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ein Leben ohne Größe, mit Gleichheit in der Mittelmäßigkeit als Religion, mit dem Haß gegen das Genie, gegen die suchenden Geister und gegen diejenigen, welche offen die nazarenische Askese als einzig wahrhafte Moral verwerfen. In gleichem Grade verabscheute er die Gesellschaft, wie er sie von einer Klerisei ohne Geist und von einer Aristokratie ohne Feingefühl regiert kannte, und ebenso eine Gesellschaft, wie er sie vorausjah: aus emanzipierten Sklavenseelen bestehend, welche mit ihrer instinktiven Kriecherei nur aufgehört hatten, um dem Neide die Zügel schießen zu lassen, welcher der Kern all ihrer Ehrbarkeit war.

Er war gewiß für die Revolution gegen Ludwig XVI., diesen gutherzigen Schlosser, welcher König geworden war. Doch ebenso gewiß war er auch für Cäsar gegen Brutus, diesen Tölpel von einem Wucherer, der nichts weiter verstand, als ein Messer in einen großen Mann zu stoßen.

Er bildete sich ein, Monarchist zu sein, er nannte sich Royalist aus Ueberzeugung, weil er cäsarisch gesinnt war und ihm der Ausdruck hierfür fehlte. Er glaubte Demokrat zu sein und nannte sich so, weil er als Plebejer geboren war; er haßte alle ungerechten Geburtsprivilegien und fühlte sich in eine ewige Opposition gegen Junker und Pfaffen gestellt. In seinem innersten Seelenleben jedoch war er konsequent. Der scheinbare Widerspruch in seinen politischen Sympathieen und Tendenzen kam daher, weil er Größe und Schönheit ebenso sehr wie die Freiheit liebte und die höchste Entwickelung des Menschengeschlechts nicht auf einem falschen Gleichheitsund echten Mittelmäßigkeits-Altare opfern wollte.

12. Heine.

Das wahrscheinlichste Datum für Heines Geburt ist der 13. Dezember 1797. Sein Vater, Samson Heine, war aus Hannover gebürtig und hatte in seiner Jugend als Proviantmeister mit Offiziersrang bei Prinz Ernst von Cumberland

einen Feldzug in Flandern und Brabant mitgemacht, sich jedoch nach seiner Heirat mit Peira (Betty) van Geldern als Kaufmann in Düsseldorf niedergelassen. Er war ein schöner, ruhiger, gravitätischer Mann, wenig begabt und auch nur ein mittelmäßiger Kaufmann, ohne Sinn für Kunst und Poesie, aber mit einer kindischen Vorliebe für Uniformen und noble Passionen: für das Spiel, für Theaterdamen, Hunde und Pferde. Er soll zwölf Pferde bei sich gehabt haben, als er nach Düsseldorf zog. Die Mutter, welche eine gute Erziehung genossen hatte, französisch und englisch wie deutsch sprach, war verständig, jeelenvoll, musikalisch, eine Schülerin Rousseaus, dessen Emil sie studiert hatte, eine Bewunderin Goethes, Feindin aller Vorurteile und Konvenienzen, und, im Gegensatz zum Vater, der bewundernd zu Napoleon aufschaute, eine leidenschaftliche Patriotin. Alles, was Erziehung anbetraf, gehörte zu ihrer Lieblingsbeschäftigung, und mit großer Sorgfalt und Geduld unterrichtete sie ihre Kinder. Beide Eltern waren in religiöser Hinsicht freifinnig, der Vater gleichgiltig, die Mutter Deistin, doch ließen sie ihre Kinder das orthodoxe jüdische Zeremoniell beobachten.

Nachdem Heinrich eine kurze Zeit lang eine jüdische Kinderschule besucht hatte, in welcher vielleicht der Grund zu jener Bibelkenntnis gelegt ward, die in Heines Schriften später so häufig hervortritt, wurde der Knabe einer von französischen Geistlichen, meist Jesuiten, geleiteten katholischen Erziehungsanstalt, welche in einem früheren Franziskanerkloster eingerichtet war, übergeben. Die Lehrer derselben waren jedoch auch weltlich gebildete Männer. Er hat in der Heimat eine glückliche Jugend verlebt, fand auch in der Schule Freunde und Beschüßer, die sich seiner annahmen, wenn er seines Glaubens oder seiner Spottlust halber mit Gewalt bedroht wurde.

