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ein, und stärkt dadurch das Vertrauen und den sittlichen Mut seiner Untergebenen mehr, als durch kluge Pfiffe, auch wenn sie Erfolg haben; der Unredliche dagegen fügt sich feige dem Mächtigen. Schmeichelt er ihm sogar, so macht er sich verächtlich.

Was das sogenannte jus formationis betrifft, so zeigt es sich ganz besonders bei revolutionären Bestrebungen und Umsturzversuchen der bestehenden Staatsverhältnisse vorteilhaft. Man braucht dann nur sich eine neue Staatsverfassung auszudenken, und die vorhandenen Verhältnisse darnach zu bestimmen, um sich die Befugnis einer praktischen Ausführung des so schön Gedachten zuzuschreiben und, wenn die Ausführung gelungen ist, das Recht zu haben, als formender und mafsgebender Geist an der Spitze seines Werks zu stehen.

Aber wird dem Recht nicht die ihm eigentümliche Strenge entzogen, wenn man ein rechtliches Verhalten auf gleiche Linie stellt mit dem sonstigen moralischen Verhalten? führt das Recht nicht eine objektive oder äussere Nötigung mit sich, während die blofse Moralität nur auf subjektiver, innerer Nötigung beruht? Ergiebt das Recht nicht vollkommene Pflichten zum Unterschiede von den sonst moralischen Antrieben und Zumutungen, z. B. des Wohlwollens? So mögen manche noch reden, ohne sich ein klares Bewusstsein davon gebildet zu haben, was eine derartige Rede bedeutet. Anstatt dem Rechte durch Beziehung auf seinen ethischen Grund die ihm gebührende Würde zu erteilen, entstellen sie erst die Moral dadurch, dafs sie dieselbe zu etwas mehr Subjektivem machen, und hinterher die Idee des Rechts dadurch, dafs sie den Begriff des Zwanges in dieselbe hineinschieben. Freilich hat dieser letztere Irrtum eine berühmte Auktorität, nämlich die eines Kant, für sich, auch giebt es wirklich eine Menge bestehender Rechte, welche zu respektieren, ein Zwang in der menschlichen Gesellschaft stattfindet. Ein solcher Rechtszwang folgt aber nicht unmittelbar aus der Idee des Rechts, sondern aus besonders gestifteten gesellschaftlichen Ordnungen, und setzt immer erst ein vorheriges Zugeständnis der Gesellschaft voraus, den Zwang gegen Widerspenstige auszuüben. Die Deduktion dieser und anderer mit der Idee des Rechts oder mit wirklichen Rechten verbundenen Begriffe kann daher erst unter der Voraussetzung einer Rechtsgesellschaft geschehen. Nun giebt es aber aufser den sogenannten

erzwingbaren Rechtspflichten, noch eine grofse Menge unzweifelhafter Rechtspflichten, bei denen kein äufserer Zwang stattfindet, auch nicht wohl angebracht ist, z. B. in freundschaftlichen Verhältnissen auch im Völkerrecht. Da dem so ist, so darf das, was nur bei gewissen Arten von Rechtspflichten gilt, nicht zum bestimmenden Merkmal des Begriffsrecht gemacht werden.

Mit den erwähnten und anderen Irrtümern hängt zusammen jene unheilvolle Trennung der Rechtslehre von der Moral, welche viel Verwirrung der Begriffe angerichtet und erstaunliche Plattheiten erzeugt hat. Mögen auch die gesellschaftlichen Bedürfnisse sehr laut und dringend eine rechtliche Auseinandersetzung der verschiedenen Ansprüche und einen Respekt vor dem gestifteten Rechte fordern; möge es für diese Bedürfnisse zunächst als zureichend erachtet werden, wenn nur äufserlich den Rechtsordnungen Folge geleistet wird: wegen dieses geforderten äufserlichen Verhaltens aber das Recht von der sonstigen Moral, bei der es vorzugsweise auf ein inneres Verhalten ankommt, abzumarken, hiesse geradezu so viel, als ob es beim Recht auf Rechtlichkeit, d. h. auf die moralische Gesinnung nicht ankäme. Ein rechtlicher Mensch wird sich aber stets beleidigt fühlen, wenn sein rechtliches Verhalten den bestehenden Rechtsordnungen gegenüber blofs als Legalität bezeichnet, und hinwiederum ein blofs legales Verhalten anderer, welches nicht sowohl aus einer rechtlichen Gesinnung hervorgeht, sondern nur Klugheitsrücksichten folgt, als rechtliches Verhalten gelobt wird. Dergleichen hätte schon vor jener Trennung, von der die Alten noch nichts wussten, warnen sollen. Die Aufgabe einer Philosophie des Rechts geht daher vor allen Dingen dahin, die falschen Zurückführungen der bestehenden Rechte auf jene unzulänglichen Begriffe des sogenannten Naturrechts oder der naturrechtlichen Staatslehre nicht wieder zu erneuern. Die Idee des Rechts mufs in der Reihe derjenigen Begriffe behandelt werden, wohin sie ihrer sittlichen Natur nach gehört. Dadurch wird ein Doppeltes vermieden werden können. Erstens, das Recht seiner eigentlichen ethischen Bedeutung zu entleeren. Zweitens, ethische Verhältnisse in den Begriff des Rechts mit hineinzufassen, welche auf andere Ideen als auf die Idee des Rechts hinweisen. Dieser Irrtum ist deshalb leicht möglich, weil die Idee des Rechts nichts über den Inhalt dessen, worüber man übereingekommen

