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her war schon eine afghanische Sondergesandtschaft nach Europa und Amerika aufgebrochen, um zum ersten Male in seiner Geschichte allgemeine Beziehungen zu den Mächten aufzunehmen, um die Thronbesteigung des Emir Amanullah Khan und die erzielte vollkommene Unabhängigkeit Afghanistans von der Kontrolle fremder Mächte, die zu Zeiten von einem Protektorate sich nicht unterschied, zu verkünden. Diese Mission hat zunächst mit Moskau einen Handelsvertrag abgeschlossen und sich dann im Jahre 1921 nach Westeuropa begeben. Im Januar 1921 geht die englische Mission nach Kabul, mit dem offen erklärten Zweck, einen definitiven Vertrag abzuschließen; sie

hat das nicht erreicht, weilt heute noch unverrichteter Sache dort, und die englische Regierung versucht heute, durch direkte Verhandlungen mit Rußland die afghanische

41 Years in India, passim, insbes. p. 341 bis 495. Abdur Rahman, The life of A. R. ed. by Sultan Mahomed Khan, 2 vol. 1900. Neuere Zeit: Rouire, Rivalité anglo-russe en Asie, 1908, p. 85-140. Hamilton, Problems of the Middle East, 1909, p. 203-215, 229-272. Fraser, India under Curzon and after, 1912, p. 63-77. Holdich, Political Frontiers and Boundary Making, 1916, p. 76–87, 141-145, 190-195 etc. Enzyklopaedie des Islam, S. V. ,,Afghanistan,,,Abd Al-Rahman Khan", ,Afridi" etc., daselbst auch vollständige Bibliographien. Indian Yervabook, 1921.

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M. H. Schmitt.

Afrika, Aufteilung von s. Verteilung von

Afrika.

Agrikultur-Institut.

Ägypten.

Agadirfall s. Pantherfall. Politik ihres Rückhaltes zu berauben (Russian Agrikultur-Institut, internat. s. Internat. Agrément s. diplomat. Fachausdrücke. Trade Agreement vom 17. III. 1921 und Brief des Sir Robert Horne an den Volkskommissar Krassin, in dem auf die Unvereinbarkeit der russischen Intrigen in Afghanistan mit dem Abkommen hingewiesen wird: The Times 17. III. 1921). In der Zwischenzeit Ägypten umfaßt das Tal des unteren Nils; hat am 25. I. 1921 der panislamische Kongreß es zerfällt in Oberägypten (vom 22. Grad unter Teilnahme Afghanistans stattgefunden; nördlicher Breite bis zur Deltabildung) und im April 1921 hat Afghanistan mit der Türkei, Unterägypten (das Nildelta). Die Grenzen in Verbindung mit dem Vertrage mit Moskau, Ägyptens sind heute folgende: Im Norden in Angora einen Vertrag abgeschlossen, der das Mittelmeer. Im Osten gehört die Sinaiim Mai d. J. ratifiziert worden ist und die Halbinsel zu Ägypten; die Grenze verläuft Aufnahme konsularischer und diplomatischer etwa auf der Linie el-Arisch (b. Gaza) Beziehungen, ferner ein Defensivbündnis und el-Akaba (vgl. Arrangement concernant la die Ausbildung der afghanischen Armee durch délimitation administrative entre les Vilajets türkische Instruktoren vorsieht (vgl. The des Hedjas et de Jérusalem et la Péninsule de Times 16. IV. 1921, 17. V. 1921). Am Sinaï, 1. X. 1906 [Martens, N. R. G. 3e série, 16. V. d. J. erklärt Lord Chelmsford im T. V, p. 882ff.] Art. 1). Von dort an bilden Oberhaus, daß immer noch Hoffnung be- die Grenze der Golf von Akaba und das steht, daß die Mission in Kabul ihr Ziel er- Rote Meer bis zum 22. Breitengrad, der das reicht und daß die schlimmste Gefahr von Land im Süden vom englisch-ägyptischen seiten der Bolschewisten überstanden ist Sudan trennt (vgl. Sudanabkommen vom (The Times 17. V. 1921; The Pioneer (Simla) 19. I. 1899 [Martens, N. R. G. 3e série, 24. V.; The Times 30. V. 1921). Mit Be- T. IV, p. 791 ff.] Art. 1). Im Westen grenzt endigung des europäischen Krieges hat zu- Ägypten an die Libysche Wüste, in der eine dem die indische Regierung die Verwaltung genaue Grenzziehung gegen Französischder,,Unabhängigen Grenzprovinz" (Wazi- Westafrika und die italienische Kolonie Libia ristan usw.) selbst übernommen und damit noch nicht besteht. Westlich der Oase Siwa den afghanischen Intrigen in diesem Gebiete, verläuft dann die Grenze nach Norden längs die stets Anlaß zu gespannten Beziehungen des 24. Grades östlicher Länge und vom mit Afghanistan gewesen, einen Riegel vor- 30. Breitengrad ab in nordöstlicher Richtung geschoben. Es ist anzunehmen, daß die zum Westrande des Golfs von Solum. englische Mission in Kabul sich zu einer dauernden Gesandtschaft entwickelt. (Abgeschlossen 1. VIII. 1921.)

