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Man sieht also, wie Börne's kräftige Worte über deutsche Unterthänigkeit und Schläfrigkeit nur der negative Ausdruck jeiner Vaterlandsliebe sind. Der Patriotismus äußert sich bei ihm in der Regel nur indirekt, aber er bahnt sich seinen Weg durch seinen wehmütigen Spott, wie bei Anderen durch begeisterte Aufrufe.

Was nun Heine anbetrifft, so hat wohl Börne ihm gegenüber insoweit Recht, als ihm als Dichter sein geschmeidiges Temperament den eintönigen Kampf für eine politische Ueberzeugung schwierig machte, auch insofern Recht, als Heine unter jenem Zwiespalt und jener Unklarheit litt, die wir bei ihm verfolgt haben, nämlich, sich zugleich als volkstümlicher Revolutionär und als enthusiastischer Aristokrat zu fühlen. Wenn nun Heine unterließ, sich irgend einer vorhandenen politischen oder religiösen Partei anzuschließen, so liegt hierin doch das beste Zeugnis für die Feinheit seiner geistigen Entwickelung. Seine Scherze im „Atta Troll“ mit der predigenden Klerisei der Opposition sind hinreißend und vollauf berechtigt. Sie beweisen nur, daß er den Dogmatismus in all seinen Formen. verabscheute.

Deshalb hat Börne in seiner Annahme Unrecht, daß Heine je seine Partei in der großen umfassenden Bedeutung des Wortes, seine reichen Ideen, für die er gestritten, verleugnet habe. Und gleichfalls that er dies nicht, als er auf seinem achtjährigen Sterbelager seine armen gelähmten Augenlider mit Mühe öffnete, um Gott in jenem Himmel zu suchen, dessen Leere er selbst mit Wehmut und Troy geschildert hatte.

Heine war aber auch in gleichem Maße wie Börne Patriot. Jeder Kenner von Heines Schriften wird sich gewiß noch der schönen Stelle am Schluß der „Reisebilder“ erinnern, wo er die Chronik von Kaiser Maximilian erzählt. Derselbe saß in Tirol gefangen, verlassen von seinen Rittern und Höflingen, da öffnete sich eines Tages die Thür seines Gefängnisses und ein verhüllter Mann trat herein, in welchem der Kaiser seinen treuen Hofnarren, Kunz von der Rojen, erkannte.

Ich halte es nicht nur für geistreich, sondern auch für wahr, wenn Heine sagt: „ deutsches Vaterland! teures

deutsches Volk! Ich bin dein Kunz von der Rosen. Der Mann, dessen eigentliches Amt die Kurzweil, und der Dich nur belustigen sollte in guten Tagen, er dringt in Deinen Kerker zur Zeit der Not; hier unter dem Mantel bringe ich Dir Dein starkes Scepter und die schöne Krone - erkennst Du mich nicht, mein Kaiser? . . . Wenn Du auch in Fesseln darnieder liegst, so siegt doch am Ende Dein gutes Recht, es naht der Tag der Befreiung, eine neue Zeit beginnt mein Kaiser, die Nacht ist vorüber und draußen glüht das Morgenrot.“

У Sobald man sich nicht an Einzelheiten klammert, an leichtfertige Ausfälle und übermütige Wendungen hier und dort, jo wird man erkennen, daß dies Gefühl, daß sich hier einen flassischen Ausdruck gegeben, mächtig bei Heine ist. Weder sein Parteistandpunkt noch die damit zusammenhängende Bewunderung der Fremde haben bei ihm eine aufrichtige und tiefgehende Vaterlandsliebe, die ihm während des Erils Ent/behrung auf Entbehrung einbrachte, ausgeschlossen. Er besaß allerdings nicht jene Art von Patriotismus, welche er irgendwo den Deutschen im Allgemeinen beilegt, die das Herz enger macht und sich wie Leder in der Kälte zusammenzieht, sondern diejenige, welche das Herz erwärmt und weitert, so daß es mit der Liebe zum Vaterlande zugleich das ganze Reich der Zivilisation umfaßt.*) Wie war es auch anders möglich, als daß er Deutschland liebte! So wie er dies ausgesprochen hat, jo möge es jeder von seinem Lande sagen: „Das ist es. Deutschland, das sind wir selber." Sein ganzes Wesen war ja durch seine in Deutschland erfolgte Geburt und Entwickelung bestimmt. Auch, als er die lezte Hälfte seines Lebens in freiwillig-unfreiwilliger Verbannung zubringen mußte, heimatlos insofern, als seine Schriften vom deutschen Bundestage verboten waren, ward ihm die deutsche Sprache das wahre, höhere, eigentliche Vaterland. Er selbst hat das deutsche Wort das heiligste Gut und den unbezwingbaren Freiheitswecker genannt,

