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tragsmächten an die Stelle des alten Abkommens von 1899. Für die Beziehungen zwischen den Mächten, die das alte, nicht aber das neue Abkommen angenommen haben, bleibt das alte in Kraft (Art. 25). Den Vertragsmächten steht frei, das Abkommen zu kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Einlangen der Erklärung bei der nieder. ländischen Regierung wirksam (Art. 27).

Jeder Kriegführende soll so bald als möglich | urkunde (Art. 24). Der Beitritt wird nach die bei den Gefallenen aufgefundenen mili- 60 Tagen wirksam (Art. 26). Das Abkommen tärischen Erkennungszeichen und Identitäts- tritt für die Beziehungen zwischen den Vernachweise, sowie ein Namensverzeichnis der von ihm aufgenommenen V. und K. deren Landesbehörden oder den Dienststellen ihrer Marine oder ihres Heeres übermitteln. Die Kriegführenden sollen einander über die Unterbringung von K. und V., die sich in ihrer Gewalt befinden, und den Wechsel in der Unterbringung sowie über ihre Aufnahme in die Lazarette und über die vorkommenden Sterbefälle auf dem Laufenden halten. Auch sollen sie alle zum persönlichen Gebrauch bestimmten Gegenstände, Wertsachen, Briefe usw., die auf den genommenen Schiffen gefunden oder von den in Lazaretten gestorbenen V. und K. hinterlassen werden, sammeln, um sie durch deren Landesbehörden den Berechtigten übermitteln zu lassen (Art. 17).

britannien, Italien, Persien, Montenegro, Griechenland, Serbien, Türkei, Argentinien, Chile, Columbien, Korea, Dom. Republik, Ecuador, Honduras, Paraguay, Peru, Uruguay, Venezuela. Nur dem Abk. von 1907 gehört an: Finnland (Stand Juni 1921). Auf der weißen Flagge führt statt des Genfer Kreuzes: die Türkei den roten Halbmond, Persien den Löwen mit der roten Sonne; neben dem Genfer Kreuz: Siam die rote Flamme.

Ratifikationen und Beitritte: Beide Abkommen sind angenommen von: Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Vereinigte Staaten von Amerika, Frankreich, Norwegen, Niederlande, Portugal, Rumänien, Rußland, Siam, Schweden, Japan, Schweiz, Mexiko, Luxemburg, China (bei Abk. 1907 Vorbehalt zu Art. 21), Bolivien, Brasilien, Cuba, Guatemala, Haiti, Nikaragua, 6. Die Bestimmungen des Abkommens Panama, Salvador. Nur das Abk. von 1899 gelten nur in Kriegen, an denen ausschließ- haben angenommen: Bulgarien, Großlich Vertragsmächte teilnehmen (Art. 18). Die Oberbefehlshaber der Flotten der Kriegführenden haben für die Einzelheiten der Ausführung der Bestimmungen zu sorgen und in nicht vorgesehenen Fällen gemäß den Weisungen ihrer Regierungen und im Sinne dieses Abkommens vorzugehen (Art. 19). Die Vertragsmächte sollen das Nötige vorkehren, um die Bestimmungen des Abkommens ihren Marinen und besonders dem geschützten Personal, wie der Bevölkerung überhaupt bekanntzumachen (Art. 20); ferner Maß- Materialien des Abk. 1899: Conf. Int. nahmen treffen, damit die Beraubung und de la Paix 1899, Nouv. Ed. 1907 (Niederl. Mißhandlung von K. und V. in Kriegszeiten, Graubuch; Bericht Renault S. 22ff.); des sowie der unbefugte Gebrauch der im Ab- Abk. 1907: Deuxième Conf. Int. de la Paix, kommen vorgesehenen Abzeichen bestraft Actes et Doc., 1907 (Niederl. Graubuch; werden (Art. 21). Finden Kriegsunter- Bericht Renault I. Bd. S. 70ff.). Abdrücke: nehmungen zwischen Land- und Seestreit- Martens, NRG. 2. ser. XXVI S. 979 und kräften statt, so gelten die Bestimmungen 3. ser. III S. 630; Strupp, Urk. zur Gesch. des Abkommens nur für die eingeschifften d. V. II S. 465 ff.; deutsches RGBI. 1910, Streitkräfte (Art. 22). (Die grundsätzliche Nr. 2; Österr. RGBI., Nr. 173 u. 186 von 1913. Frage, ob sich das Abkommen auch auf V., K. und Sanitätspersonen des Landheeres an Bord von Seeschiffen erstreckt, ist zu bejahen. Das Wort,,Seekrieg" in der Überschrift des Abkommens ist so wenig wörtlich zu nehmen, wie das gleiche Wort im Titel der Londoner Erklärung vom 26. II. 1909 [vgl. deren Art. 36]. Man darf sagen: die Genfer Konvention regelt das Sanitätswesen zu Lande, das Haager Abkommen das Sanitätswesen zur See).