ist, oder übereinkommen mag, bestimmt, also rein formaler Natur ist; sodann, weil wegen des Verhältnisses von Recht und Pflicht, Pflichten leicht als Rechtsforderungen angesehen werden und so der mögliche Umfang von Pflichten als Korrelat von Rechten betrachtet wird. Endlich weil in der positiven Gesetzgebung eines Staates, welche als das in demselben geltende objektive Recht bezeichnet wird, eine Menge Bestimmungen mit vorkommen, die sich nicht blos auf eine Auseinandersetzung zwischen Mein und Dein beziehen. Es hat daher schon Aristoteles zwischen Recht im weitern und engern Sinne unterschieden, ohne jedoch dabei den eigentlichen Grundgedanken des Rechts deutlich herauszustellen und von der Verwechselung mit nebenherlaufenden Vorstellungen zu befreien. Überhaupt ist bei den rechtsphilosophischen Betrachtungen der alten Griechen zu bemerken, dafs häufig die Befriedigung an geordneten Rechtszuständen und nach gewissen Verhältnissen erteilten Befugnissen, besonders politischer Art, als das eigentliche Beifällige des Rechts angesehen wird. Eine Menge Ausdrücke, namentlich bei den Doriern, weisen darauf hin. Anders bei Homer und besonders bei Hesiod. Ersterer läfst sogar den kampflustigen Achill, freilich angesichts der daraus entstandenen übeln Folgen, den Streit und Hader unter Göttern und Menschen verwünschen. Letzterer drückt wiederholt sein Mifsfallen am Streite als dem Gegenteil rechtlicher Zustände aus und unterscheidet davon ganz besonders solche Arten des Streites, welche er als Wetteifer bezeichnet. Die Versuche aber, die ethische Würde des Rechts vielmehr in einem unmittelbaren Beifall an einer gewissen Einstimmigkeit der Willen verschiedener Personen in Beziehung auf irgend welche Objekte der Begehrung, als in der ästhetischen Konsequenz des Mifsfallens am Streite zu finden, haben darin ihre natürliche Erklärung, dafs man dabei vorzugsweise an gewisse gesellschaftliche Verhältnisse denkt. Geht man nämlich bei der ästhetischen Würdigung der Rechtsidee von der Idee der Rechtsgesellschaft oder von der Betrachtung derjenigen gesellschaftlichen Verhältnisse aus, in denen die Idee des Rechts einen Ausdruck findet, so tritt einem freilich eine Einstimmigkeit des Willens verschiedener Personen in Betreff gewisser Gegenstände wirklicher oder möglicher Begehrung unmittelbar entgegen. Die weitere Folge ist dann die, dafs man die ursprüngliche Be

deutung von Rechtsverhältnissen nicht sowohl in eine Auseinandersetzung, als vielmehr in eine Verknüpfung von Willen setzt; während doch das erste bei Rechtsstiftungen dies ist, dafs verschiedene Personen sich mit ihren gemeinsamen Ansprüchen an irgend welchen Gegenstand auseinandersetzen, entweder, um den entstandenen Streit zu schlichten, oder um möglichem Streite vorzubeugen.

Die Idee der Vergeltung.

