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: Schöpfer und Herrn, zu entthronen, wird sich das Wort Eduard von Hartmanns bewahrheiten von den „Narren der Vorsehung" 1).

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Der Sozialismus ist nicht das Böse"; er ist nicht -„die Zerstörung", er ist nicht an sich und absolut durch den Syllabus „verdammt". Sowenig wie die Kirche die Kultur und Zivilisation" schlechthin schlechthin verdammt, sondern einzig und allein die christusfeindliche, ebensowenig verdammt sie den Sozialismus schlechthin, sondern einzig und allein den im schlechten Sinne des Wortes revolutionären, atheistischen, antichristlichen. Es gibt eine wahre, berechtigte, christliche Kultur, wie es einen wahren, berechtigten, christlichen Sozialismus gibt. Die moderne Kultur, insofern sie diesen Namen mit Recht verdient, steht nicht im Widerspruch und Gegensatz zum Christentum, sondern ist gerade aus ihm hervorgegangen. Der Sozialismus, insofern er berechtigt ist und Wahrheit enthält, wurzelt gleichfalls im Christentum, ist aus ihm hervorgegangen. Die wahren Ideale beider können gerade eben nur durch das Christentum ihre Realisierung finden, dem sie in letzter Instanz entstammen. Aber leider ist die Verblendung, die Unwissenheit, das Vorurteil hüben wie drüben gleich gross, und daher, vorläufig wenigstens, allem Anscheine nach keine friedliche Verständigung und Versöhnung zu hoffen, sondern Kampf bis aufs Messer!

2) Der genannte Philosoph schreibt, freilich behufs ganz falscher Nutzanwendung: Es wäre dies nur ein Belag mehr für die oft sich zeigende Ironie in der Geschichte, dass Individuen und Parteien sich für verkehrte Ziele begeistern, und aus dieser Begeisterung die Energie zur Verwirklichung von Ideen schöpfen, welche für ihre Zwecke falsch gewählte Mittel sind, für die Zwecke der Vorsehung aber die rechten, so dass diese Parteien zu ihrer Verwunderung dann einsehen müssen, dass die Geschichte selbst sie durch Erfüllung ihrer Wünsche und Forderungen ad absurdum führt und als Narren der Vorsehung stehen lässt. (Phänomenol. S. 679.)

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Anhang.

Zusätze und Belege.

Zu Seite 11, 21, 25 u. ö. Die „vorurteilsfreie" und unparteiische" moderne „Wissenschaft". Der berühmteste Ökonomist Nordamerikas, H. C. Carey, anscheinend gläubiger Katholik, äussert: „Die Sozialwissenschaft ist unter allen Wissenschaften die einzige, welche die materiellen Interessen der Menschen, ihre egoistischen Gefühle, Leidenschaften und Vorurteile berührt, und deshalb diejenige, für welche es schwer hält, Menschen zu finden, die die Tatsachen nur zu dem Zwecke sammeln, um aus denselben die darin liegende Wissensbereicherung zu schöpfen. Da sie die Verhältnisse der Menschen unter einander abhandelt, trifft sie überall auf den Widerstand derjenigen, welche den Genuss der Macht und des Vorrechts auf Kosten ihrer Mitmenschen zu erlangen suchen. Diejenigen, welche durch ihre falschen Lehren gewinnen, blicken feindselig auf jene herab, welche die Wahrheit Mehren wollen. - Die Astronomie hat sich zu ihrer gegenwärtigen staunenswerten Höhe emporgeschwungen, ohne mehr als einen temporären Widerstand in den Schulen zu finden, weil niemand persönliches Interesse dabei hatte, an der Lehre von der Umdrehung der Sonne um die Erde festzuhalten. Cuvier, Newton, Berzelius und Liebig verfolgten ihre Untersuchungen ohne Furcht vor Oppo

W. Hohoff.

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sition, weil es unwahrscheinlich war, dass ihre Entdeckungen den Börsen der Landeigentümer, Kaufleute oder Politiker Schaden bringen könnten. Die Sozialwissenschaft dagegen ist noch grossenteils in den Händen eines Strebertums, das überall in jenen Leuten, die aus der Unwissenheit und Schwäche des Volkes ihren Vorteil ziehen, seine Stütze findet und, statt im Dienste der Wahrheit, im Dienste der Macht und des Geldes steht." (Grundl. der Sozialwissenschaft. Deutsch v. Adler. I, 38 f.)

Auch Marx hat leider nur allzusehr Recht, wenn er sagt: „Auf dem Gebiete der politischen Ökonomie begegnet die freie wissenschaftliche Forschung nicht nur demselben Feinde wie auf allen anderen Gebieten. Die eigentümliche Natur des Stoffes, den sie behandelt, ruft wider sie die heftigsten, kleinlichsten und gehässigsten Leidenschaften der menschlichen Brust, die Furien des Privatinteresses, auf den Kampfplatz. Die politische Ökonomie blieb in Deutschland bis zu dieser Stunde eine ausländische Wissenschaft. G. von Gülich hat schon die historischen Umstände erörtert, welche die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise bei uns hemmten, daher auch den Aufbau der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Es fehlte also der lebendige Boden der politischen Ökonomie. Sie ward als fertige Ware importiert aus England und Frankreich; ihre deutschen Professoren blieben Schüler. Der theoretische Ausdruck einer fremden Wirklichkeit verwandelte sich unter ihrer Hand in eine Dogmensammlung, von ihnen gedeutet im Sinn der sie umgebenden kleinbürgerlichen Welt, also missdeutet.