Literatur:

Für die Genfer Konf. 1868: Lueder in Holtz.
Hdb. IV. S. 319ff. — Cauwès, L'extension
des principes de la Convention de Genève
- Für
aux guerres maritimes, Paris 1899.
das Abk. 1899: Meurer, Die Haager Frie
denskonferenz II, S. 341-438. Für das
Abk. 1907: Wehberg, Seekriegsrecht, 1915,
S. 376ff. mit vielen Literaturangaben.
Für beide Abk.: Fauchille et Politis, Manuel
de la Croix rouge, Paris 1908. Zorn,
Die beiden Haager Friedenskonf. 1915,
S. 14ff.
Hold-Ferneck.

7. Dem Abkommen können die Mächte beitreten, die es nicht unterzeichnet, aber die Genfer Konvention vom 6. VII. 1906 angenommen haben. Hierzu genügt eine schrift-League to enforce peace s. Weltorganisation. liche Anzeige an die niederländische Re-Lebensmittel als Konterbande s. Kontergierung unter Übersendung der Beitritts- banderecht.

Legaten s. Gesandten-u. Gesandtschaftsrecht. | sprechung unterlag. Es war daher ausschließ

Legitimitätsprinzip s. VRsgeschichte.

Lek s. Internat. Flüsse.

Lemirande-Fall s. Sureau-Fall.

Lena-Fall s. Askold-Fall.

Lenzbourg-Fall.

lich Frankreichs Sache zu entscheiden, ob eine französische Gesellschaft sequestriert werden sollte oder nicht, und ob eine verhängte Sequestration mit Annahme feind. lichen Charakters oder auf andere Weise zu begründen war, genau wie es ausschließlich eine das Völkerrecht nicht berührende Angelegenheit Frankreichs war, wenn es einen Die,,Société Anonyme Conserve Lenz- ehemaligen Deutschen, der in Frankreich bourg" war eine vor dem Ausbruch des naturalisiert war, während des Krieges Weltkrieges in Frankreich eingetragene und wiederum als Deutschen behandelte, ihm geleitete Aktiengesellschaft. In einem bürger- seine Bürgerrechte entzog, sein Vermögen lichen Rechtsstreit wurde die Gesellschaft beschlagnahmte und ihn selbst internierte; während des Krieges im Jahre 1915 von dem | völkerrechtlich steht es mangels besonderer französischen Kassationshof für ein feind- vertraglicher Verpflichtungen jedem Staat liches Unternehmen erklärt, das der Seque- | frei, mit seinen eigenen Untertanen nach Bestration unterliege. lieben zu verfahren.