*) Vergl. Heines Werke Bd. 6 pag. 51. Bd. 14. pag. 45. Bd. 13.

pag. 16.

und es sogar für denjenigen, welchen Thorheit und Bosheit aus dem Vaterland getrieben, als ein neues Vaterland bezeichnet.

19. Immermann.

Kenner von Heines Schriften und Briefen werden eine innige Freundschaft und Waffenbrüderschaft bemerkt haben die ihn in seiner Jugend mit Karl Immermann verband. Er hatte Immermann angeboten, einige von dessen Epigrammen. in seinen „Reisebildern“ einzuschalten, und in der That brachte das Werk zwischen den Abschnitten Norderney und dem Buch Le Grand einen halben Bogen Immermannscher Xenien, welche verschiedene damalige schriftstellerische Personen und Zustände verspotteten. Unter anderen erhielten die in morgenländischen Formen dichtenden Poeten einen Hieb. Von diesen fühlte sich Platen getroffen, so daß er eine dramatische Satire „Der romantische Oedipus" schrieb, welche wiederum Heines Antwort hervorrief.

Es war ein merkwürdiger Zufall, daß gerade Platen in seiner Unbeholfenheit mit einem Schlage diese beiden Männer zu Romantikern stempeln sollte, von denen jeder für sich das Seine, und mehr als Platen, dazu beigetragen hatte, daß sich ein neuer Geist und eine neue Kunst aus der romantischen Hülle entwickelte, indem sie, jeder auf seine Art, Begründer der modernen Dichtung wurden.

Karl Immermann (1796 geboren) war etwa 3—4 Jahre älter als Heine, Sohn eines strengen, gewissenhaften Beamten in Magdeburg, selbst eine fest und solid entwickelte Persönlichkeit und früh vom preußischen Geist geprägt, von dem sich bei Heine keine Spur fand. Sie waren fast in Allem Gegensäße.

Immermann nahm als Freiwilliger an der Schlacht von Waterloo Teil, zog mit dem Heere in Paris ein, nahm als Offizier seinen Abschied und studierte in Halle Jura. Hier überwarf er sich in Folge seines strengen Rechtsgefühls mit der mächtigen Studentenverbindung Teutonia, welche sich eine

Art moralischer Oberhoheit über alle Studierenden angemaßt hatte, die sittliche Reinheit durch Rohheiten behaupten wollte und sich ebenso herrschsüchtig wie brutal erwies. Gegen diese führte er einen mehrjährigen Kampf. Verschiedene Male war er gezwungen, die Staatsgewalt um Hilfe gegen die ihm deshalb zugefügten Kränkungen und Verfolgungen anzugehen. Die Folge war, daß er von der herrschenden Partei als Angeber in Acht und Bann gethan wurde – und dies umsomehr, als die politische Reaktion, ohne daß er hieran Schuld war, aus dieser Opposition gegen herkömmliche Unsitten unter den Studentenverbindungen vorzugehen und dieselben zu unterdrücken Anlaß nahm. Seit dieser Zeit war Immermann eine alleinstehende Persönlichkeit. Ein guter Teil seines Wesens, das Trockene und Sonderbare, wurzelt in diesem Vorfall. Für Stolz und Selbstgefühl war dieses Isoliertsein zudem der günstigste Boden.