Literatur:

Um 3300 v. Chr. werden Ober- und Unterägypten unter Menes zum ersten Male zu einem Reich vereinigt. Nach den Hauptstädten, in denen die Pharaonen regierten,

Für die ältere Zeit: Rawlinson, England and teilt man die Zeit bis zur römischen ErRussia in the East. Sykes, History oberung gewöhnlich in drei Perioden: Die of Persia, Vol. II, 2nd ed. 1921. memphitische (ca. 3300-2150 v. Chr.), die Zweiter afghanischer Krieg: Roberts, thebaïsche (ca. 2150-1100 v. Chr.) und die

saitische (von 1100 v. Chr. bis zur römischen mani mit der Witwe des letzten Eijubiden Eroberung). Um das Jahr 1700 v. Chr. 1254 zur Herrschaft gelangten. eroberten die sog. Hyksos das Land und be- Die nun folgende Zeit der Mameluckenhaupteten sich dort über ein Jahrhundert herrschaft ist gekennzeichnet durch die fortlang. Nach ihrer Vertreibung blieb Ägypten währenden Kämpfe der Emire untereinander. einige Jahrhunderte hindurch von fremden Wohl der bedeutendste der MameluckenEinfällen verschont, bis es um 1100 unter die sultane war Kala’ún (1279—90), der HandelsHerrschaft libyscher Söldner geriet. Nach verträge mit Genua, Sizilien und Kastilien den Libyern waren es die Äthiopier und die abschloß. Assyrer, die das Land zeitweise beherrschten. Im Jahre 1517 besiegte der Türkensultan Erst im Jahre 663 v. Chr. gelang es Psam- Selim I. die Mamelucken und machte Ägypten metich I., die Fremdherrschaft abzuschütteln; zu einer türkischen Provinz. Die Verwaltung doch bereits 525 unterwarf Kambyses nach des Landes wurde von Selims Nachfolger der siegreichen Schlacht bei Pelusium Ägypten Suleiman I. durch ein Gesetz, das Kanuder persischen Oberhoheit. Die Perser name-i-misr, geregelt. (Übersetzung in: blieben Herren des Landes bis 332 v. Chr., v. Hammer, Des osmanischen Reiches wo Alexander der Große nach der Schlacht Staatsverfassung und Staatsverwaltung (Wien von Issus Ägypten kampflos unterwarf. Als 1815), Bd. I, S. 101 ff.) Hiernach residierte nach Alexanders Tode sein Reich von den als Statthalter des Sultans ein Pascha in Diadochen aufgeteilt wurde, kam Ägypten Kairo, dem ein Diwan (Staatsrat) von an Ptolemaios, den Begründer der Ptolemäer- mameluckischen Emiren und eingeborenen dynastie, die bis zur römischen Eroberung Scheichs zur Seite gestellt wurde; an der regierte. Schon im zweiten vorchristlichen Spitze der einzelnen Verwaltungsbezirke Jahrhundert gewannen die Römer in Ägypten standen Mameluckenbeys. Das KanunameEinfluß, der mit der Zeit immerstärker wurde. i-misr blieb im wesentlichen bis 1840 in Nachdem das Land bereits im Jahre 55 v. Chr. von römischen Truppen besetzt worden war, wurde es 30 v. Chr. nach der Schlacht bei Actium und dem Tode der letzten Königin Cleopatra römische Provinz.