Die Aufstellung der Idee der Vergeltung oder der Billigkeit als selbständige Idee ist ein Verdienst Herbarts. Früher ward dieselbe bald mit der Idee des Rechts, bald mit der des Wohlwollens verwechselt, und doch beruhet dieselbe auf einem ganz besonderen, weder mit den Verhältnissen des Wohlwollens oder Übelwollens, noch mit den Verhältnissen des Rechts zu verwechselnden Willensverhältnisse. Von der Idee des Wohlwollens unterscheidet sie sich dadurch, dafs bei ihr keine blofs unmittelbare Widmung oder Nichtwidmung für das fremde Wohl stattfindet, was schon durch das blofse Vorstellen eines fremden Willens geschehen kann, sondern dafs ein thätliches Eingreifen in den fremden Willen durch irgend eine Sache stattfinden mufs. Das Verhältnis ist also kein unmittelbares, sondern ein mittelbares. Ferner unterscheidet sie sich von jenen Willensverhältnissen dadurch, dafs bei Wohl- oder Übelthun keineswegs die Gesinnung des Wohlwollens oder des Übelwollens stattzufinden braucht. Was das Rechtsverhältnis betrifft, so besteht dasjenige mifsfällige Willensverhältnis, dessen ästhetische Konsequenz nach dem Gegenteile hin die Idee des Rechts ergiebt, auf einem unabsichtlichen Zusammentreffen zweier Willensbestrebungen verschiedener Personen in dem gemeinsamen Gegenstande des Strebens. Der dabei sich ergebende Konflikt der beiden Willen an der gemeinschaftlichen Sache ist nicht erst dann mifsfällig, wenn er ein beabsichtigter ist. Bei der Idee der Vergeltung hingegen wird vorausgesetzt, dafs der Wille einer Person durch irgend welches Medium absichtlich auf den Willenszustand einer anderen Person abändernd eingreift, möge dies direkt geschehen, oder auch indirekt, so dass der Eingriff blofs Mittel ist zu einem weiteren Zwecke. Soll es damit sein Bewenden haben? Sowohl bei Wohlthaten, als auch

Allihn, Ethik. 2. Aufl.

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bei Übelthaten erhebt sich unwillkürlich der Gedanke der Vergeltung, und ein Urteil des Mifsfallens ergiebt sich, wenn auf das erwiesene Wohl oder Wehe den Thäter nicht das entsprechende Äquivalent trifft. Ist nun dieses Mifsfallen so gewiss und unvermeidlich, dafs es sich nicht bestreiten oder verleugnen lässt, wir uns vielmehr bei der Vergegenwärtigung unvergoltener Thaten in unserem Bewusstsein unwillkürlich an dieses Urteil gebunden fühlen: so mufs bei noch unvergoltenen Thaten etwas vorhanden sein, worauf sich das Mifsfallen bezieht und wodurch es eigentlich in der vorstellenden Intelligenz erzeugt wird. Was dies sei, hat die allgemeine Ethik näher nachzuweisen. Sie hat die Verhältnisse von Vorstellungen anzugeben, welche die eigentlichen Subjekte bilden für das Prädikat des Mifsfallens.

Also, was ist das Mifsfällige bei unvergoltenen Thaten? Ist es der leidende Wille für sich, oder der thätige Wille für sich? Keiner von beiden, einzeln für sich betrachtet, ist es. Müssen wir doch von den sonstigen Wertbestimmungen der durch die That verbundenen Willen nach der Idee des Rechts oder des Wohlwollens oder der inneren Freiheit oder der Vollkommenheit, hier Umgang nehmen. Ebenso wenig ist das Mifsfallen in die That an und für sich zu verlegen. Denn darin, dafs ein Erfolg einer bestimmten Absicht entspricht, liegt an und für sich noch gar nichts Mifsfälliges. Das Mifsfällige oder Unbefriedigende muss vielmehr in der eigentümlichen Verknüpfung zweier Willen, des leidenden und des thätigen durch die That gesucht werden, und zwar nicht etwa einseitig in der Zufügung einer Übelthat, sondern auch in der Zufügung einer Wohlthat. In beiden Fällen mufs ein Zustand beider Willen erzeugt werden, dessen vergleichende Zusammenfassung im Zuschauer das ästhetische Bedürfnis nach Vergeltung erweckt, und mit deren Vollziehung das Mifsfallen seine Erledigung findet. Wenn es nun in dieser Beziehung bei Herbart heifst, die That als Störerin mifsfällt, so kann der Sinn dieser Rede nicht der sein, als ob in die durch die That bewirkte Abänderung des Willenszustandes derjenigen Person, auf welche die That gerichtet war, schon die alleinige Ursache des Mifsfallens zu setzen sei. Denn diese Abänderung an sich betrachtet, kann sehr befriedigen und braucht noch gar nicht das Bedürfnis der Vergeltung zu erwecken. Es mufs vielmehr

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