Der Gerichtshof nahm als erwiesen an, Ausländische Rechte wurden durch eine daß nicht nur die Aktienmehrheit stets Sequestration der Lenzbourg Gesellschaft in deutschen Händen gewesen sei, sondern nur insofern betroffen, als durch eine solche daß auch bis zum Kriegsausbruch die Vor- Sequestration möglicherweise in ausländistandsmitglieder und ein erheblicher Teil schen Händen befindliche Aktien der Gedes Aufsichtsrats Deutsche waren. Der sellschaft entwertet wurden. Eine solche bei Kriegsausbruch erfolgte Rücktritt der mittelbare Entwertung ist aber keine völkerdeutschen Gesellschaftsorgane und ihre Er-rechtlich verbotene Verletzung ausländischen setzung durch Neutrale oder Franzosen sei Eigentums. daher lediglich als Manöver zu bezeichnen. Der Kassationshof hat das von ihm im Das Unternehmen werde also von Deutschen Lenzbourg-Falle niedergelegte Prinzip ungeleitet und gehöre insbesondere auch eingeschränkt ausgesprochen und nicht auf Deutschen, die Gesellschaft sei daher lediglich die Anwendung bei in Frankreich eingeeine zum Schein dazwischen geschobene tragenen und geleiteten Gesellschaften bePerson (,,personne interposée“), in Wahrheit schränkt. Es fragt sich aber, ob die Ansei sie nichts als ein Werkzeug, durch das wendung dieses Prinzips auf im neutralen ein deutsches Unternehmen in Frankreich Ausland eingetragene und geleitete AktienHandel treibe. gesellschaften, also auf wirklich völkerrechtlich und nicht nur landesrechtlich gelagerte Fälle, nicht starken völkerrechtlichen Bedenken unterliegen würde. Literatur:

Der Kassationshof entschied sich grundsätzlich für das Prinzip, bei Aktiengesellschaften für die Frage der Annahme feindlichen Charakters nicht allein Sitz und Ein

tragung entscheiden zu lassen, sondern die Clunet, Bd. 52, 1915, S. 1164ff.
tatsächliche Beschaffenheit und Zusammen-
setzung der Gesellschaft.

Bei Anwendung dieses Prinzips müsse die Société Anonyme Conserve Lenzbourg auf Grund der Tatfeststellungen für eine feindliche Gesellschaft erklärt werden.

Die Entscheidung im Lenzbourg-Falle,

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International Law and the World War, 1920, Bd. 1, S. 224. Oppenheim, International Law, 3. Ausg., 1921 (herausg. v. Roxburgh), 2. Bd., S. 124.

Feilchenfeld.

die in der Annahme feindlichen Charakters Leonhardt-Fall s. Nachtrag.
über die Entscheidungen englischer und
amerikanischer Gerichtshöfe in gleichartigen
Fällen hinausgeht, unterliegt unmittelbaren
völkerrechtlichen Bedenken aus folgenden
Gründen nicht:

Leonhardt Marie-Fall. Die,,Marie Leonhardt", ein deutscher, in Die Société Anonyme Lenzbourg Con- Hamburg beheimateter Handelsdampfer von serve war ein Rechtsgebilde, das unter 1468 Tonnen, lag bei Kriegsausbruch Im französischem Recht entstanden war und August 1914 im Hafen von London. Am in bezug auf Leitung, Statutenänderung, 4. VIII. 1914 erging eine englische VerordDirektorenernennung, Gewinnausschüttung, nung, daß in englischen Häfen liegende Auflösung und Enteignung lediglich fran- feindliche Handelsschiffe erst frei zu lassen zösischem Gesetz und französischer Recht- seien, falls Nachricht eingetroffen sei, daß

Leonhardt Marie-Fall

Art. 244 des Versailler Friedensvertrages die Behandlung englischer Schiffe in den Häfen des feindlichen Landes nicht weniger (Ablieferung deutscher Schiffe) und die auf günstig sei. Am 5. VIII. 1914 wurde die Grund von Art. 297 desselben Vertrages ,,Marie Leonhardt" von den englischen Be- (Liquidation deutschen Eigentums) ergangene hörden in einstweiligen Gewahrsam ge- englische Verordnung sähen eine andernommen, am 17. VIII. 1914 ein schriftlicher weitige Verwertung des Schiffes nicht vor. Antrag auf Verurteilung des Schiffes als Art. 1 des 6. Haager Abkommens erklärt Prise gestellt und im Oktober 1914 vom Ge- es für wünschenswert, daß bei Kriegsausricht entschieden, daß das Schiff bis zum bruch in feindlichen Häfen befindlichen Ergehen anderweitiger Anordnungen in be- Handelsschiffen eine Auslauffrist gewährt hördlicher Verwahrung zu bleiben habe; an- wird. Indes spricht Art. 1 nur einen Wunsch geblich war zufriedenstellende Nachricht aus, stellt aber keine Rechtsregel auf. Die über eine nicht weniger günstige Behandlung englische Verordnung vom 4. VIII. 1914 ist englischer Handelsschiffe in deutschen Häfen also auf keinen Fall völkerrechtswidrig, nicht eingetroffen. Nach Ratifikation des gleichviel ob sie mit dem in Art. 1 der Friedensschlusses stellte die Krone einen 6. Haager Konvention ausgesprochenen erneuten Antrag auf Verurteilung des Schiffes Wunsch in Einklang stand oder nicht. als Prise. Die Admiralty Division des High Court entschied im Jahre 1921 nach dem Antrage der Krone.