Kraft. Die Stellung des Paschas war aber sehr schwach, da das Heerwesen in den Händen der Mamelucken lag, die infolgedessen die wahren Herren des Landes blieben. Ein Aufstand der Mamelucken im Jahre 1786 wurde infolge der Uneinigkeit ihrer Führer von der Pforte niedergeworfen.

Als solche nahm es staatsrechtlich eine besondere Stellung ein: Es war,,kaiserliche Provinz“, d. h. seine Verwaltung blieb dem In seinem Kampf gegen England faßte Kaiser allein vorbehalten, der sie durch Napoleon Bonaparte 1798 den Plan, Ägypten einen Statthalter (agyos Alyiлτоv, praе- zu erobern, um den englischen Interessen im fectus Aegypti) ausübte. Bei der Teilung des römischen Reiches (395 n. Chr.) kam Ägypten an Ostrom. Es blieb unter byzantinischer Herrschaft bis zum Jahre 641, wo es als eines der ersten Länder von den Arabern erobert und dem Islam gewonnen wurde.

Orient einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Er landete am 2. VII. 1798 in Alexandria und besiegte am 21. VII. das mameluckische Heer in der Schlacht bei den Pyramiden; doch bald gestaltete sich die Lage des französischen Expeditionskorps ungünstig, hauptsächlich wegen der Vernichtung von Bonapartes Flotte durch die Engländer bei Aboukir (1. VIII. 1798). In Ausführung des am 9. X. 1801 zwischen Frankreich und der Pforte zu Paris geschlossenen Präliminarfriedens (Martens, R. 2e édition, T. VII, p. 391 f.) zogen die Franzosen ihre Truppen aus Ägypten zurück.

Ägypten wurde nun Provinz des Kalifats der Ommajjaden und später der Abbassiden. Infolge des Verfalls des Abbassidenreichs herrschte in Ägypten am Ende des 9. und in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts vollkommene Anarchie. Der Scheinherrschaft der Abbassiden bereitete im Jahre 968 die Eroberung des Landes durch die Kalifen von Westafrika (die Fatimiden) ein Ende. Ihre Herrschaft dauerte bis 1171, wo sie durch die Eijubiden verdrängt wurden, die zwar die Oberhoheit der Kalifen von Baghdad wieder anerkannten, in Wahrheit aber völlig unbeschränkt über Ägypten herrschten. Unter ihrer Regierung kamen als Söldner die Mamelucken, ursprünglich Sklaven türkischer Herkunft, nach Ägypten, deren Emire bald großen Einfluß erlangten und schließlich durch die Heirat des Emirs Eibek-il-Turk- anfänglichem Widerstreben erteilte der Sultan

Mit dem zur Bekämpfung Bonapartes entsandten englisch-türkischen Heere war als Führer des albanesischen Kontingents Mehemed-Ali, ein aus Kawala gebürtiger Kaufmann, nach Ägypten gekommen. In den nach dem Abzug der Franzosen ausbrechenden Kämpfen zwischen dem Pascha und den Mamelucken verhielt er sich neutral und verstand es, sich die Gunst des Volkes in so hohem Maße zu erwerben, daß er 1805 von den Ägyptern zum Statthalter proklamiert wurde.

Nach

der Wahl des Volkes die Sanktion durch den durch den Firman vom 13. II. 1841 MehemedInvestiturfirman vom 1. IV. 1806. Ali die erbliche Statthalterwürde von Ägypten Mehemed-Ali räumte zunächst mit der verlieh (Noradounghian T. II, p. 320 ff.). Mißwirtschaft der Mamelucken auf, indem Dieser Firman wurde dann durch einen er im Jahre 1811 kurzerhand 480 Mamelucken- anderen vom 23. V. 1841 ersetzt, der im beys bei einem Fest auf der Zitadelle von wesentlichen die gleichen Bestimmungen Kairo niedermetzeln ließ. Die folgenden enthielt (Noradounghian T. II, p. 335ff.). Jahre benutzte er zu Reformen in der Ver- Mit Ausnahme der Erblichkeit der Stattwaltung, zu einer gründlichen Reorganisation halterwürde sollte sich nach diesen Firmanen des Heerwesens und zur Eroberung des die Stellung Ägyptens in nichts von der nördlichen Sudans. Bei den Aufständen in der übrigen türkischen Provinzen unterGriechenland (1821-27) und auf Kreta (1830) scheiden: Die türkischen Gesetze und die leistete Mehemed-Ali der Pforte wirksame von der Hohen Pforte abgeschlossenen Vermilitärische Unterstützung. träge sollten für Ägypten Wirksamkeit

