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SECOND YEAR.

SCHEIDEN.

(,,Es ist bestimmt in Gottes Rat.")

Es ist bestimmt in Gottes Rat,

Dass man vom Liebsten, was man hat,

Muss scheiden;

Wiewohl doch nichts im Lauf der Welt

Dem Herzen, ach! so sauer fällt

Als Scheiden! ja Scheiden!

So dir geschenkt ein Knösplein was,
So thu' es in ein Wasserglas;
Doch wisse:

Blüht morgen dir ein Röslein auf,

Es welkt wohl noch die Nacht darauf;
Das wisse! ja wisse!

Und hat Gott Liebes dir beschert,

Und hältst du es recht innig wert,

Die Deine;

Es wird wohl wenig Zeit noch sein,

Da lässt es dich so gar allein;

Dann weine! ja weine!

Nur musst du mich auch recht versteh'n,

Ja, recht versteh'n,

Wenn Menschen auseinander geh'n,

So sagen sie: Auf Wiederseh'n!

Ja Wiederseh'n!

-Feuchtersleben.

DIE WACHT AM RHEIN.

Es braust ein Ruf wie Donnerhall, Wie Schwertgeklirr und Wogenprall: ,,Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein! Wer will des Stromes Hüter sein ?" Chor: Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht am Rhein !

Durch Hunderttausend zuckt es schnell,
Und aller Augen blitzen hell.

Der deutsche Jüngling, fromm und stark,
Beschirmt die heil'ge Landesmark.
Chor: Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht am Rhein !

Auf blickt er in des Himmels Blau'n,
Wo tote Helden niederschaun,

Und schwört mit stolzer Kampfeslust:

,,Du, Rhein, bleibst deutsch, wie meine Brust!" Chor: Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht am Rhein!

Und ob mein Herz im Tode bricht, Wirst du doch drum ein Welscher nicht. Reich wie an Wasser deine Flut,

Ist Deutschland ja an Heldenblut." Chor: Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht am Rhein?

„So lang ein Tropfen Blut noch glüht,
Noch eine Faust den Degen zieht,
Und noch ein Arm die Büchse spannt,
Betritt kein Welscher deinen Strand."
Chor: Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht am Rhein !

Der Schwur erschallt, die Woge rinnt, -
Die Fahnen flattern in dem Wind:

,,Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein! Wir alle wollen Hüter sein!"

Chor: Lieb Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht am Rhein !

-Senckenburger.

BARBAROSSA.

Der alte Barbarossa,

Der Kaiser Friederich,
Im unterird'schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.

Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloss verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.

Er hat hinabgenommen

Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wieder kommen,
Mit ihr zu seiner Zeit.

Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,

Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.

Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug' halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.

Er spricht im Schlaf zum Knaben:
,,Geh' hin vors Schloss, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.

,,Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,

So muss ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr."

WÜNSCHE.

Wie die Engel möcht' ich sein,
Ohne Körperschranke,

Deren Unterredung ein
Tönender Gedanke.

Oder wie die Blum' im Thal,
Wie der Stern in Lüften,
Dessen Liebesruf ein Strahl,
Deren Sprach' ein Düften.

Oder wie der Morgenwind,
Der um seine Rose
Aufgelöset ganz zerrinnt
In ein Liebgekose.

-Rückert.

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Armer ist die Nachtigall,

Die nicht kann zerfliessen,
Sondern nur der Sehnsucht Hall
Lässet sich ergiessen.

Eine Nachtigall bin ich,
Aber stumm geboren;

Meine Feder spricht für mich,
Doch nicht zu den Ohren.

Leuchtendes Gedankenbild
Ist des Griffels Schreiben;
Doch wo du nicht lächelst mild,
Muss es tonlos bleiben.

Wie dein Blick das Blatt berührt,
Fängt es an zu singen,
Und der Preis, der ihr gebührt,
Hört die Lieb' erklingen.

Jeder Buchstab' ist zumal

Memnonsäule worden,

Die, geküsst vom Morgenstrahl,

Aufwacht in Akkorden.

-Rückert.

DIE RIESEN UND DIE ZWERGE.

Es ging die Riesentochter, zu haben einen Spass,
Herab vom hohen Schlosse, wo Vater Riese sass.

Da fand sie in dem Thale die Ochsen und den Pflug,
Dahinter auch den Bauern, der schien ihr klein genug.
Die Riesen und die Zwerge!

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