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Und schrieb, und schrieb an weisser Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da sass,

Mit schlotternden Knieen und totenblass.

Die Knechtenschar sass kalt durchgraut,
Und sass gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.

DES SÄNGERS FLUCH.

-Heine.

Es stand in alten Zeiten ein Schloss so hoch und hehr, Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer, Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz, Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

Dort sass ein stolzer König, an Land und Siegen reich, Er sass auf seinem Throne so finster und so bleich; Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,

Und was er spricht, ist Geissel, und was er schreibt, ist Blut.

Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar, Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar; Der Alte mit der Harfe der sass auf schmuckem Ross, Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoss.

Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn!

Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton! Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!

Es gilt uns heut', zu rühren des Königs steinern Herz."

Schon stehen die beiden Sänger im hohen Säulensaal, Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl, Der König furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein,

Die Königin süss und milde, als blickte Vollmond drein.

Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, Dass reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll; Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor, Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit, Sie singen von allem Süssen, was Menschenbrust durchbebt,

Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott, Des Königs trotz'ge Krieger sie beugen sich vor Gott; Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,

Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

,,Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib ?"

Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib; Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,

Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.

Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm.
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Ross,
Er bindt ihn aufrecht feste, verlässt mit ihm das Schloss.

Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da fasst er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt;
Dann ruft er, dass es schaurig durch Schloss und Gärten
gellt:

,,Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süsser Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang, Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,

Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

„Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Dass ihr darob verdorret, dass jeder Quell versiegt,
Dass ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.

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Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums! Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen

Ruhms!

Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht, Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"

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Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört;
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht;
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings statt duft'ger Gärten ein ödes Heideland, Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand.

Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Versunken und vergessen! Das ist des Sängers Fluch. -Uhland.

MEIN VATERLAND.

Wo ist des Sängers Vaterland? -
Wo edler Geister Funken sprühten,
Wo Kränze für das Schöne blühten,
Wo starke Herzen freudig glühten,
Für alles Heilige entbrannt. —
Da war mein Vaterland!

Wie heisst des Sängers Vaterland? —
Jetzt über seiner Söhne Leichen,
Jetzt weint es unter fremden Streichen;
Sonst hiess es nur das Land der Eichen,
Das freie Land, das deutsche Land!
So hiess mein Vaterland!

Was weint des Sängers Vaterland?
Das vor des Wüthrichs ungewittern
Die Fürsten seiner Völker zittern,
Dass ihre heil'gen Worte splittern,
Und dass sein Ruf kein Hören fand.
Drum weint mein Vaterland!

Wem ruft des Sängers Vaterland? —
Es ruft nach den verstummten Göttern,
Mit der Verzweiflung Donnerwettern
Nach seiner Freiheit, seinen Rettern,
Nach der Vergeltung Rächerhand.
Dem ruft mein Vaterland!

Was will des Sängers Vaterland?
Die Knechte will es niederschlagen,
Den Bluthund aus den Grenzen jagen,
Und frei die freien Söhne tragen,
Oder frei sie betten unter'm Sand.

Das will mein Vaterland!

Und hofft des Sängers Vaterland?
Es hofft auf die gerechte Sache,
Hofft, dass sein treues Volk erwache,
Hofft auf des grossen Gottes Rache,
Und hat den Rächer nicht verkannt.
Drauf hofft mein Vaterland!

-Körner.

GEBET WÄHREND DER SCHLACHT.

Vater, ich rufe dich!

Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze.
Lenker der Schlachten, ich rufe dich!
Vater, du führe mich!

Vater, du führe mich!

Führ' mich zum Siege, führ' mich zum Tode:
Herr, ich erkenne deine Gebote;

Herr, wie du willst, so führe mich!

Gott, ich erkenne dich!

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