„Seit 1848 hat sich die kapitalistische Produktion rasch in Deutschland entwickelt und treibt heutzutage bereits ihre Schwindelblüten. Aber unseren Fachleuten blieb das Geschick gleich abhold. Solange sie politische Ökonomie unbefangen treiben konnten, fehlten die modernen ökonomischen Verhältnisse in der deutschen Wirklichkeit. Sobald diese Verhältnisse ins Leben traten, geschah es unter Umständen, welche ihr unbefangenes

Studium innerhalb des bürgerlichen Gesichtskreises nicht länger zulassen. Soweit sie „bürgerlich“ ist, d. h. die kapitalistische Ordnung statt als geschichtlich vorübergehende Entwicklungsstufe, umgekehrt als absolute und letzte Gestalt der gesellschaftlichen Produktion auffasst, kann die politische Ökonomie nur Wissenschaft bleiben, so lange der Klassenkampf latent bleibt oder sich nur in vereinzelten Erscheinungen offenbart.

„Nehmen wir England. Seine klassische politische Ökonomie fällt in die Periode des unentwickelten Klassenkampfes. Ihr letzter grosser Repräsentant, Ricardo, macht endlich bewusst den Gegensatz der Klasseninteressen, des Arbeitslohnes und des Profits, des Profits und der Grundrente, zum Springpunkt seiner Forschungen, indem er diesen Gegensatz naiv als gesellschaftliches Naturgesetz auffasst. Damit war aber auch die bürgerliche Wissenschaft der Ökonomie bei ihrer unüberschreitbaren Schranke angelangt. Noch bei Lebzeiten Ricardos und im Gegensatz zu ihm trat ihr in der Person Sismondis die Kritik gegenüber

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„Mit dem Jahr 1830 trat die ein für allemal entscheidende Krise ein. Die Bourgeoisie hatte in Frankreich und England politische Macht erobert. Von da an gewann der Klassenkampf, praktisch und theoretisch, mehr und mehr ausgesprochene und drohende Formen. Er läutete die Totenglocke der wissenschaftlichen bürgerlichen Ökonomie. Es handelt sich jetzt nicht mehr darum, ob dies oder jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital nützlich oder schädlich, bequem oder unbequem, ob polizeiwidrig oder nicht. An die Stelle

uneigennütziger Forschung trat bezahlte Klopffechterei, an die Stelle unbefangener wissenschaftlicher Untersuchung das böse Gewissen und die schlechte Absicht der Apologetik (d. h. die Rechtfertigung des Kapitalismus).

„Männer, die noch wissenschaftliche Bedeutung beanspruchten, und mehr sein wollten als blosse Sophisten

und Sykophanten der herrschenden Klassen, suchten die politische Ökonomie des Kapitals in Einklang zu setzen mit den jetzt nicht länger zu ignorierenden Ansprüchen des Proletariats. Daher ein geistloser Synkretismus, wie ihn John Stuart Mill am besten repräsentiert. Es ist eine Bankerotterklärung der „bürgerlichen“ Ökonomie 1).“

Treffend bemerkt auch Friedrich Albert Lange:

„Dass die Nationalökonomie im Interesse der Kapitalisten und behufs Niederhaltung der Sozialreform systematisch gefälscht worden ist und noch fort und fort gefälscht wird, kann man leicht sehen, wenn man die Lehren, die sich als Ausflüsse der Wissenschaft in der Presse, in den Parlamenten und der populären Literatur breit machen, mit den reineren Grundlagen, wie wir sie in der britischen klassischen Volkswirtschaft ausgeprägt finden, vergleicht. Dort tritt uns die Nationalökonomie des Industrialismus mit allen ihren für den Arbeiterstand so trostlosen Konsequenzen unverhüllt entgegen. Der eine beklagt diese Konsequenzen und verwünscht den Zustand der Dinge, aus welchem sie hervorgehen, der andere behandelt sie mit kalter Objektivität, und wieder andere sind naiv genug, in der Erhabenheit ihres Bewusstseins, zu der bevorzugten Klasse zu gehören, in jenen Verhältnissen eine weise Einrichtung des gütigen Schöpfers zugunsten der „Gesellschaft", d. h. der bevorzugten Klassen, zu erblicken. Karl Marx hat eine ganze Reihe von Käuzen dieser letzteren Art ans Licht gezogen, wie z. B. den staatskirchlichen protestantischen „Pfaffen Townsend" (Kapital S. 634), welcher sich freut, dass durch den Überfluss von Menschen, die zu den servilsten, schmutzigsten und gemeinsten Funktionen des Gemeinwesens bereit sind, der Fonds von menschlichem Glück sehr vermehrt werde, und der deshalb dem Armengesetz vorwirft, es strebe die Harmonie und Schönheit, die Symmetrie und Ordnung dieses Systems, welches Gott und die Natur in

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1) Marx, Das Kapital. 2. Aufl. I, 7. 814 ff.

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