Der am frühesten an dem zukünftigen Dichter auffallende Zug war eine stetig wachsende Nervosität, welche sich darin äußerte, daß ihm aller Lärm verhaßt und peinlich war. Sogar eine schöne klangvolle Stimme, wie diejenige seiner Schwester, ebenjo Klavierspiel und laute Rede wirkten auf ihn als Geschrei und Lärm. Und scharf wie sein Gehör, war auch sein

Geruchssinn. Tabaksrauch war ihm, wie Goethe, schon frühzeitig ein Greuel. Für Musik hatte er keinen Sinn und tanzen lernte er nie. Bereits mit fünfzehn Jahren begann er gute Verse zu schreiben.

Den Geist des Knaben formten und prägten sowohl äußere Verhältnisse als seelische Begebenheiten: die Rheinlande mit ihrer Lebensfröhlichkeit aber auch mit ihrem Aberglauben, ihren Sagen und Legenden; ferner der katholische Kultus daĮ selbst mit seinen mittelalterlichen Bauten, Zeremonieen und Wallfahrten, über welche die herrschende romantische Poesie ihren verklärenden Glanz geworfen; dann auch jene Eindrücke, welche die israelitische Abstammung, die Poesie der Bibel und nicht zuleht jene bei den zeitgenössischen Juden durch die Unterdrückung erweckte Freiheitssehnsucht und Selbstironie erzeugt hatten; endlich jene Schwärmerei für die Franzosen und Napoleon auf der einen Seite, während andererseits die gleich darauf folgende Einwirkung von Deutschlands patriotischer Erweckung alle Schüler der obersten Klasse, darunter Heine wenn auch vergebens - dazu führte, sich als Freiwillige für den Freiheitskrieg von 1813 zu melden. Er las am liebsten große Humoristen, wie Cervantes und Swift. Don Quichote und Gullivers Reisen waren seine Lieblingsbücher.

In seinem sechzehnten Jahre verliebte er sich zum ersten Mal und zwar in die gleichaltrige Tochter eines Scharfrichters, mit Namen Josepha, welche im Hause ihrer in der ganzen Gegend gefürchteten und gemiedenen Tante, deren Mann gleichfalls Scharfrichter gewesen war, wohnte. Heine hat dies junge Mädchen als jeltsam und bleich, mit rhythmisch edlen Bewegungen, einem feingeschnittenen Antlig mit großen schwarzen Augen und blutrotem Haar beschrieben. Sie kannte viele Volksweisen, die sie ihn lehrte und war nach seiner eigenen Aussage die erste, welche seinen Sinn für Volkspoesie weckte. Sie übte überhaupt mit ihrer sie umstrahlenden Schönheit, mit dem Unheimlichen und Grausenerregenden, welches sie umgab, einen nicht geringen Einfluß auf den werdenden Dichter aus. Man spürt in Heines ersten Gedichten

eine Vorliebe für Todes- und Grabesgedanken, welche diesem zärtlichen Verhältnisse zwischen den beiden Kindern zu entstammen scheint. In Heines Traumbildern Nr. 6 scheint die Unseligkeit, für welche allein die ihm im Traume geoffenbarte Hingabe des jungen Weibes erkauft werden kann, die Unehre zu symbolisieren, welche am ganzen Geschlechte des Scharfrichters hing, und die gleich einem Bannfluche auf jeden wirfte, der mit demselben in Verbindung trat.