Ägypten muß also auch nach den Firmanen von 1841 als türkische Provinz angesehen werden, deren Statthalter allerdings das Privileg der Erblichkeit seiner Würde verliehen worden war.

Doch der Sultan sah mißtrauisch auf haben; die Steuern sollten im Namen des das Anwachsen der Macht Mehemed-Alis. Sultans erhoben, die Münzen in seinem Die Beziehungen zwischen Konstantinopel Namen geschlagen werden. Die Armee und Kairo wurden immer gespannter und sollte einen Bestandteil des türkischen Ende 1831 kam es zum offenen Kampf. Heeres bilden; ihre Stärke wurde auf 20 000 Die Türken wurden wiederholt geschlagen; Mann (18 000 in Ägypten und 2000 in Konnachdem die Großmächte eingegriffen hatten, stantinopel) festgesetzt. Die höheren Offikam es zum Frieden von Kutaya (6. V. 1833), ziere und Beamten ernannte der Sultan; die in dem Mehemed-Ali die Statthalterschaft Abzeichen und Fahnen der Truppen mußten von Syrien erhielt. Doch schon im Jahre die gleichen sein wie die des türkischen 1839 entbrannte der Kampf aufs neue; die Heeres. Panzerschiffe sollte der Statthalter Türken wurden bei Nisib (24. VI. 1839) ohne Genehmigung des Sultans nicht bauen wiederum vernichtend geschlagen. Da dürfen. Für die Thronfolge legte der griffen England, Preußen, Österreich und Firman vom 23. V. 1841 das SenioratsRußland zugunsten der Pforte ein. Durch prinzip fest. In einem weiteren Firman den Quadrupelvertrag (Quadruple Traité de vom 23. V. 1841 wurde die Höhe des von Londres; Martens, N. R. G., T. I, p. 156ff.), Mehemed-Ali an den Sultan zu entrichtenden der am 15. VII. 1840 zwischen den genannten Tributs festgesetzt. Großmächten und der Türkei abgeschlossen wurde, verpflichteten sich die ersteren, der Pforte zur Hilfe zu eilen, wenn Mehemed-Ali die in einem Acte séparé beigefügten Vorschläge nicht annehmen würde (Art. 1-3). Der Sultan verpflichtete sich seinerseits im Mehemed-Ali verfiel 1848 in geistige § des Acte séparé, Mehemed-Ali die erb- Umnachtung und wurde abgesetzt; er starb liche Statthalterschaft von Ägypten zu im Jahre 1849. Die Regierungszeit seiner übertragen. Falls Mehemed-Ali diesen Vor- Nachfolger Ibrahim (1848), Abbas I. (1888 schlag nicht binnen 20 Tagen annähme, bis 1854) und Mohammed-Saïd (1854-63) sollte der Sultan nicht mehr an dies Angebot brachte keine Änderung der Rechtslage gebunden sein (§ 7 des Acte séparé:,,Si, Ägyptens. Von größerer Bedeutung ist die à l'expiration du terme de vingt jours . Regierungszeit Ismaïls (1863-79). Der von Méhémed-Ali n'adhère point à l'arrange- ihm erwirkte Firman vom 27. V. 1866 ment proposé. . . le Sultan se considèrera (Noradounghian T. III, p. 254f.) ersetzte comme libre de retirer cette offre..."). Als das bisher für die Thronfolge angewandte Mehemed-Ali die vorgeschlagene Regelung Senioratsprinzip durch die Primogeniturnicht annahm, griffen die Großmächte ein. ordnung, und durch den Firman vom Da schloß Mehemed-Ali am 27. XI. 1840 8. VI. 1867 (Noradounghian T. III, p. 261f.) mit dem englischen Commodore Napier ein erhielt der Statthalter den Titel,,kediwiAbkommen, in dem er sich zur Räumung el-masr" (Khedive von Ägypten) und das Syriens verpflichtete gegen Zusicherung der Recht, Verwaltungsverordnungen erblichen Statthalterschaft über Ägypten lassen (,,. . . nous vous permettons . . . de (Martens, N. R. G., T. XV, p. 489f.). Dieses faire des règlements spéciaux ayant rapport Abkommen wurde zwar wegen des Protestes à cette administration inférieure seuleder Türkei nicht ratifiziert; doch übten die ment . . ."), sowie gewisse,,nicht politische" vier Großmächte durch ein am 30. I. 1841 Abkommen mit fremden Mächten abzugemeinsam überreichtes Memorandum einen schließen, die aber nichtig sein sollten, wenn Druck auf die Pforte aus, worauf der Sultan sie den Souveränitätsrechten der Pforte zu

