehnwörtern auf -isme, -isque, -iste, -istre, -ix, -ixe, in algorithme und mixte.

I im Diphthong ui: halblang in puisque und cuistre. Geschlossenes o: lang in dem gelehrten balauste; halblang in dem gleichfalls gelehrten holocauste.

Offenes o kurz in den Endungen -orce, -orse, -orche, -orde, -orge, orgne, -orgue, -orme, -orne, -orque, -orte, z. B. borde, borgne, corne, force, forge, forme, forte, gorge, morne, morte, orge, orme, orne, porche, porte; ferner in mordre, retordre, tordre, ordre (so nur im style soutenu), morve, quatorze, lorsque, porc (sobald das c vernehmbar wird), sowie in den nur Lehnwörtern zukommenden Endungen -olfe, -olte, -oste, -ox, -oxe und den gelehrten Wörtern révolte, volte, dogme, solde, euphorbe;

halblang in démordre, désordre, détordre, distordre, ordre (in gewöhnlicher Rede), remordre, bigorne, viorne und in den Lehnwörtern docte, orbe, théorbe, kiosque, périoste.

Offenes eu: kurz in heurte und meurtre;

halblang in dem Flussnamen Meurthe (Murta);

lang in dem Plural mœurs mit lautbarem s (so von Sachs nach Malvin-Cazal und Lesaint angegeben; letzterer lässt poetisch auch die Aussprache mit stummem s und langem offenen eu zu, Littré hält nur diese letztere Aussprache für gut).

Ou: kurz in den Endungen -ourbe, -ource, -ourse, -ourche, -ourde, -ourge, -ourne, -ourte; z. B. bourbe, bourde, bourse, courbe, course, courte, fourche, lourde, ourse, rebourse, source, tourbe, tourne u. a., ferner in dem veralteten coulpe, in ourle, gourme, pourpre und sourdre (die beiden letzteren auch im style soutenu);

halblang in poulpe, sourde, tourde und den Lehnwörtern chiourme und langouste.

U kurz in jusque, den gelehrten Wörtern auf -ulte, -urne, -usc, -usque, ferner in purge und den Lehnwörtern bulbe, sépulcre, turbe, turc, absurde, muscle, luxe, pulpe;

halblang in juste, injuste, rustre, den gelehrten Wörtern auf -uste und -ustre, wie arbuste, buste, robuste, balustre, illustre, lustre, sowie in dem gelehrten diurne.

Nach Lesaint (p. 414–442) sind die Tonvokale in allen diesen Fällen kurz.

Die Zusammenstellung der Beispiele aus Sachs zeigt, dass die Tonvokale vor lautbarer mehrfacher Konsonanz, welche in volkstümlichen Wörtern nur aus Konsonant, in einigen auch aus s+ Konsonant, bestehen kann, kurz oder halblang sind. Die letztere Be

zeichnung ist vorzugsweise den Vokalen vor s + Konsonant zugeteilt. - Eine Ausnahme bildet der Plural mœurs mit langem und offenem eu.

Auffallend ist, dass das gelehrte Wort balauste mit langem geschlossenen o erscheint.

II. Die Nasalvokale.

1. Im Wortinlaut.

a) Vor einfachem Konsonanten oder vor Muta cum Liquida mit stummem e:

Nasales a: lang in allen Beispielen; z. B. aimante, amande, ante, avenante, béante, contente, grande, lente, plante, quarante, sente, trente, vente; aisance, ambe, ange, blanche, branche, chance, créance, défense, flambe, étrange, genre, grange, lance, langue, planche, vendange; amble, ample, ancre, angle, antre, appendre, cendre, apprendre, attendre, centre, chambre, chantre, défendre, dépendre, descendre, encre, ensemble, entre, épandre, étendre, esclandre, exemple, gendre, gingembre, membre, pampre, prendre, rendre u. a.

Nasales offenes e: lang in sämmtlichen Wörtern; z. B. crainte, enceinte, étreinte, jointe, linge, lingue, plainte, pointe, prince, quinze, singe, teinte; astreindre, atteindre, aveindre, ceindre, complaindre, conjoindre, contraindre, craindre, déteindre, empreindre, enceindre, enfreindre, éteindre, feindre, geindre, joindre, moindre, oindre, peindre, peintre, plaindre, poindre, simple, teindre, timbre, vainore

u. a. m.

Nasales o lang in allen Wörtern; z. B. aronde, blonde, bonde, colombe, compte (p nur orthographisch), comte, conte, éponge, fonte, fronde, longue, longe, mensonge, monde, once, onde, onze, ponce, prompte, ronce, ronde, seconde, songe; comble, concombre, confondre, contre, encombre, fondre, montre, nomble, nombre, ombre, oncle, ongle, pondre, répondre, rompre, sombre, tondre u. a.

Nasales eu: lang in défunte, humble, umble (Aussprache nach S. Dupuis und Malvin-Cazal angegeben).

b) Vor einem lautbaren Konsonanten ohne stummes e. Hierfür hat Sachs folgende Beispiele:

Nasales a lang in sang (in der Bindung vor folgendem Vokal), sens (so nach Landais und Poitevin).

Französische Studien. IV. 2.

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