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Pflug, Ochsen und den Bauern, es war ihr nicht zu gross, Sie fasst's in ihre Schürze und trug's aufs Riesenschloss. Da fragte Vater Riese:,,Was hast du, Kind, gemacht ?“ Sie sprach:,,Ein schönes Spielzeug hab' ich mir hergebracht."

Die Riesen und die Zwerge!

Der Vater sah's und sagte: „Das ist nicht gut, mein Kind!

Thu' es zusammen wieder an seinen Ort geschwind. Wenn nicht das Volk der Zwerge schafft mit dem Pflug im Thal,

So darben auf dem Berge die Riesen bei dem Mahl." Die Riesen und die Zwerge!

-Rückert.

WAND'RERS NACHTLIED.

Über allen Gipfeln

Ist Ruh',

In allen Wipfeln

Spürest du

Kaum einen Hauch;

Die Vöglein schweigen im Walde.

Warte nur, balde

Ruhest du auch.

-Goethe.

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ERLKÖNIG.

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;

Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

,,Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht ?" ,,Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?" -
,,Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif."

,,Du, liebes Kind, komm, geh' mit mir!
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;
Manch' bunte Blumen sind an dem Strand;
Meine Mutter hat manch' gülden Gewand." -

,,Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht ?" -
,,Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind."

,,Willst, feiner Knabe, du mit mir geh'n?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reih'n,
Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort ?"

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,,Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau; Es scheinen die alten Weiden so grau.'

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,,Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt."— ,,Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids gethan!"—

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Müh' und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.

-Goethe.

DAS VEILCHEN.

Ein Veilchen auf der Wiese stand
Gebückt in sich und unbekannt:
Es war ein herzig's Veilchen.

Da kam eine junge Schäferin,

Mit leichtem Schritt und munterm Sinn,

Daher, daher,

Die Wiese her, und sang.

Ach! denkt das Veilchen, wär' ich nur

Die schönste Blume der Natur,

Ach, nur ein kleines Weilchen,

Bis mich das Liebchen abgepflückt,
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur

Ein Viertelstündchen lang!

Ach! aber ach! das Mädchen kam

Und nicht in acht das Veilchen nahm,

Ertrat das arme Veilchen.

Es sang

und starb und freut sich noch: Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch

Durch sie, durch sie,

Zu ihren Füssen doch.

-Goethe.

DIE GRENADIERE.

Nach Frankreich zogen zwei Grenadier',
Die waren in Russland gefangen.

Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie liessen die Köpfe hangen.

Da hörten sie beide die traurige Mär':
Dass Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das grosse Heer, -
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.

Da weinten zusammen die Grenadier'
Wohl ob der kläglichen Kunde.
Der eine sprach: „Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!"

Der andere sprach: ,,Das Lied ist aus,
Auch ich möcht' mit dir sterben,

Doch hab' ich Weib und Kind zu Haus,

Die ohne mich verderben."

,,Was schert mich Weib, was schert mich Kind! Ich trage weit bess'res Verlangen;

Lass sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind,
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!

,,Gewähr' mir, Bruder, eine Bitt':
Wenn ich jetzt sterben werde,

So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab' mich in Frankreichs Erde.

„Das Ehrenkreuz am roten Band
Sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gieb mir in die Hand,
Und gürt' mir um den Degen.

--

,,So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach', im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll,

Und wiehernder Rosse Getrabe.

,,Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab, Viel Schwerter klirren und blitzen;

Dann steig' ich gewaffnet hervor aus dem Grab,— Den Kaiser, den Kaiser zu schützen!"

DER HANDSCHUH.

Vor seinem Löwengarten,

Das Kampfspiel zu erwarten,

Sass König Franz,

Und um ihn die Grossen der Krone,

Und rings auf hohem Balkone

Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf thut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt,

Und sieht sich stumm

Rings um

Mit langem Gähnen,

Und schüttelt die Mähnen,

Und streckt die Glieder,

Und legt sich nieder.

-Heine.

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