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widerliefen (,,. . . vou sêtes autorisé à faire den Mächten wurde am 16. IX. 1875 vom des conventions pour les douanes, la police Khediven das,,Réglement d'organisation des sujets européens, le transit, la poste, judiciaire pour les procès mixtes en Égypte" à la condition que ces accords n'aient ni erlassen (Martens, N. R. G. 2e série, T. II, la forme ni le caractère de traités inter- p. 680 ff.), durch das für die meisten Streitignationaux (?!) ou politiques. Dans le cas keiten zwischen Eingeborenen und Fremden contraire, si ces accords ne sont pas conformes sowie zwischen Fremden verschiedener Naaux bases ci-dessus et à nos droits fon- tionalität,,gemischte Gerichtshöfe" eindamentaux de souveraineté, ils seront gesetzt wurden, die mit Eingeborenen und considérés comme nuls et non avenus."). Ausländern besetzt waren (vgl. StichSpäter gelang es der Staatskunst Ismails, wort: Gemischte Gerichtshöfe). Daraufhin vom Sultan den Firman vom 8. VI. 1873 schränkten die meisten Mächte ihre Konsular(Noradounghian T. III, p. 347ff.) zu er- gerichtsbarkeit zugunsten der ,,tribunaux langen, der an die Stelle aller anderen bis mixtes" ein (vgl. die Aufzählung bei Strupp, dahin erlassenen Firmane trat. Die wesent- Urkunden I, p. 384, n. 3.). lichsten Bestimmungen dieses Firmans sind Auf Grund der im Firman von 1873 erfolgende: teilten Ermächtigung hat Ägypten ferner Die bisherigen Vorschriften über die eine Reihe von Handelsverträgen mit ausErbfolge nach der Primogeniturordnung, den wärtigen Mächten abgeschlossen. Auch an Tribut, das Münzprägungsrecht, die Er- den großen Mehrparteienverträgen über die nennung der höheren Offiziere und Beamten Errichtung der internationalen Verwaltungssowie über den Bau von Panzerschiffen blieben unionen (Weltpostverein, Welttelegraphenbestehen. Die wesentlichste Neuerung des verein) hat Ägypten teilgenommen. Firmans bestand darin, daß dem Khediven Unter der Regierung Ismaïls wurde auch die Gesetzgebung und die Verwaltung von der Suezkanal vollendet, dessen Bau schon Ägypten, einschließlich der Finanzverwal- 1859 trotz des lebhaften Widerstandes der tung und des Rechts der selbständigen Auf- Englander in Angriff genommen worden war. nahme von ausländischen Anleihen zu eigenem Im Jahre 1875 sah sich der Khedive infolge Rechte übertragen wurde (,,L'administration der schlechten Finanzlage Ägyptens genötigt, civile et financière du pays. . . étant du seinen erheblichen Anteil am Aktienkapital ressort du Gouvernement Égyptien des Suezkanals an die englische Regierung le Khédive d'Égypte est autorisé à faire zu verkaufen (vgl. Convention concernant des lois et des règlements intérieurs, toutes l'achat par le Gouvernement Britannique les fois que la nécessité s'en fera sentir des actions du Khédive dans l'isthme de dans le pays . .“). Das Recht zum selb- Suez vom 25. XI. 1875 [Martens, N. R. G. ständigen Abschluß,,nicht politischer" Ab- 2e série T. III, p. 528f.]). Das Ende der kommen wurde dem Khediven in deutlicherer Regierungszeit Ismaïl-Paschas ist gekennForm erteilt als das im Firman von 1867 zeichnet durch den finanziellen Zusammengeschehen war, während die,,politischen" bruch Ägyptens, der das Land unter die Verträge der Pforte nach wie vor für Ägypten Vormundschaft der europäischen GläubigerGültigkeit haben sollten (,,. . . il est autorisé staaten brachte, welche schließlich zum fakà contracter et à renouveler sans porter tischen Protektorat Englands führte. Nachatteinte aux traités politiques de ma dem am 8. IV. 1876 die ägyptische Regierung Sublime Porte, des conventions avec les sich außerstande erklärt hatte, die fälligen agents des Puissances étrangères pour les Zahlungen zu leisten, wurde am 2. V. 1876 douanes et le commerce, et pour toutes les durch Dekret des Khediven die Caisse de transactions avec les étrangers, concernant la dette publique ins Leben gerufen, die mit les affaires intérieures et autres du pays..."). Vertretern der Gläubigerstaaten besetzt war, welchen neben der Verwaltung der Staatsschuld noch ein weitgehendes Kontrollrecht über die ägyptische Finanzgebarung eingeräumt wurde. Es folgte die Ernennung von zwei Generalkontrolleuren des ägyptischen Finanzwesens (ein Franzose, ein Engländer) und die Einsetzung einer Commission supérieure d'enquête, die den die den Khediven zwang, die Regierung zusammen mit einem unter englisch-französischem Einfluß stehenden Ministerium zu führen. Als Ismaïl sich nicht allen Wünschen Frankreichs und EngNach langwierigen Verhandlungen mit lands willfährig zeigte, erzwangen diese