Im Jahre 1819 wurde Immermann als juristischer Beamter (Divisionsauditeur) in der Stadt Münster in Westfalen. angestellt. Es war dies eine alte streng katholische Provinzstadt, in der er sich von Anfang an mit Allen und Allem uneins fühlte. Hier jedoch lernte er nach kurzer Zeit die Frau kennen, welche das Schicksal seines Lebens wurde.

Elisa von Lützow war ursprünglich dänischer Abkunft eine geborene Gräfin Ahlefeldt - Laurvig von Tranekjaer auf Langeland. Sie war mit dem Brigadekommandeur Adolf von Lüzow, dem berühmten Führer der von Körner besungenen: Freischar, verheiratet. Zu dieser Zeit zählte sie 29 Jahre und war nach dem Zeugniß ihrer Zeitgenossen eine durch Anmut, Anstand, Geist und bei aller Vornehmheit herzgewinnende Persönlichkeit. Schon seit ihrer frühesten Jugend hatte sie einen tiefen Eindruck auf alle Männer gemacht, die in ihren Kreis traten.

Sie war als vermeintliche Erbin großer Reichtümer, doch in unglücklichen Familienverhältnissen aufgewachsen; beide Eltern waren einander fremd geblieben und lebten, nachdem Elisa 14 Jahre alt geworden, getrennt. Graf Ahlefeldt, ein Liebling Friedrichs VI. war eine vergnügungssüchtige Pascha

Natur mit einem oft wechselnden Harem; ein Musik- und Theaterfreund, der eine stehende Kapelle besaß, sich auf Tranekjaer deutsche und französische Schauspieler hielt und so gastfrei und unsinnig verschwenderisch lebte, daß selbst seine 'brillanten Vermögensverhältnisse einer derartigen Verschwendung nicht Stand hielten.

Rechtskundige Hilfe, welche Elisa brauchte, als ihr Vater ihr nicht nur ihr Muttererbe zurückhielt die Mutter war 1812 gestorben sondern auch die ihr zugesicherte Rente nicht auszahlen wollte, war die Veranlassung, durch welche sie Immermann kennen lernte.

Graf Ahlefeldt hatte lange Zeit seine Einwilligung zur Verbindung seiner Tochter mit dem vermögenslosen und noch unbekannten fremden Offizier versagt. Er gab sie endlich im Jahre 1810, und als 1813 die preußische Jugend mit lodernder Begeisterung auf Friedrich Wilhelms III. Aufruf zu den Waffen griff und Lühow das berühmte Freikorps der schwarzen Jäger bildete, da fanden die Lützower, die wilde verwegene Jagd", ihre Walküre in der schönen Gattin ihres Chefs, welche von der ganzen Schar als eine Art höheres Wesen verehrt wurde. Elisa, welche von Klein auf deutsch gesprochen zu haben scheint, fühlte sich jetzt ganz als Tochter ihres neuen Vaterlandes und ging vollständig in dessen Geschick auf. Sie begeisterte die Tapferen, die sie zum Teil selbst in die Listen eingetragen, als sie sich zu Lühows Fahne drängten, sie pflegte die Verwundeten mit heldenmütiger Ausdauer, war die beste Vertraute der jungen Männer, ihre Hilfe und Trösterin, und ihr brachte man nach einem Siege stets das Feinste der Beute. Der Lieutenant, welcher nach der Schlacht bei Belle - Alliance zuerst in Napoleons eroberten Wagen stieg, brachte ihr sogar ein Paar Handschuhe und ein paar Gläser des Kaisers als Erinnerung.

Nach dem Friedensschluß wohnte sie mit ihrem Manne in den verschiedenen Städten, in die er versezt wurde, seit 1827 in Münster, dessen steifes, kleinliches und bigottes Leben ihr zwar verhaßt war, wo sie jedoch, wie überall, einen enthusiastischen Kreis um sich versammelte, der sich an ihrem außer

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