Vom Jahre 1816 an wird Josephas Bild in Heines Seele von einem anderen jungen Mädchen verdrängt. Die Eltern hatten ihren Harry (so wurde der Vorname ursprünglich geschrieben) für den Kaufmannsstand bestimmt. Die glänzende Laufbahn der Rothschilds hatte einen tiefen Eindruck auf sie gemacht. Sie sandten den Sohn zuerst auf eine Handelsschule in Düsseldorf, dann ein paar Monate zu einem Frankfurter Bankier und verschafften ihm schließlich eine Stelle auf einem Hamburger Kontor, wo ein Onkel Harrys, der befannte Salomon Heine, sich zu einem Matador in der Handelswelt aufgeschwungen hatte. Mit Hilfe des reichen Onkels, von dem der Bruderssohn zeitlebens abhängig blieb, eröffnete dieser im Jahre 1818 unter der Firma „Harry Heine und Komp.“ in Hamburg ein Kommissionsgeschäft für englische Manufakturwaren, welches jedoch schon im kommenden Frühjahr seine Zahlungen einstellen mußte. Im Hause des Onkels fand Heine indessen nicht nur den mürrischen Wohlthäter, der ihn troß seiner Güte nie verstand und sich stets über ihn ärgerte, sondern auch in dessen dritten Tochter, Amalie Heine, das Weib, welches das Verhängnis seiner Jugend wurde, und das er unter zahlreichen Namen (Maria, Zuleima, Molly, | Eveline, Ottilie u. and.) besungen und verwünscht hat. Ihre Anmut zu preisen ward er nie müde; sie strahlt im Schönheitsglanz wie die schaumgeborene Göttin; ihre Augen, Lippen. und Wangen gleichen denen des Madonnenbildes im Kölner Dom, ihre Augen sind Veilchen, ihre Hände Lilien usw.; doch es scheint, als habe sie ihn nie geliebt. Gehofft hat er jedenfalls, sie mit der Zeit gewinnen zu können. Beweise von Wohlwollen hat er vielleicht auch verschiedentlich von ihr

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empfangen, um jo stärker traf ihn daher, wie aus seinen Gedichten hervorgeht, ihre Verheiratung mit einem Anderen, einem Gutsbesizer aus Königsberg, im Jahre 1821, und allmählich stand ihm dies als eine unverzeihliche Verräterei fest.

Neue Hilfe von Seiten des Onkels seßte Heine in den Stand, zu studieren, da er sich für den Kaufmannsberuf so unfähig bewiesen und dieser ihm im höchsten Grade zuwider geworden war. Nachdem er noch die Judenheze in Hamburg im Jahre 1819 erlebt hatte, reiste Heine über Düsseldorf nach Bonn, um dort juristischen Studien obzuliegen und, wie der Onkel es gefordert, sich den juristischen Doktorgrad zu erwerben. Die Bonner Universität, welche mehrere Jahre während der französischen Herrschaft geschlossen gewesen, war kurze Zeit zuvor aufs Neue eröffnet worden und beja eine Reihe vortrefflicher Professoren; da aber gerade damals die Verfolgungen der Burschenschaften, sowie aller nationalen Bestrebungen innerhalb der studentischen Kreise als Folge der Karlsbader Beschlüsse begannen, so wurde Heine gleich bei seiner Ankunft auf der Universität anläßlich eines Studentenfestes, welches zu Ehren des Jahrestages der Schlacht bei Leipzig abgehalten ward, in Verhör genommen und in einen kleinlichen und ergebnislosen politischen Prozeß verwickelt, der nur seinen persönlichen Abscheu vor der hereinbrechenden Reaktion erwecken fonnte. Das Zeugnis, welches er im Jahre 1819 bei der Universitätsaufnahmeprüfung erhielt, lautete dahin, daß er kein Griechisch gelernt, daß er nur geringe Kenntnisse und Uebung im Latein befäße und nicht vermocht habe, sich zum mathematischen Examen zu stellen, daß er jedoch „nicht ohne all' und jede Kenntnisse in der Geschichte sei“, und daß „seine deutsche Arbeit, obschon in wunderlicher Weise abgefaßt, den Beweis eines guten Bestrebens liefere."

Der junge Student in der Sammetjacke, mit Spizenmanschetten und Hemdenkrause, befleißigte sich in Kleidung und im Auftreten einer nachlässigen Eleganz. Er war von Mittelgröße, trug sein hellbraunes Haar ziemlich lang um sein bart-` loses Gesicht, hatte regelmäßige Züge, eine fast griechische -Nase, blaue Augen, einen großen, ausdrucksvollen Mund,

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