Artikel 1 und 2 des von Deutschland und Großbritannien mitunterzeichneten 6. Haager Abkommens vom Jahre 1907 lauten:

Art. 1. ,,Befindet sich ein Kauffahrtei

schiff einer der kriegführenden Mächte beim Ausbruch der Feindseligkeiten in einem feindlichen Hafen, so ist es erwünscht, daß ihm gestattet wird, . . . frei auszulaufen . . .“

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Art. 2. Ein Kauffahrteischiff, ... dem das Auslaufen nicht gestattet worden ist, darf nicht eingezogen werden . . .'

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In der Verhandlung erklärte der Anwalt der deutschen Eigentümer, daß er sich zur Begründung seines die Ablehnung des Kronantrags fordernden Antrags nicht auf Art. 2 der,,lediglich deklaratorischen" 6. Konvention stützen wolle, sondern auf ein nach seiner Behauptung bestehendes neueres Gewohnheitsrecht gleichen Inhalts.

Dagegen war die Verurteilung vom Jahre 1921 eine Verletzung des Völkerrechts, falls Art. 2 des 6. Haager Abkommens während des Weltkrieges für Großbritannien bindend war. Inzwischen hat im Jahre 1922 der Privy Council im Blonde-Fall entschieden,

daß Großbritannien die bindende Kraft dieser Bestimmung während des Krieges anerkannt habe und daher nachträglich nicht mehr von seinem Standpunkt abgehen könne, gleichviel ob es während des Krieges berechtigt gewesen wäre, die Befolgung des 6. Haager Abkommens aus verschiedenen Gründen zu verweigern. Nach den in der Entscheidung des Blonde-Falles festgelegten Rechtsgrundsätzen hätte also der Gerichtshof im Marie Leonhardt-Falle nicht zu einer Verurteilung kommen dürfen, wenn er die Anwendung von Art. 2 des 6. Haager Abkommens überhaupt in Erwägung gezogen hätte. Es fragt sich, ob der völkerrechtliche Anspruch Deutschlands Jauf Beachtung des Art. 2 bereits dadurch für den vorliegenden Fall ausgeschaltet wurde, daß der Anwalt der betroffenen deutschen Partei erklärte, sich nicht auf Art. 2 in seiner rechtlichen BeBezüglich gründung stützen zu wollen. der Frage eines mit Art. 2 des 6. Haager Abkommens inhaltlich übereinstimmenden Gewohnheitsneueren völkerrechtlichen Nach den Ausführungen der Urteilsbegrün- rechts nimmt die herrschende Meinung an, dung ist die Meinung der Gelehrten in dieser daß sich für die Befolgung der Regel des Frage geteilt und soweit bejahend nicht einmal einheitlich über den Inhalt des angeblichen Gewohnheitsrechts. In den Fällen, in denen bei Ausbruch der Feindseligkeiten feindlichen Kauffahrteischiffen das laufen aus den Häfen gestattet worden sei Deutsch-Französischer (Krimkrieg 1854, Krieg 1870, Spanisch-Amerikanischer Krieg 1898, Russisch-Japanischer Krieg 1904), habe es sich lediglich um Gnadenakte, aber nicht um Erfüllung einer völkerrechtlichen Rechtspflicht gehandelt.