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Ferner erhielt der Khedive unumschränkte Freiheit bei der Landesverteidigung, insbesondere das Recht, die Zahl der ägyptischen Truppen beliebig zu erhöhen oder herabzusetzen.

Durch die 1873 erfolgte Übertragung der Gesetzgebung und der Verwaltung an den Khediven zu eigenem Recht hörte Ägypten auf, türkische Provinz zu sein, und wurde zu einem nicht souveränen Staat unter der Suzeränität der Türkei.

Mächte schließlich vom Sultan am 25. VI. holung des Investiturfirmans für Tewfik1879 seine Absetzung.

Pascha; er enthielt also keine Änderung der bestehenden Rechtslage. Der junge Khedive versuchte zuerst, gegen die englische Vor

aber dem überlegenen Willen des englischen Generalkonsuls Lord Cromer (Sir Evelyn Baring) beugen (,,Zwischenfall von Wadi Halfa"; vgl. Frhr. v. Mayer, Die völkerrechtliche Stellung Ägyptens, S. 61).

Durch Firman vom 7. VIII. 1879 (Noradounghian T. IV, p. 226f.) wurde Ismaïls Nachfolger Tewfik-Pascha vom Sultan be- herrschaft anzukämpfen; er mußte sich stätigt. Der Firman enthielt folgende Beschränkungen der im Jahre 1873 gewährten Freiheiten: Der Khedive durfte Anleihen nur noch in beschränktem Maße selbständig aufnehmen (,,... il n'aura pas le droit de constracter des emprunts, sauf pour ce qui con- Der Sudan war in den Jahren 1882-85 cerne exclusivement le règlement de la situation durch den Mahdiaufstand für Ägypten verfinancière présente et en parfait accord avec loren gegangen. In den Jahren 1897 und ses présents créanciers...“). Die Friedens- 1898 vollzog sich unter der Leitung Lord stärke des Heeres wurde wieder auf 20000 Kitcheners, der damals sirdar (OberbefehlsMann festgesetzt; ferner mußten die vom haber) der ägyptischen Armee war, die Khediven abgeschlossenen Verträge vor ihrer Wiedereroberung dieses Gebiets durch ägypVeröffentlichung der Pforte vorgelegt werden tische und englische Truppen. Nach der (,,Ces conventions seront soumises à ma glücklichen Beendigung des Sudanfeldzuges Sublime Porte avant leur promulgation wurde am 19. I. 1899 zwischen Ägypten par le Khédive") (vgl. den diesbezüglichen und England das ,,Sudanabkommen" (MarNotenwechsel zwischen der Pforte und den tens, N. R. G. 3e série, T. IV, p. 791 ff.) abBotschaftern Frankreichs und Englands geschlossen, wonach der Sudan hinfort ein [Noradounghian T. IV, p. 227 ff.].) englisch-ägyptisches Kondominium bilden