Das Gericht lehnte es darauf ab, sich mit der Frage der Anwendbarkeit des Art. 2 des 6. Haager Abkommens überhaupt auslediglich einanderzusetzen und entschied die von dem Eigentümer der deutschen Partei aufgeworfene Frage des Gewohnheitsrechts und zwar in verneinendem Sinne.

Aus

Art. 2 bisher zwar ein fester Brauch, aber
noch kein völkerrechtliches Gewohnheits-
recht gebildet hat. Die Entscheidung des
Urteils im Marie Leonhardt-Falle ist also
in diesem Punkte zumindest im Ergebnis in
der herrschenden
Übereinstimmung mit
Meinung.

Literatur:

Law Reports, Probate Division, London 1921, S. 1ff. Oppenheim, International Law, 3. Ausg., 1921 (herausg. v. Rox

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burgh), Bd. 2, S. 164.

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Law Reports, Führung von Gütern feindlichen Ursprung
Appeal Cases, London 1922, S. 313ff. oder feindlicher Bestimmung ausgesproche
(Blonde-Fall).

Feilchenfeld.

Leonora-Fall.

---

werden würde und die erwähnte Vermutung
nicht Platz greife, endlich, daß Güter, vo: i
denen sich bei der Untersuchung eines Schiff
feindlicher Ursprung oder feindliche Be
stimmung herausstelle, der Kondemnation.
Am 16. VIII. 1917 wurde der holländische unterworfen seien. Die Anwendbarkeit diese: ·
Dampfer Leonora auf der Fahrt von Rotter- Bestimmungen war im vorliegenden Fal
dam nach Stockholm außerhalb der terri- wegen seiner tatsächlichen Gestaltung nich
torialen Gewässer, kurz nachdem er Ymuiden zweifelsfrei. Die kondemnierte Ladung
passiert hatte, von einem englischen Torpedo- bestand aus belgischen Kohlen, stammte als
boot angehalten und nach Harwich gebracht. aus einem zwar vom Feind besetzten, aber
Seine einer schwedischen Gesellschaft ge- nicht feindlichen Gebiet. Im Gerasimo-Fall
hörende Ladung bestand in belgischen Kohlen, (1857, 11. Moo. P. C. 88; 2 E. P. C. 577) war
die die Eigentümerin von der Kohlenzentrale festgestellt worden, daß die bloße Besetzung
in Brüssel, einer Reichsbehörde zur Kontrolle eines Gebiets durch den Feind seine Kauf-
des gesamten belgischen Kohlenwesens, am leute nicht zu Feinden, ihre Güter nicht zu
4. IV. 1917 gekauft und an die Stockholmer Feindeseigentum mache. Auch hatten die
Städtischen Gas- und Elektrizitätswerke früheren Orders in Council und die Trading
weiterverkauft hatte. Die Leonora hatte with the Enemy Proclamations vom 9. IX.
nicht beabsichtigt, in einem englischen oder 1914 und 16. II. 1915 zwischen,, Gebieten“
einem sonstigen alliierten Hafen anzulegen, und,,vom Feind besetzten Gebieten“ unter-
auch keinen Versuch gemacht, daß ihr zwecks schieden. Demgegenüber betonten die Urteile,
Prüfung ihrer Ladung ein englischer Hafen daß der Ausdruck,,of enemy origin“ nicht als
bestimmt würde. Wegen Verstoßes gegen geographische Bezeichnung, und nicht als
die Order in Council vom 16. II. 1917 wurde Charakterisierung der Nationalität der ur
Schiff und Ladung am 15. IV. 1918 durch sprünglichen Kohleneigentümer aufzufassen
das Prize Court unter dem Vorsitz des Sir sei; es käme vielmehr darauf an, daß diese
Samuel Evans kondemniert. Das Judicial Kohlen gewonnen, gekauft und verladen
Committee of the Privy Council bestätigte wurden als Bestandteil eines deutschen
unter dem Vorsitz des Lord Sumner am Regierungshandels, der bei Fortsetzung des
31. VII. 1919 die Kondemnation. Die Krieges zum Nutzen des Feindes betrieben
angeführte Order in Council, die sich als
Ergänzung zu den auf Einschränkung des
feindlichen Handels gerichteten Orders in Die Leonora hatte allerdings in keinem
Council vom 11. III. 1915 und 10. I. 1917 englischen oder alliierten Hafen zwecks
bezeichnete, war als Retaliationsmaßregel Prüfung ihrer Ladung angelegt. Die englische
gedacht gegen die Denkschrift der Reichs- Regierung hatte aber auch keinen Hafen für
regierung vom 1. II. 1917, wonach von diesem diesen Zweck bestimmt. Für die Kon-
Tage ab jedem Seeverkehr in den englischen fiskation der Güter spielte dies freilich
und alliierten Gewässern ohne weiteres mit keine Rolle, die, wenn feindlichen Ursprungs,
allen Waffen entgegengetreten werden sollte, ohne weiteres kondemniert werden konnten.
so daß neutrale Schiffe die Sperrgebiete auf Zweifelhaft machte das Fehlen der Bestim-
eigene Gefahr zu befahren hatten. Sie be- mung des Anlegehafens indes die Kondem-
stimmte im wesentlichen, daß von einem nation des Schiffes. Die Urteile führen zur
auf der Fahrt nach oder von einem neutralen Widerlegung dieses Zweifels aus, daß die
Hafen, der Zutritt zum Feindesgebiet ge- Order in Council nach ihrem Wortlaut die
währe, auf See angetroffenen Schiff, das Bestimmung eines Anlege hafens nicht zur
nicht in einem englischen oder alliierten Voraussetzung der Kondemnation mache,
Hafen anlege, bis zum Beweis des Gegenteils
vermutet werde, daß es Güter mit feindlicher
Bestimmung oder feindlichem Ursprung (of
enemy origin) führe; daß ein Güter mit feind-
licher Bestimmung oder feindlichem Ursprung
führendes Schiff der Kaperung und Kondem-
nation wegen Führung solcher Güter unter-
worfen sein solle, daß indes, wenn das Schiff
zwecks Prüfung seiner Ladung an einem an-
gewiesenen englischen oder alliierten Hafen
anlege, kein Kondemnationsurteil nur wegen

wurde; solchen Kohlen die Eigenschaft,,of
enemy origin" abzustreiten, wäre pedantisch.

-

daß die Prüfung der Ladung auf Wunsch
der Leonora in jedem beliebigen englischen
oder alliierten Hafen vorgenommen worden
wäre, daß aber die Schiffs- und Ladungs-
interessenten sich solcher Prüfung zu unter-
ziehen gar nicht beabsichtigt hätten.
Namentlich waren aber völkerrechtliche Be-
denken gegen die Wirksamkeit der Order in
Council vom 16. II. 1917 zu erheben. Sie
beschwerte die neutralen Kaufleute aufs
höchste, indem sie sie zum Anlegen eines

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Leonora-Fall

glischen oder alliierten Hafens zwang, und ar unter dem Risiko beim Passieren des errgebiets Opfer eines deutschen Angriffs werden, und drohte ihnen, insbesondere arch Kondemnation von Schiff und Ladung, ihren völkerrechtlich auch während eines rieges zugelassenen Handel über das zusige hinausgehende Einmischungen, Unquemlichkeiten und Verluste (excessive erference, inconvenience and loss). EntIt die Kundgebung der Reichsregierung he Widerrechtlichkeit, so befugte dies doch zu Vergeltungsmaßregeln gegenüber utschland, nicht aber zu Eingriffen in den tralen Handel. Daß eine Order in Council

Lettland

right of retaliation is one to be sparingly
exercised and to be strictly reviewed).
Literatur:

Garner, International law and the world-war, London 1920, Bd. 2, S. 322, § 512. Oppenheim, International law (3), London 1920f., Bd. 1, S. 27, § 21 a; Bd. 2, S. 426f., § 319. Die Urteile in Lloyd's Reports of Prize Cases... during the European war, London 1921, Bd. 7, S. 262-366, des Prize Court auch in (1918) P. 182; 87 LIP. 186; 118 LT. 362; 62 SI. 504; 14 Asp. MG. 209; 34 TLR. 366; 3 Brit. and Col. Prize Cases, 181, das Privy Council auch in (1919) AG. 974; 88 LIP. 180; 121 LT. 527; 63 SI. 800; 35 TLR. 719; 3 Brit. Opet. and Col. Prize Cases, 385.