Der immer mehr wachsende Einfluß der sollte. Diesem Abkommen kam rechtlich Europäer, besonders der Generalkontrolleure, keine Bedeutung zu, da es den ausdrückauf die ägyptische Regierung und Verwaltung lichen Vorschriften der Firmane zuwiderlief, erregte im Lande wachsende Unzufrieden- wonach der Khedive keine politischen Verheit. Im Jahre 1881 brachen unter Führung träge abschließen durfte und ihm jede auch des Obersten Arábi Unruhen aus, die sich nur teilweise Gebietsabtretung untersagt 1882 in schärferer Form wiederholten. Am war (vgl. Strupp, Urkunden II, p. 34, n. 11. VI. 1882 wurden bei einem Tumult in 2.). Rechtlich wirksam wird das Abkommen Alexandria etwa 50 Europäer getötet. Nun erst durch den Vertrag von Sèvres (s. u.; griff England ein, nachdem Frankreich ein vgl. im übrigen Stichwort: Sudan). gemeinsames Vorgehen abgelehnt hatte. Am 8. IV. 1904 wurde in London zwischen Alexandria wurde bombardiert (11. VII.) und englische Truppen wurden gelandet. Die Erbitterung der Ägypter über diese Maßnahmen war groß, und es kam zu weiteren Ausschreitungen gegen die Europäer. Arábi stellte sich den Engländern entgegen, wurde aber bei Tell-el-Kebir am 13. IX. 1882 geschlagen und gefangen genommen.

Frankreich und England ein Abkommen geschlossen (,,Declaration respecting Egypt and Morocco"; vgl. Martens, N. R. G. 2e série, T. XXXII, p. 15ff.), demzufolge Frankreich sich mit dem Vorgehen Englands in Ägypten einverstanden erklärte, während England erklärte,,,die politische Lage Ägyptens nicht ändern zu wollen" (Art. 1:,,Le gouverneDie britischen Truppen haben seit dieser ment de Sa Majesté britannique déclare Zeit das Land nicht mehr verlassen. Ihr qu'il n'a pas l'intention de changer l'état wiederholt in Aussicht gestellter Abzug wurde politique de l'Égypte. De son côté, le gouimmer wieder mit dem Hinweis auf die vernement de la République Française noch nicht voll wiederhergestellte Ordnung déclare qu'il n'entravera pas l'action de und Sicherheit in Ägypten verschoben. l'Angleterre dans ce pays en demandant Durch diese fortdauernde Besetzung er- qu'un terme soit fixé à l'occupation brilangten die Engländer einen maßgebenden tannique ou de toute autre manière . . .“). Einfluß auf die ägyptische Politik, und das Land wurde faktisch zum englischen Protektorat; rechtlich muß Ägypten aber noch bis 1914 als nicht souveräner Unterstaat der Türkei betrachtet werden.

Tatsächlich bedeutete diese Vereinbarung die Anerkennung des faktischen englischen Protektorats über Ägypten durch Frankreich; rechtlich konnte sie als res inter alios acta die bisherige Rechtsstellung Ägyptens nicht verändern (vgl. Strupp, Urkunden II,

Tewfik-Pascha starb im Jahre 1892; ihm folgte sein Sohn Abbas II. Hilmi auf p. 37, n. 1.). dem Throne nach. Der Investiturfirman

Daß die türkische Suzeränität über vom 26. III. 1892 (Noradounghian T. IV, Ägypten wegen des wachsenden Einflusses p. 505f.) war eine fast wörtliche Wieder- der Engländer schließlich zu einer Schein

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