Lettland.

völkerrechtswidrigen Maßnahmen annete, nötigte die englische Rechtsprechung ht zu ihrer Anerkennung. Denn nach der lischen Rechtsauffassung sind die Regeln internationalen Prisenrechts, denen Vorriften, wie die Order in Council vom 16. II. 7 sie enthielt, bisher unbekannt waren, die englischen Prisengerichte bindend, ern sie nicht mit einem Parlamentsakt in Regierung Ende 1905 seinen ersten politischen Nach der russischen Märzrevoderspruch stehen: die Order in Council Ausdruck.

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Das um die Mitte des 19. Jahrh. erwachte Russische lettische Volksbewußtsein fand in einem vergeblichen Aufstand gegen die

r aber kein solcher. Das Urteil des Prize lution forderte ein lettischer Kongreß in irt suchte die Geltung dieser Order in Wolmar am 26. III. 1917 die Vereinigung Incil freilich durch die allgemeine Er- aller von Letten bewohnten Gebiete zu einer zung zu stützen, daß das Kriegsziel der einheitlichen russischen Provinz,,Latwija“ störung des feindlichen Handels unaus- (Lettland) mit weitgehender SelbstverwalDoch erst nach der russischen Noin den neutralen tung. blich Einmischung Für ihn trat ein im ndel mit sich bringe, und daß das Völker-vemberrevolution siegte der reine Unabit, das jenes Kriegsziel als berechtigt hängigkeitsgedanke. rkenne, sich den jeweiligen Zeitverhält- November 1917 in Südlivland gewählter and,,Nationalrat" ein, dessen Mitglieder nach en anzupassen habe (The object is to der Besetzung dieses Gebietes durch die legitimate object of a belligerent roy or cripple the enemys' commerce. deutschen Truppen im Februar 1918 zunächst in Petersburg und Moskau, später in der result and the inevitable result neutrals, is interference with their trade. Schweiz ihre Werbetätigkeit fortsetzten, wo he application of the principle, the boun- sie in der Berner Denkschrift vom 23. X. 1918 y of the law of nations has been extended ihre Wünsche der Entente unterbreiteten. n time to time to adapt itself to new Von England bereits am 11. XI. 1918 de This law facto anerkannt, rief nach dem deutschen ever-changing conditions. st from its nature have room for expansion. Zusammenbruch der durch Vertreter der as the essence and qualities of a living politischen Parteien verstärkte Nationalrat vinism like the common law of this realm). am 18. XI. 1918 das gesamte von Letten d Sumner im Privy Council suchte die bewohnte Gebiet als unabhängige, demodehnung der Retaliationsmaßnahmen mit kratische Republik ,,Latwija“ aus und Am Schwere der deutschen Rechtswidrigkeit bildete eine vorläufige Regierung als Trägerin rechtfertigen: diese hätten Neutrale und der obersten Gewalt unter Ulmanis. egsparteien in gleicher Weise bedroht 25. XI. erkannte Winnig, seit dem 14. XI. Averletzt und den Neutralen nur die Wahl,, Generalbevollmächtigter des Reichs für die ssen, entweder der Gefahr durch An- Baltischen Lande" den Nationalrat,,als dung ungewöhnlicher Mittel zu entgehen selbständige Macht ausübende Versammlung" der Versklavung ihres Handels zuzu- und die vorläufige Regierung,,als deren Sein Wunsch, daß eine Order von Vollzugsausschuß" temporär an und übergab er Strenge nie wieder nötig sein möchte, ihr durch Abkommen vom 3. XII. die Vergt wohl ebenfalls zum Ausdruck, daß er waltung am 15. XII. 1918. selbst nicht jeder Zweifel über ihre 3. I. bis 22. V. 1919 eine lettische Räterepublik einbarkeit mit den Grenzen des Reta- in Riga und vom 16. IV. bis 3. VII. 1919 eine onsrechts entschlagen konnte (for the baltenfreundliche Nebenregierung Needra in

men.

Während vom

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